Protocol of the Session on June 9, 2010

Dann können wir dieses ganze Verfahren vielleicht noch ein mal neu aufstellen und qualitativ verbessern.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Sehr gut! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Für ihr Verständnis!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Lehmann für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Zahl möchte ich hier noch nennen, die verdeutlicht, was an den Schulen auch geleistet wird: Fast jede vierte vertretene Unterrichtsstunde wird von den Lehrern an den Schulen unentgeltlich vertreten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Danke schön, Herr Kollege Lehmann!)

Das heißt, das läuft quasi mit. Man bekommt erst eine An rechnung, wenn man eine entsprechende Anzahl an Vertre tungsstunden geleistet hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Manche Schullei ter sind durchaus großzügig!)

Es ist an den Schulen durchaus üblich – diese Zahlen belegen das –, dass im Kollegium eine große Bereitschaft vorhanden ist, auch einmal einzuspringen. Ich denke, das muss man hier auch einmal sagen, weil Lehrer manchmal in der öffentlichen Diskussion nicht so gut wegkommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau! Da müssen wir zusammenhalten! – Heiterkeit – Beifall des Abg. Volker Schebesta CDU – Zuruf des Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP)

Herr Röhm, dabei muss man natürlich Unterscheidungen tref fen. Sie kennen die Fälle sicher auch: Eine Kollegin wird schwanger und fällt deshalb aus. Hier ist alles planbar. Ein Kollege hat eine schwerwiegende Krankheit, bei der man ge nau weiß, dass er unter Umständen für ein halbes Jahr, für ein

Dreivierteljahr ausfällt; man weiß nicht, ob er überhaupt zu rückkommt. Das kommt manchmal vor. Kommt er nach Os tern oder nach Pfingsten oder wann auch immer zurück? Man weiß eigentlich schon, dass das über einen längeren Zeitraum geht. Das Theater, das an den Schulen stattfindet, bis eine ver nünftige Vertretung kommt, ist groß, selbst dann, wenn es um eine Mutterschutzvertretung geht, bei der man die genauen Termine im groben Rahmen bereits kennt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Kollegin hat eine Erklärungsfrist, Herr Lehmann!)

Die Schulen schaffen es nicht, in solchen Fällen eine vernünf tige Vertretung, auch im Interesse der Schüler und der Schu len selbst, zu finden. Das bringt natürlich auch eine Menge Unruhe an den Schulen. Da muss Abhilfe geschaffen werden. Das hat nichts damit zu tun, dass Klassenfahrten oder sonst etwas gemacht werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist richtig!)

Es geht um diese ganz harten Probleme, die an den Schulen vorhanden sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Kollegin hat eine Erklärungsfrist, Herr Lehmann!)

Ich muss Ihnen noch eines zu den beruflichen Schulen sagen. Wir haben seit ein paar Jahren ein Problem. Wir können die Zahlen des Statistischen Landesamts als Orientierungswerte zur Kenntnis nehmen. Aber wir können mit ihnen gerade in der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht richtig arbeiten. Denn wir wissen, dass diese Zahlen eigentlich nicht stimmen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Deswegen haben wir die Stellen belassen und zusätzliche eingerichtet!)

Wir wissen auch, dass es in diesem Bereich Verwerfungen gibt. Im Schuljahr 2009/2010 lautete die Prognose im Teil zeitbereich: plus 600 Plätze. Die Realität waren minus 3 000 Plätze. Im Vollzeitbereich wurden minus 4 400 Plätze prog nostiziert, und wir haben ein Plus von 2 700 gehabt.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Da haben wir reagiert!)

Sie haben darauf reagiert und haben die Stellen belassen und sie sogar aufgestockt.

Aber ich muss Ihnen noch eines sagen, was an den berufli chen Schulen natürlich besonders brisant ist. Wenn Sie zu den Kolleginnen und Kollegen oder auch zu den Schulleitungen dort gehen, werden Sie erfahren, dass diese die Absenkung des Klassenteilers sehr wohl zur Kenntnis nehmen und auch dankbar dafür sind. Aber ich würde sagen, Grund dafür, dass es an den Schulen wirklich „brennt“, ist das strukturelle De fizit. Sie haben hier beschrieben, dass 8 % des Pflichtunter richts eben nicht richtig gehalten werden. 55 % der Ausfälle werden vertreten, der Rest aber nicht. Jede zwölfte Unter richtsstunde findet nicht regulär statt; das muss man feststel len. Da besteht Handlungsbedarf, ein vordringlicher Hand lungsbedarf, an dem die Landesregierung in den nächsten Mo naten natürlich auch gemessen wird.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Professorin Dr. Marion Schick.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, Herr Mentrup, dass diese Debatte hier mehr ist als eine alljährliche Prozedur, wie Sie eingangs ge sagt haben. Ich meine schon, dass wir hier über ein Thema diskutieren – so habe ich es zumindest in den letzten drei Mo naten erfahren –, das tatsächlich an den Schulen und bei den Eltern Thema Nummer 1 ist.

Bei diesem Thema und seiner hohen Wertigkeit für die Eltern geht es sicherlich nicht nur um die Quantität der Unterrichts versorgung. Diesen Aspekt würde ich in die Debatte gern noch neu einführen, Herr Lehmann. Sie haben es vorhin erwähnt: Es geht natürlich auch um Qualität. Wir sollten nicht verges sen, dass wir die Qualität eines Schulsystems natürlich nicht nur an der Quantität der Unterrichtsleistung messen,

(Zuruf von der SPD: Wenn kein Unterricht stattfin det, kann auch keine Qualität stattfinden!)

wiewohl ich sehr wohl Ihrer Auffassung bin, dass die Unter richtsversorgung sozusagen die Hausaufgabe eines staatlichen Bildungssystems darstellt. Das muss funktionieren. Ich wür de mich hier nicht so wohlfühlen, wenn ich hier stehen und sagen müsste: Es funktioniert nicht.

Selbstverständlich ist in Baden-Württemberg die Unterrichts versorgung im Pflichtbereich abgedeckt – bis auf ein struktu relles Defizit, das ich offen ansprechen will. Dieses Defizit be steht im Bereich der beruflichen Schulen und im Bereich der Sonderschulen. Ich will auch offen sagen, dass wir hier eine gemeinsame Aufgabe vor uns haben.

(Beifall der Abg. Dr. Birgit Arnold und Dr. Hans-Pe ter Wetzel FDP/DVP)

Aber diese Aufgabe starten wir auf der Basis der Erfüllung ei nes eminent hohen Leistungsanspruchs gerade in der Abde ckung der zusätzlichen Anforderungen im beruflichen Sys tem. Schauen wir uns einmal die Zahlen bei den beruflichen Vollzeitschulen an. Was hat sich hier im laufenden Schuljahr getan? Prognostiziert war ein Rückgang der Schülerzahlen im Vollzeitschulbereich beruflicher Schulen um knapp 4 000; tat sächlich haben wir in diesem Schuljahr knapp 3 000 Schüler zusätzlich im beruflichen Vollzeitschulbereich. Das Struktur defizit, auf das Sie mahnend hingewiesen haben, beträgt jetzt 4,6 % statt 4,5 % ein Jahr zuvor. Das heißt, wir versorgen 7 000 Schüler zusätzlich in diesem Bereich und haben das bei annähernd gleicher Versorgungsrate geschafft.

Herr Mentrup, Sie haben mich vorhin gefragt, welche neuen Instrumente es denn wohl gibt, um eine Situation zu verbes sern, die mit der strukturellen Unterrichtsversorgung nichts zu tun hat. Hieran möchte ich gern einen Haken machen. Wir stellen alle Mittel der Lehrerakquise zur Verfügung, die sich nur vorstellen lassen und für die wir zum Teil in Deutschland auch gerügt worden sind. Sie wissen das. Die Werbekampag ne jenseits der baden-württembergischen Grenzen ist nicht nur auf Wohlgefallen gestoßen. Hier erfüllen wir unsere Aufgabe.

Sie fragen nach den Instrumenten in einem Bereich, der mit der strukturellen Unterrichtsversorgung zunächst nichts zu tun

hat, sondern der gelebte Erfahrung in der täglichen Unterrichts praxis ist, dass nämlich nicht 100 % des geplanten Unterrichts auch tatsächlich gehalten werden können. Wir sprechen hier über den Unterrichtsausfall.

Sie fragen nach neuen Instrumenten. Da würde ich Sie gern um Ihre Mithilfe bitten. Wir bereiten ein neues Instrument vor, das den Schulen wirklich Erleichterung bringen würde. Wir würden es den Schulen gern ermöglichen, sich selbst einen Lehrerpool zu schaffen, um sich frühzeitig geeignete Kandi datinnen und Kandidaten für die Situation einer Krankheits vertretung zu holen. Bisher haben wir es noch nicht geschafft, die Hauptpersonalräte zu überzeugen. An uns liegt es nicht.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aha!)

Vielleicht haben Sie gute Kontakte zu ihnen. Ich habe eine kleine Vermutung

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aha!)

und würde Sie bitten: Wenn dem so wäre, helfen Sie bitte mit. Ein Schreiben von mir zur Einführung von Lehrerpools liegt dort vor. Wir machen dies heute und nicht erst morgen, wenn es uns gelingt, die Hauptpersonalräte zu überzeugen. Ich baue auf Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Peter Hofelich SPD: Wir sind doch nicht Ihre Hiwis! Eine etwas asymmetrische Zusammen arbeit! – Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Ich nehme den Job als Beauftragter gern an!)

Es freut mich, wenn wir hierbei zusammenarbeiten. Denn das geschieht im Dienst der Schüler und Schülerinnen.

Meine Damen und Herren, ich habe unmittelbar nach meinem Amtsantritt ebenfalls das Thema „Unterrichtsversorgung im Bereich der Krankheitsvertretung“ mit den Regierungspräsi dien besprochen und dieses Thema zur Chefsache erklärt, so wohl bei den Regierungspräsidien als auch bei uns im Minis terium.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Mentrup SPD)

Wir haben jedem Regierungspräsidium eine zusätzliche Per sonalressource bereitgestellt. Nennen Sie es einen Fallmana ger für die Sicherstellung der Krankheitsvertretung. Außer dem liegen in diesem und im nächsten Schuljahr die Mittel im Bereich der Krankheitsvertretung auf einem Niveau, das uns wiederum in die Lage versetzt, diese Krankheitsvertretung, soweit machbar und menschenmöglich, abzudecken. Das Übermenschliche können selbst wir nicht, die wir den wich tigen christlichen Background haben. So gut ist unser Draht nach oben noch nicht,

(Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

dass wir beliebige Fächerkombinationen zum beliebigen Zeit punkt an einem beliebigen Ort in Baden-Württemberg mit ei nem Fingerschnippen herbeiholen könnten. Wenn Sie uns auch da einen Tipp geben könnten, wäre ich Ihnen extrem dankbar.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Damit spiele ich natürlich darauf an, meine Damen und Her ren, dass es nicht an fehlenden Planstellen liegt, wenn in ein zelnen Situationen an Gymnasien und beruflichen Schulen, in einzelnen Fächerkombinationen – auch wenn das Geld da ist – der Lehrer oder die Lehrerin nicht zur gewünschten Zeit und mit ganz kurzer Bereitstellungszeit am gewünschten Ort ist.