Protocol of the Session on April 14, 2010

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Auch im Bereich der Ausnahmetatbestände wäre ein Vorge hen mit mehr Ausnahmen wünschenswert. Die Ausnahme für Oldtimer ist sehr vernünftig, und wir haben uns darüber sehr gefreut. Aber weitere Ausnahmen sollten z. B. für den Gele genheitsverkehr mit Spezialfahrzeugen, die teuer in der An schaffung sind, für Reisebusse oder für Schausteller gelten. Die Belastung durch wenige Fahrten dürfte kaum, wahr scheinlich gar nicht messbar sein, liegen doch die Reduktio nen durch die Einführung der Umweltzonen insgesamt im un teren einstelligen Bereich. Dann ist nicht einzusehen, dass sich ein Schausteller deswegen, weil er zweimal im Jahr auf den Cannstatter Wasen fährt, ein neues Auto kaufen muss.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit bei unserer Um weltministerin in der doppelten Zuständigkeit in Zukunft in guten Händen liegt und dass sie das Augenmerk noch stärker auf die Lebensqualität der Bevölkerung legen wird. Eine ein seitige Verdammung des Automobils, wie sie die Grünen im mer wieder predigen, können wir nicht brauchen.

Eberhard von Kuenheim hat einmal zu Recht gesagt, dass Mo bilität nicht Folge des Wohlstands, sondern seine Grundlage ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Aber die wollen ja keinen Wohlstand! Die wol len uns alle arm machen!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Splett für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, sehr ge ehrte Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier über dieses Thema debattieren. Auch im letzten Jahr stan den Anträge zu diesem Themenbereich auf der Tagesordnung. Schon damals war klar, dass ein erheblicher Anpassungsbe darf bei den Luftreinhalte- und Aktionsplänen in Baden-Würt temberg besteht.

Man hat in Baden-Württemberg zwar viele Umweltzonen aus gewiesen, schmerzhafte Maßnahmen hat man aber vermie den. Entsprechend gering sind die Wirkungen. Logisch, dass man die gesetzten Ziele nicht erreicht und nun nachbessern muss.

Wir wissen sehr genau – da widerspreche ich Ihnen, Herr Bachmann –, wie gravierend die gesundheitlichen Auswirkun gen erhöhter Feinstaub- und Stickoxidbelastungen sind.

(Zuruf des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

In der Antwort der Landesregierung auf Ihre Große Anfrage klingt das alles ja noch sehr vage. Aber Sie könnten sich viel leicht auch einmal die neuere Literatur ansehen. Dann wür den Sie erkennen, was Feinstaub in der Außenluft alles an richten kann.

Lungengängige Feinstaubpartikel gelten schon lange als be sonders gesundheitsgefährdende Bestandteile des Schadstoff gemischs in unserer Atemluft. Man geht davon aus, dass die Feinstaubbelastung der Luft die durchschnittliche Lebenser wartung in Deutschland um zehn Monate reduziert. Studien belegen die gesundheitlichen Auswirkungen insbesondere auf Kinder und alte Menschen. Eindeutig nachgewiesen sind Zu sammenhänge mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, dem Ge burtsgewicht von Neugeborenen, dem Auftreten von Mittel ohrentzündungen bei Kindern usw.

Klar ist im Übrigen auch, dass in den besonders belasteten In nenstadtbereichen der Straßenverkehr der Hauptverursacher ist. Also müssen wir etwas gegen die Luftbelastung tun. Es führt kein Weg daran vorbei, den Verkehr in den Blick zu neh men.

Die vorhandenen Umweltzonen kranken an vielem. Wir kri tisieren schon seit vielen Jahren ihre Abgrenzung. Sie sehen

wie ein durchlöcherter Schweizer Käse aus. Die Zahl der Aus nahmen ist schon jetzt zu hoch. So herum wird daraus ein Schuh und nicht anders herum.

Zu dem Thema „Mangelnde Kontrollen“ habe ich gestern von der Stadt Karlsruhe ein Schreiben erhalten, in dem diese sich mit der Möglichkeit, den gemeindlichen Vollzugsdienst die Einhaltung der Umweltzonen kontrollieren zu lassen, ausein andersetzt. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus Stutt gart, wo wohl nur acht bis zehn Verstöße pro Monat tatsäch lich geahndet werden können, kommt man in Karlsruhe zu dem Schluss, dass der Kontrollaufwand in keinem Verhältnis zum realisierbaren Erfolg stünde, wenn nur ein minimaler Pro zentsatz der Verstöße auch geahndet werden könnte. Ich fin de, das ist eine Bankrotterklärung für die geschaffene Rege lung und ihre Durchsetzbarkeit.

Wer einen Flickenteppich anlegt, anstatt Ballungsräume als Ganzes zu betrachten, wer Hauptverkehrsstraßen ausnimmt, wer zahlreiche Ausnahmen zulässt, wer auf Kontrollen ver zichtet, muss sich über mangelnde Wirksamkeit nicht wun dern.

In Stuttgart und auch in Markgröningen waren Gerichtsurtei le bzw. außergerichtliche Vergleiche erforderlich, damit die Landesbehörden nötige Nachbesserungen am Luftreinhalte- und Aktionsplan vorgenommen haben bzw. entsprechende Maßnahmen endlich einleiten.

In den anderen Umweltzonen bedurfte es des Drucks aus Brüssel, um die Landesregierung zum Tätigwerden zu zwin gen. Was die Landesregierung lieber unter den Teppich kehrt, ist die Tatsache, dass die EU die beantragten Fristverlänge rungen in Heilbronn, Ilsfeld, Leonberg, Ludwigsburg, Reut lingen und Tübingen nur unter der Bedingung akzeptiert, dass die Pläne um kurzfristig wirkungsvolle Maßnahmen ergänzt werden.

Gegen die Fristverlängerung für Stuttgart hat die EU-Kom mission Einwände erhoben, weil es nicht gelungen ist, darzu legen, dass die Grenzwerte, die eigentlich schon im Jahr 2005 einzuhalten gewesen wären, für die das Land die Fristverlän gerung beantragt hat, 2011 endlich eingehalten werden. Die EU macht damit deutlich, dass sie eine Grenzwertüberschrei tung im Jahr 2011 nicht akzeptiert. Damit hat sie die Position der Grünen gestärkt, denn wir Grünen fordern schon seit Jah ren wirkungsvollere Maßnahmen für die Luftreinhaltung in Stuttgart.

Und übrigens: Falls Stuttgart 21 realisiert wird, wird auch das zu erhöhten Feinstaubbelastungen führen. Dies geschieht in einer Situation, in der, wie gesagt, die EU einer Fristverlän gerung nicht zugestimmt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Die Landesregierung hofft nun, dass der nachgebesserte Stutt garter Plan von der EU-Kommission akzeptiert wird. Wenn nicht, wäre wohl die nächste Stufe ein Vertragsverletzungs verfahren.

Die nächste größere Baustelle steht schon vor der Tür. Das ist das Thema Stickoxide. Seit dem 1. Januar gelten EU-weit Grenzwerte für Stickstoffdioxid. Stickstoffdioxid reizt die Schleimhäute und schädigt die Atmungsorgane. Zudem lie

gen Anhaltspunkte für eine krebserzeugende Wirkung vor. Stickstoffdioxid bildet außerdem saure Niederschläge und trägt damit zur Bodenversauerung bei. Es ist auch bei der Bil dung von Ozon beteiligt.

Die Landesregierung weiß schon seit Jahren, dass die Grenz werte in Baden-Württemberg an etlichen Stellen überschrit ten werden. Die Zahl der betroffenen Anwohnerinnen und An wohner überschreitet locker 10 000. Ich denke, dass die an gegebene Zahl von 14 500 betroffenen Menschen zu tief ge griffen ist. Bekanntlich steht eben nicht an jeder Stelle eine Messstation. Die Landesregierung ist noch nicht einmal be reit, allen Kommunen, die eine Messstation wünschen, diese zur Verfügung zu stellen.

Auch im Bereich Stickstoffdioxid ist der Verkehr der Haupt verursacher. Insbesondere bei den aktuellen Diesel-Pkws tre ten sehr hohe NO2-Emissionsanteile im Abgas auf.

Eine schnelle und deutliche Verbesserung der Luftqualität wä re wohl nur mit einer deutlichen Verringerung des Verkehrs aufkommens möglich. Das hat nichts mit einer Verteufelung des Autos zu tun, sondern ist eine sachliche Feststellung. Aber die Landesregierung will nicht so recht herangehen. Stattdes sen setzt sie auf verbesserte Abgasnormen. Diese werden al lerdings erst später greifen.

Bei der NO2-Tagung Anfang März in Heidelberg ist deutlich geworden, dass die EU Fristverlängerungen bis 2015 nur dann zulässt, wenn überzeugend dargestellt wird, dass die ergriffe nen Maßnahmen dazu führen, dass die Grenzwerte 2015 ein gehalten werden. Genau das ist das Problem. Ohne gezielte und wirksame Maßnahmen wird es länger dauern, bis sich die Luftqualität entsprechend verbessert. EU-Generaldirektor Karl Falkenberg hat bei der Tagung deutlich gemacht, dass es Auf gabe der Mitgliedsstaaten ist, die Luftqualität im Sinne der Gesundheitsvorsorge zu verbessern, und dass die späte Ein führung der Euro-6-Norm keine Ausrede ist. Er hat darauf hin gewiesen, dass Subsidiarität auch heißt, dass die Mitglieds staaten strengere Regelungen einführen können. Übrigens ist weder die Verkehrsmenge bei uns in den Städten noch der An teil der Diesel-Pkws gottgegeben oder von der EU vorge schrieben oder verordnet.

Wir in Baden-Württemberg schreiben Subsidiarität groß. Dann müssen wir uns auch der Verantwortung stellen. Wichtig ist, dass Themen wie Verkehrsvermeidung, Änderung des ModalSplit und Lösungsmöglichkeiten wie eine City-Maut wieder stärker diskutiert werden. Kollege Bachmann, Sie haben auf London verwiesen und gesagt, davon könnte man lernen.

(Zuruf des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Vielleicht schauen Sie auch einmal, wie London aktuell die Luftprobleme und die Verkehrsprobleme in den Griff be kommt.

(Zuruf von der CDU)

Wir brauchen großflächiger abgegrenzte Umweltzonen mit weniger Ausnahmen und besserem Vollzug, die tatsächlich ei ne Wirkung entfalten. Wir brauchen eine besser integrierte Umweltpolitik, die die Lebensqualität in unseren Städten ver bessert, die Lärmschutz, Luftreinhaltung und nachhaltige Mo bilität zusammen denkt.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen, Frau Ministerin, die Sie jetzt auch für Verkehr zuständig sind, den Mut zu den Maß nahmen, die wir brauchen, um die Belastung der Umwelt und der Menschen tatsächlich auf ein verträgliches Maß zu redu zieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Wem darf ich für die Fraktion der SPD das Wort erteilen? – Frau Abg. Grün stein, bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Zum Schluss eines langen Plenartags sind wir jetzt in der Abteilung Antiquariate gelandet.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Rainer Stickelberger SPD: So alt bist du doch noch gar nicht!)

Denn die Große Anfrage der FDP/DVP ist nun wirklich so alt, dass man sie dazu zählen kann, und erhellt auch nicht wirk lich die wissbegierigen Leser. Allerdings unterstützen wir na türlich das Begehren nach mehr Messstellen.

Dass Stickdioxide ein weitaus größeres Sorgenkind sind als der Feinstaub, der zwar langsam, aber immerhin reduziert werden konnte, wissen wir alle. Aber was wird konkret dage gen unternommen?

Nun könnte man sich zurücklehnen und sagen: Weil die EU die Richtlinien zur Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoff dioxid bis 2015 verlängert hat, müssen auch wir keine weite ren Anstrengungen mehr unternehmen, um unser Ziel früher zu erreichen. Das aber hält die SPD-Fraktion für falsch. Es handelt sich doch hier nicht um ein neu aufgetauchtes Prob lem. Wir wissen seit langer Zeit um die Gefährlichkeit dieser Stoffe. Die Kollegin Dr. Splett hat das gerade noch einmal ausführlich erklärt.

Das Gesamtthema „Luftreinhaltung und Umweltzonen“ zeigt leider sehr deutlich, dass wir unsere Landesregierung und die Regierungspräsidien manchmal eben doch zum Jagen tragen müssen. Wie sonst ließe sich erklären, dass manche Handlun gen erst nach Klagen und Gerichtsurteilen vollzogen wurden? So wird heute in den Stuttgarter Zeitungen über die gerade an laufenden Kontrollen der Lkw-Durchfahrtsverbote berichtet. Diese Verbote gab es ja schon einmal. Dann wurden sie vor zwei Jahren vom RP wieder abgeschafft, weil man der Mei nung war, das Problem ließe sich durch den Luftreinhalteplan allein lösen. Aber man hat dann doch relativ bald gemerkt, dass dieser Plan untauglich ist, um die Feinstaubwerte in der Innenstadt zu senken. Doch erst auf Druck des Verwaltungs gerichts hat die Behörde dann nachgebessert und das Durch fahrtsverbot wieder eingeführt, und zwar weitaus großflächi ger als die Umweltzonen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Dafür fahre ich durch umliegende Gemeinden!)

Auch Geschwindigkeitsbeschränkungen werden erst jetzt um gesetzt, nachdem man gemerkt hat – – Mein lieber Herr Kol lege, auf diesen Zwischenruf habe ich gewartet. Da fällt mir unser großer Dichter Heinrich Heine ein, der gesagt hat: Ein

Kluger bemerkt alles, und ein Dummer macht zu allem eine Bemerkung.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich habe es aber be merkt, Frau Kollegin!)

Geschwindigkeitsbeschränkungen werden auch erst jetzt um gesetzt, nachdem man gemerkt hat, dass, wie die Ergebnisse aus den Jahren 2008 und 2009 gezeigt haben, ohne diese Be schränkungen eben nicht die erwünschte Wirkung erzielt wer den konnte.