Wenn man aber sein Hirn mit sozialistischen Phrasen benebelt, dann kommt man natürlich im Diskurs nicht wirklich weiter.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Welche Rolle spielt zukünftig die Realschule nach Einführung der Basisschule? Könnten Sie das einmal erklären?)
(Widerspruch bei der CDU – Abg. Peter Hauk CDU: Sie haben Angst vor der Vielfalt! Das ist der entschei- dende Punkt! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)
Hören Sie jetzt einfach einmal zu! – Es müssten doch gerade bei Ihnen die Alarmsirenen heruntergehen,
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Was ist da- ran problematisch? – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Unruhe)
Dass muss doch ein Alarmsignal sein. Warum? Es zeigt deutlich, dass wachsende Teile des Bildungsbürgertums nicht mehr
zufrieden mit dem öffentlichen Schulwesen sind und das Gefühl haben, sie kommen da nicht weiter und werden blockiert. Ich erinnere an den Rücktritt der Elternbeiratsvorsitzenden, die immerhin Ihrer Partei angehört hat,
und die harten Worte, die sie Ihnen gegenüber gebraucht hat. Viele Menschen haben das Gefühl: Hier kommst du nicht weiter im staatlichen Schulsystem, und deswegen muss man die Sache selbst in die Hand nehmen. Das muss doch ein Alarmsignal für Sie sein, dass da irgendetwas nicht stimmt.
Wir alle wissen doch: Für das soziale Gesicht der Zukunft wird nichts so entscheidend sein wie Chancengerechtigkeit für unsere jungen Menschen. Das wird das soziale Gesicht der Gesellschaft entscheidend bestimmen.
Wenn sich jetzt Leute – mit Privatschulen sind ja immer Gebühren verbunden – daraus entfernen und es dadurch zu einer Spaltung kommt, ist das höchst gefährlich.
Denn ich habe am Schluss meiner Rede gesagt: Die entscheidende Frage für uns ist: Was hält eigentlich die moderne Gesellschaft zusammen?
Wir können in Deutschland wirklich stolz darauf sein, dass wir das bisher im Großen und Ganzen geschafft haben und Schulen in freier Trägerschaft sozusagen Impulsgeber für eine neue, gute Pädagogik sind, aber nicht darauf, dass sich eine Spaltung in der Gesellschaft anbahnt. Vielleicht könnten Sie ja auf diesem Ohr einmal hören. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, es kann nicht sein, dass man, wenn man in diesem Land etwas anderes will als die Regierungskoalition, selbst eine Schule gründen muss.
Ich sage Ihnen: Unser Konzept „Mehr Autonomie für die Schulen“ bedeutet, dass heute eben auch Schulgemeinschaften, Lehrerkollegien und vor allem die Kommunen selbst solche Wege gehen können. Lassen Sie das wenigstens dort zu, wo es von Ihren eigenen Bürgermeistern gefordert wird.
Zum Schluss noch ein Wort zu dieser Sozialdiskussion. Erst einmal: Die Polemiken, die in dieser Frage hier abgelassen worden sind
von Vertretern der FDP im Bund und im Land; ich habe an die Polemik Ihres Stellvertreters erinnert, der von „panem et
circenses“ gesprochen hat, der den Staat irgendwie zu einem Unternehmen machen will –, solche Debatten vergiften die Atmosphäre.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Und wer so- zialistisch daherredet, vergiftet die Atmosphäre nicht?)
Ich habe es am Schluss meiner Rede gesagt: Wir brauchen Debatten, die die Gesellschaft zusammenhalten und nicht weiter spalten und mit einer puren Sozialneiddebatte, die Sie da losgetreten haben, die einen gegen die anderen aufbringen.
Sie haben versucht, den Sozialneid derer, die Arbeit haben, gegen die, die keine haben, zu schüren. Das ist eindeutig der Fall gewesen. Jeder weiß spätestens nach dem Bericht, den der Paritätische Wohlfahrtsverband in dieser Frage mit Hunderten von Beispieluntersuchungen vorgelegt hat, dass die, die arbeiten, selbst wenn sie niedrige Löhne bekommen, mehr verdienen als die, die nicht arbeiten.
Wenn Sie wirklich etwas dafür tun wollen, dass das Lohnabstandsgebot verbessert wird, dann haben wir da einen sehr guten Vorschlag. Der Vorschlag heißt, dass wir auch bei den sozialversicherungspflichtigen Beiträgen eine Progression einführen und dass nicht der, der mit einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit beginnt, auch wenn sie niedrig bezahlt ist, sofort die vollen Beiträge an die Sozialversicherung zahlen muss.
Das ist unser Progressionsmodell. Die Sozialversicherungsbeiträge, die ja hoch sind, zahlt jeder, auch wenn sein Einkommen gering ist, voll. Dagegen zahlt man bei solchen niedrigen Einkommen keine Einkommensteuer. Daher ist es die richtige Antwort auf eine Verbesserung des Lohnabstandsgebots, wenn wir an dieser Stelle etwas ändern.
Es gibt auch andere Vorschläge. Aber es ist die richtige Art und Weise, Vorschläge zu machen, über deren Vor- und Nachteile zu diskutieren und hier nicht über spätrömische Dekadenz herumzuschwadronieren, als wäre die spätrömische Dekadenz nicht eine Dekadenz der Oberschicht gewesen, die sich vollgefressen hat, ins Vomitorium gegangen ist und gekotzt hat, damit sie noch einmal fressen konnte. Das war die Oberschicht, das waren nicht die Sklaven.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das haben Sie schön gesagt! Das ist gut! Sie sollten Geschichte un- terrichten! Das ist sehr anschaulich!)
Ich habe es schon in meiner vorherigen Rede gesagt: Bei der demografischen Entwicklung, bei dem Druck durch die Globalisierung und bei dem Druck, der durch die Krise unserer öffentlichen Finanzen entsteht, lautet die schwierigste Frage, die wir zu lösen haben: Wie erreichen wir trotzdem, unseren Sozialstaat zu erhalten und weiterzuentwickeln, und wie können wir mit einer Politik, die weiß, welcher Weg in die richtige Richtung geht, neue Arbeitsplätze schaffen?