Protocol of the Session on October 8, 2009

Wenn man in die Stellungnahmen schaut – ich nehme den Antrag der Abg. Dr. Gisela Splett u. a. GRÜNE, Drucksache 14/4779, gleich noch mit hinzu, da dort die derzeit aktuellsten Daten enthalten sind –, muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Landesregierung versucht, sich in Bezug auf die inhaltlichen Fragen, die gestellt wurden, um eine Antwort zu drücken.

Es wurde beispielsweise abgefragt, wie viele sachgrundlos befristete Beschäftigungsverhältnisse es beim Land in den einzelnen Bereichen gibt. Man erhält als Antwort darauf Prozentzahlen: 3,1 % bei den Landesbehörden, 1,8 % bei den Hochschulen, was im Durchschnitt einen Wert von 2,5 % ergibt. Dann erfolgt die Aufschlüsselung nach Ministerien. Wenn man an den Haushaltsberatungen im Finanzausschuss teilnimmt, muss man zur Kenntnis nehmen, dass in allen Minis terien die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse ohne sachliche Begründung gestiegen ist, außer im Landwirtschaftsministerium. Wenn ich mich aber richtig erinnere, haben wir während der letzten Haushaltsberatungen, weil das Landwirtschaftsministerium sich an dieser Stelle etwas unglücklich verhalten hat und die Befristungen zu lange ausgedehnt hat, viele befristete Beschäftigungsverhältnisse in unbefristete überführen müssen. Das ist der Grund dafür, dass das Landwirtschaftsministerium als einziges Ministerium sinkende Zahlen verzeichnet.

Es gab also in keiner Phase eine strukturierte, überlegte, sachbezogene Beschäftigungspolitik. Jedes Ministerium und jede Landesbehörde wurstelt nach eigenem Gutdünken vor sich hin, aber es gibt kein tragfähiges Konstrukt des Landes. Das müssen wir hier im Landtag einfach zur Kenntnis nehmen.

Es gibt Landstriche, wo die öffentliche Verwaltung mit den Schulen, den Rathäusern, den Krankenhäusern, den Landesbehörden und ihren Unternehmen der größte Arbeitgeber in der Region ist. Unsere Forderung nach sozialer Verantwortung für unsere Bevölkerung, die wir hier im Landtag stellen, hat wenig Substanz, wenn da, wo wir selbst tatsächlich in der Verantwortung stehen, eigentlich etwas ganz anderes gemacht wird.

(Beifall bei der SPD)

Auch bei der Zahl der Ausbildungsplätze und Übernahmen muss man feststellen: Die Universitätskliniken haben einen großen Personalkörper und sind, denke ich, auch recht vorbildlich in der Ausbildung. Aber wenn es dann an die Übernahme geht, dann werden doch viele junge Leute nach der Ausbildung in die Arbeitslosigkeit geschickt. Im Jahr 2006 – ich greife einfach ein Beispiel heraus – sind von 340 Auszubildenden am Universitätsklinikum Freiburg 89 übernommen worden. Da stellt sich die Frage: Was ist mit dem Rest passiert?

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: In welchen Beruf?)

Das steht in der Stellungnahme nicht drin. Die Antwort müssen Sie von der Landesregierung einholen. So dürftige Antworten wie auf diese Fragen gibt es selten hier im Haus. Da dürfen Sie nicht mich fragen, sondern müssen die Damen und Herren auf der Regierungsbank fragen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Pe- ter Wetzel FDP/DVP)

Ein letzter Punkt als Frage: Wir haben ein Landesunternehmen, das in den letzten zwei Wochen verkündet hat, dass es ein außerordentliches Maß an Beschäftigungsabbau vorzunehmen hat. Das ist die LBBW. Auch da muss man die Frage stellen: Was ist dort geplant? In welcher Form wird die Zahl der Beschäftigten abgebaut? Wie steht da das Land zu seiner sozialen Verantwortung als Arbeitgeber in einem landeseigenen Betrieb?

Ich warte auf die Antworten und werde dazu dann in einer zweiten Runde noch einmal für die SPD-Fraktion Stellung nehmen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Netzhammer für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit rund einer Viertelmillion Beschäftigten ist das Land Baden-Württemberg ein wichtiger Arbeitgeber. Darüber hinaus arbeiten in den landesbeteiligten Unternehmen – ich habe jetzt die Zahlen von 2007 – weitere 42 000 Beschäftigte und 3 200 Auszubildende.

Ich möchte jetzt aber eingangs doch ein paar allgemeine Bemerkungen machen. Wir sind der Meinung, dass das Land genauso wie die landesbeteiligten Unternehmen als Arbeitgeber auch eine gewisse Flexibilität beim Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben muss.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Jawohl!)

Deshalb ist grundsätzlich die Inanspruchnahme der Optionen, die die Gesetze des Arbeitsrechts bieten, die der Bundestag beschlossen hat und die das Land oder die landesbeteiligten Unternehmen in Anspruch nehmen, nicht nur legal, sondern legitim.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Die Aussage, wenn das Land diese Optionen in Anspruch nimmt, sei das illegitim oder unsozial, ist also nicht richtig. Oftmals sind diese Gesetze nach langer Diskussion auf den Weg gebracht worden, weil der Gesetzgeber eingesehen hat, dass der Arbeitgeber – das Land ist ein großer Arbeitgeber – für einen richtigen Einsatz von Mitarbeitern Flexibilität braucht. Deswegen ist es wichtig, dass es diese Gesetze gibt.

Außerdem stehen einige unserer landesbeteiligten Unternehmen im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, wie die Brauerei Rothaus, die Landesmesse Stuttgart und die Hohenzollerische Landesbahn.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Und die LBBW!)

Auch diese sind gegenüber ihren Mitbewerbern natürlich darauf angewiesen, Arbeitnehmer sinnvoll und sparsam einzusetzen.

Wenn sich das Land dann noch an tarifvertragliche Regelungen und an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hält

(Abg. Christine Rudolf SPD: Das ist eine Selbstver- ständlichkeit!)

ja, das ist eine Selbstverständlichkeit –, dann sind wir der Meinung, dass das Land und die landesbeteiligten Unternehmen ihren Pflichten als Arbeitgeber und ihrer sozialen Verantwortung sehr wohl nachkommen.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Gut!)

Sozial ist, was Arbeit schafft. Wenn wir weiter gehende soziale Regelungen, weiter gehende soziale Unterstützung möchten, dann müssen wir fragen, ob das nicht vielmehr Sache der Sozialpolitik und nicht originär Sache der Arbeitgeber ist.

Jetzt aber einmal zu den Fakten. Bei den landesbeteiligten Unternehmen – das habe ich jetzt errechnet – waren in einem Jahr rund 12 % der Arbeitnehmer befristet beschäftigt, aber nur 0,6 % waren Leiharbeitnehmer. Ich denke, 0,6 % ist wirklich kein erheblicher Anteil. Die befristeten Arbeitsverhältnisse fanden sich aber vorwiegend bei den Universitätskliniken, beim Forschungszentrum Karlsruhe und dem ZEW. Da werden eben oft Projekte durchgeführt, sodass es einen Grund für befristete Arbeitsverhältnisse gibt. Das erklärt sich von selbst.

Im Hochschulbereich betrifft das Thema „Geringfügig Beschäftigte“ wissenschaftliche Hilfskräfte. Ich glaube, alle Studierenden sind froh, wenn sie einen Job als wissenschaftliche Hilfskraft bekommen. Hier ist die Zahl von 2006 bis 2008 angestiegen, aber ich glaube, dass, wenn ich eine Befragung unter Studierenden machen würde, die Studierenden sagen würden, man könnte die Zahl glatt verdoppeln, weil das Einkommenschancen und natürlich auch die Möglichkeit schafft, Erfahrungen im universitären Bereich zu sammeln.

Wenn man die wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräfte außer Acht lässt, dann liegt der Anteil der geringfügig Beschäftigten im Land bei durchschnittlich 4 % aller Beschäftigten. Ich denke, das ist auch noch eine akzeptable Zahl.

Zu den Personalkosten: Sie sind wie ich Mitglied im Finanzausschuss. So, wie die Diskussionen bei mir ankommen, sind immer alle Abgeordneten bestrebt, dass das Land auch bei den Personalkosten, die sich immerhin auf 40 % des Haushaltsvolumens belaufen, sparsam ist und die Ansätze einhält. Dafür braucht auch das Land als Arbeitgeber Flexibilität.

Jetzt zur Ausbildung. Ich bin der Meinung: Wenn die landesbeteiligten Unternehmen deutlich mehr ausbilden, als sie übernehmen können, dann machen sie das, weil sie ihrer Pflicht als Ausbilder nachkommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Ja- wohl!)

Sie wissen genau, sie können nicht alle Auszubildenden übernehmen, aber trotzdem bilden sie aus, weil wir alle immer sagen: Eine Ausbildung ist für einen jungen Menschen besser als keine Ausbildung. Aber jetzt die Pflicht abzuleiten, noch mehr zu übernehmen, ist sicher nicht sachgerecht. Wir müssen vielmehr sagen: Wenn im Schnitt aller landesbeteiligten Unternehmen die Ausbildungsquote 7,5 % beträgt – das habe ich jetzt für 2008 errechnet; das ist meine eigene Berechnung –, dann ist das, glaube ich, eine sehr gute Quote. Meines Wissens erreichen die Gewerkschaften diese Quote nicht.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Zusammenfassend kann ich sagen, dass das Land sowohl unmittelbar als auch mittelbar über seine landesbeteiligten Unternehmen sehr wohl seiner sozialen Verantwortung nach kommt und dass eine Beschäftigung beim Land oder bei den landesbeteiligten Unternehmen nach wie vor vom Arbeitnehmer als eine sehr gute Beschäftigung angesehen wird und die Bedingungen summa summarum im Vergleich mit anderen Arbeitgebern überdurchschnittlich gut sind.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Dr. Splett für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein wichtiges Thema, das die SPD mit ihren beiden Anträgen hier auf die Tagesordnung gesetzt hat. Man könnte es natürlich noch viel weiter fassen, bis hin zur Frage der sozialen Verantwortung des Landes als Unternehmer bei der Vergabe von Aufträgen.

Ich möchte mich bei meiner begrenzten Redezeit aber auf das Thema „Soziale Verantwortung des Landes als Arbeitgeber“ konzentrieren. Fakt ist, dass wir in unseren Behörden und den sonstigen Landeseinrichtungen so etwas wie eine Dreiklassengesellschaft haben.

Wir haben erstens Beamtinnen und Beamte; die haben nach meiner Einschätzung eine recht gute Lobby.

Wir haben zweitens Festangestellte. Die haben einen sicheren Arbeitsplatz, aber sie gehen für die gleiche Arbeit wie ihre beamteten Kolleginnen und Kollegen in der Regel mit einem deutlich geringeren Nettoeinkommen nach Hause und haben

geringere Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten als die beamteten Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Bei den Festangestellten kann man noch unterscheiden zwischen denjenigen, die noch zu BAT-Zeiten eingestellt wurden, die noch gewisse Übergangsregelungen genießen, und denjenigen, die direkt nach TV-L eingestuft wurden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Tarifpartner!)

Drittens haben wir befristet Angestellte, die nach diesen TV-L-Einstiegsgehältern entlohnt werden und die keinen sicheren Arbeitsplatz haben.

Am schlimmsten dran sind nach meiner Ansicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Rahmen sachgrundloser Befristungen Daueraufgaben wahrnehmen, bei denen sich die Zeitvertragsnehmerinnen und -nehmer alle zwei Jahre die Klinke in die Hand geben. Sie wissen, dass sie nach Einarbeitung und engagiertem Arbeitseinsatz nach zwei Jahren keine Chance auf Weiterbeschäftigung haben und eine entsprechende Stelle in unserem Bundesland auch im Anschluss nicht mehr antreten können.

Das Thema „Zeitverträge und sachgrundlose Befristung“ hat meine Fraktion schon im Jahr 2006 aufgegriffen, und im Juli dieses Jahres haben wir noch einmal nachgefragt; das wurde schon gesagt. Ich halte die Zahlen, die uns die Landesregierung jetzt mitgeteilt hat, für erschreckend. Mehr als 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Landesbehörden und -einrichtungen inklusive der Universitäten befinden sich inzwischen in sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wie viel Promil- le sind das denn?)