(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Überhaupt nicht! – Gegenruf des Abg. Jörg Döpper CDU: Reden Sie mit der Gesellschaft!)
99 % der Eltern, mit denen ich spreche, sagen mir Folgendes: „Ich möchte mein Kind an seiner Schule willkommen wissen.
Ich möchte, dass die Schulkonferenz“ – die Schulkonferenz, nicht Ihre Kollegen Lehrer – „und auch die Eltern sagen: Ja wohl, die Kinder mögen willkommen sein. Wir wollen, dass unsere Kinder aufgenommen werden.“
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Alle Kinder müssen willkommen sein! – Gegenruf des Abg. Jörg Döpper CDU: „Müssen“, Frau Rastätter!)
Nein, ich werde Ihnen gleich widerlegen, was Sie sagen, Frau Rastätter. – Wir brauchen inklusionswillige Schulen, und wir brauchen inklusionsfähige Schulen. Das ist ein Unter schied. Inklusionswille ist, wenn sich eine Schule auf den ge meinsamen Weg macht.
Inklusionsfähigkeit bedeutet, dass die Schule personell und auch von der Ausstattung her dazu in der Lage sein muss. Aber diesen Fall blenden Sie in Ihren Betrachtungen aus:
keine Kommune, keine Schulbaumittel, keine Eingliederungs hilfe, keine Jugendhilfe, kurzum: nur Schulgedanken, keine Sozialpolitik. Noch einmal: Ein behindertes Kind ist auch in den 16 Stunden am Tag, in denen es nicht in der Schule ist, behindert. Wenn wir keine Hilfesysteme an den Schulen schaf fen, dann nützt uns der beste Inklusionswille nichts, wenn die Schulen dann nicht inklusionsfähig sind. Hören Sie auf mit Ihren theoretischen Modellen; das läuft nicht.
Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, was Sie anstellen, Frau Rastätter. Ich habe mir Ihren Antrag durchgelesen. In Ihrem Antrag, der heute zur Debatte steht, wird ausdrücklich – aus drücklich; ich habe noch einmal nachgelesen – Einzelintegra tion gefordert. Das will weder die CDU-Landtagsfraktion noch die Kultusministerin. Wir wollen keine Einzelinklusion, weil diese das Kind, das einzeln inkludiert wird, in eine völ lige Außenseiterrolle bringt. Das einzige behinderte Kind in einer Klasse, das einzige behinderte Kind an einer ganzen Schule zu sein – das ist für Sie Inklusion. Das mag in Frank reich Inklusion sein, in Baden-Württemberg ist es keine In klusion.
Ich sage Ihnen: Was die Eltern wollen, das wollen auch wir. Wir wollen, dass die Kinder künftig an einer Regelschule wohnortnah unterrichtet werden, und zwar nicht in Form von Einzelintegration. Wir wollen vielmehr, dass die Kinder in kleineren Gruppen in diesen Schulen inklusiven Unterricht, inklusive Bildungswege genießen können. Den Eltern geht es überhaupt nicht darum, dass es exakt die Schule neben der Haustür sein muss, sondern sie sagen: Wir brauchen eine Schule, bei der unsere Kinder willkommen sind, bei der die
Versorgung stimmt und bei der unsere Kinder keine Außen seiterrolle als einziges behindertes Kind spielen.
Ich kann Ihnen nur raten, Frau Rastätter – Sie haben einen großen Wahlkreis –: Reden Sie bitte einmal mit Eltern, die be hinderte Kinder haben und deren Kinder in einer solchen Si tuation der Einzelinklusion in die Pubertät gekommen sind. Ich will Ihnen dieses Beispiel sagen; Sie sind Pädagogin, Sie wissen um die besondere Phase der Pubertät. Wenn ein Kind als einzelnes Kind inklusiv in dieser Situation ist, alle ande ren Freundinnen und Freunde finden, sich zu Partys treffen, miteinander tanzen gehen, dann ist dieses Kind plötzlich nir gendwo mehr eingeladen, ist nirgendwo mehr willkommen und hat niemanden, der in der gleichen Situation ist. Das sa gen uns die Eltern, liebe Frau Rastätter.
(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Wo leben Sie denn, Herr Hoffmann?)
Wenn Sie Pädagogin wären, Frau Rastätter – was Sie von der Ausbildung her eigentlich sind –, dann wüssten Sie, wie schwierig diese Situation ist.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Jörg Döpper CDU: So ist es! – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Wo leben Sie eigentlich?)
Wo ich lebe, wissen Sie. Sie wissen, dass ich seit neun Jah ren eine Schule begleite, die exakt das macht, was Sie verlan gen. Rufen Sie doch Frau Großkreutz von dieser Schule an; Sie kennen sie doch.
Fragen Sie sie doch einmal, was sie von Einzelinklusion hält: nichts. Auch die Eltern halten davon nichts.
Interessant ist, dass Sie nach wie vor alle Sonderschulen auf lösen wollen. Das ist auch eine spannende Geschichte. Frau Rastätter – –
Frau Rastätter, Ihre hellseherischen Fähigkeiten sind phäno menal. Sie wissen bereits, welche Ergebnisse sich aus den Er kenntnissen der fünf Schwerpunktschulämter ergeben werden. Hellseherisch sagen Sie voraus, dass wir 500 zusätzliche Stel len brauchen. Sie ignorieren konsequent – Sie haben mit kei nem einzigen Wort etwas dazu gesagt –, was der Expertenrat gesagt hat. Sie nehmen ihn schon gar nicht mehr wahr, weil Sie ihn gar nicht gebraucht haben. Aus Ihrer Sicht war er un
nötig, denn Sie wussten ja schon vor dem Expertenrat, was der richtige Weg ist, liebe Frau Rastätter.
Herr Zeller ist dafür bekannt, dass er Ideologe ist. Aber von den Grünen, gerade von Ihnen, Frau Rastätter, habe ich ein bisschen mehr erwartet.
Sie haben vorhin ein paar Sachen ausgesprochen, die schon ganz interessant sind. Bisher sind wir gründliche Arbeit ge wohnt. Sie haben an diesen Punkten nicht gründlich gearbei tet. Ich möchte in Erinnerung rufen, was Sie vorhin gesagt ha ben. Sie haben gesagt, Sie hätten im letzten Frühjahr einen Antrag zur Änderung des Schulgesetzes gestellt, der abgelehnt worden sei. Das ist falsch. Sie haben diesen Antrag zurückge zogen.
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Nein, der Antrag wurde in beiden Lesungen behandelt, und darüber wurde abgestimmt!)