Meine sehr verehrten Damen und Herren, somit muss eine Lösung gefunden werden zwischen der möglichst einfachen Erreichbarkeit der Einrichtungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der Schaffung funktionsfähiger und zuverlässiger Einrichtungen für die Behandlung der zu erwartenden 200 bis 300 Patienten. Die Arbeitsgruppe Substitution hat Raumschaften für die Behandlung vorgeschlagen. Ich glaube, die
Wir fordern kompetente Behandlungsstellen, welche in zumut barer Entfernung erreicht werden können. Eine flächendeckende Behandlung für 300 Patienten im Land kann nicht möglich sein. Deshalb brauchen wir eine praktikable Lösung, die zum einem die optimale Versorgung der Abhängigen in den Vordergrund stellt und zum anderen kurzfristig hilft und bezahlbar ist.
Die CDU-Fraktion setzt auch in Zukunft in der Suchtbekämpfung auf Prävention, Repression, Suchthilfe sowie Überlebenshilfe. Unser Ziel ist nicht die Dauersubstitution, sondern eine Abstinenz vom Drogenkonsum.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich jetzt die Vorrednerinnen und den Vorredner gehört habe, die sich allesamt auf das Papier der AG Substitution bezogen haben – offensichtlich liegt es Ihnen allen Gott sei Dank vor –,
kann ich nur sagen: Fast „Ende gut, alles gut“. Das stärkt mein Vertrauen, dass in der Politik Lösungen, die alle Sachverständigen für sinnvoll und zielführend halten, dann doch umgesetzt werden können, auch wenn große politische, teilweise nicht ganz nachvollziehbare Bedenken entgegenstehen. Die Substitution Schwerstabhängiger ist ein Beispiel dafür. Bis zur Einführung hat es lange gedauert. Ich darf an Horst Glück erinnern, der sich schon 1996 für diese Therapie stark gemacht hat. Wir haben immer wieder betont – das spreche ich niemandem ab –, dass wir alle dasselbe Ziel haben, dass wir aber zunächst einmal den betroffenen Menschen sehen müssen. Es handelt sich zwar um wenige – 200 bis 300 wird geschätzt –, aber um schwerstabhängige, schwerstkranke Menschen. Da war das Ziel, geeignete Therapien zu finden, um an diese Menschen überhaupt heranzukommen.
Das ursprüngliche Denken lautete, die Behandlung dürfe nur stationär stattfinden. Das wurde bis vor Kurzem von CDUSeite immer wieder einmal angedeutet. Dieses Vorgehen wäre jedoch gerade kontraproduktiv, weil diese Menschen damit überhaupt nicht erreicht werden können.
Die brauchen einen – „niedrigschwellig“ klingt ein bisschen verharmlosend – wohnortnahen Einstieg, damit sie integriert sind. Im Übrigen – darauf ist von Frau Kollegin Haußmann schon hingewiesen worden – arbeitet die stationäre Behandlung in der Regel eben nicht mit Substitution, sondern wirklich entzugsorientiert. Auch da, Kollege Teufel, kein Widerspruch. Wir wollen doch gerade durch diese Therapie errei
chen, dass diese Menschen überhaupt therapiefähig werden. Letztendlich stellt sich die Frage: Können wir diese Menschen zum vollständigen Entzug führen?
Deswegen glaube ich: Wir sind mit diesem von der AG Substitution vorgelegten Konzept am Ziel. Dieses Gremium ist mit Fachleuten – Ärzten, Vertretern der Ligaverbände, selbstverständlich auch Vertretern des Sozialministeriums – besetzt. Ich bin sehr dankbar, dass diese Fachleute jetzt ein Konzept vorlegen konnten, das da lautet: nicht stationär, sondern ambulant. Das heißt übrigens nicht – da bin ich manchmal missverstanden worden –, jeder Suchtmediziner im Land könne in jeder Stadt diese Therapie anbieten. Das geht schon deswegen nicht, weil natürlich, wie in den Modellversuchen klar geworden ist, bestimmte Voraussetzungen an psychosozialer Betreuung und übrigens auch an Sicherheitselementen notwendig sind.
Deswegen war klar, dass das zwar nicht in eine ganz breite Behandlungsform münden wird, dass aber diese Therapie zunächst einmal grundsätzlich ambulant stattzufinden hat. Ich habe auch nichts dagegen – wir haben uns da geeinigt –, dass in diesem Netzwerk – die Raumschaften sind ja angedeutet – immer die Andockung an ein stationäres Kompetenzzentrum erfolgen muss. Das ist schon aus praktischen Gründen notwendig, wenn Kriseninterventionen erforderlich werden – was bei dieser Klientel natürlich tatsächlich passieren kann. Natürlich ist dann die stationäre Einrichtung für diese Krisenintervention besser geeignet.
Deshalb glaube ich, dass das, was die AG Substitution jetzt vorgelegt hat, auch was die Raumschaften für die Standortverteilung angeht, genau das bringt, was wir immer gefordert haben: dass wir in unserem Land auch für diese Schwerstabhängigen – übrigens nicht nur in deren persönlichem Interesse, sondern auch im Interesse des sozialen Umfelds – eine Lösung finden, die letztendlich dem entspricht, was Fachleute uns schon lange geraten haben.
Es wurde ja immer das Kostenargument dagegengehalten. Hierzu kann nur noch einmal darauf hingewiesen werden: Die AOK Baden-Württemberg als Kostenträger hat sich sehr dafür stark gemacht, dass die diamorphingestützte Substitutionstherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Das sind doch auch keine Dummköpfe. Sie wissen, dass die Mehrkos ten, die entstehen, wenn man an die Leute überhaupt nicht herankommt, viel, viel höher werden, nicht zuletzt auch aufgrund der Gefahr – das ist heute noch nicht angedeutet worden – der Begleitkriminalität, der Beschaffungskriminalität,
der Prostitution mit folgender HIV- oder Hepatitis-Infektion, also allem, was daranhängt. Es geht auch um die Angehörigen, die davon betroffen sind. Da selbst die Kostenträger inzwischen klipp und klar sagen, dass sie, ebenso wie die Rentenversicherung und die Kommunen, hinter diesem Konzept stehen, glaube ich, dass das der richtige Weg sein wird.
Zur Heroinambulanz Karlsruhe kann ich nur sagen: Es wäre wirklich ein Witz, wenn jetzt ausgerechnet diejenigen, die eine schwierige Phase, eine Durstphase überstehen mussten, weil das Land Baden-Württemberg im Gegensatz zu anderen
Ländern nicht mitfinanziert hat, von diesem Konzept ausgeschlossen würden. Ich glaube, das würde kein Mensch verstehen. Deswegen gehe ich davon aus, dass die Einrichtung in Karlsruhe als Träger, der das vorbildlich und modellhaft vorgeführt hat, selbstverständlich beteiligt wird.
Eine letzte Bemerkung: Die Zentren für Psychiatrie haben große Kompetenz. Mit einem Satz habe ich aber doch ein kleines Problem. Da steht, dass sie z. B. Satelliten bilden sollten. Es ist schon ein Fortschritt, dass klar ist, dass es nicht am Zentrum für Psychiatrie gemacht wird, sondern dass sie an der Einrichtung beteiligt sind.
Ich meine: Wenn z. B. in Mannheim mit dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit schon ein Kompetenzzentrum vorhanden ist, muss nicht unbedingt noch in Wiesloch oder sonst wo ein Satellit gebildet werden. Das kann auch kein Ausschließlichkeitskriterium sein.
Ich bin sehr, sehr dankbar, dass wir das Ding nach allen anfänglichen und lang dauernden politischen Diskussionen jetzt endlich in die Hände von Fachleuten legen, die alle zusammen, auch die Ärzteschaft, ihre Aufgaben noch zu erledigen haben. Ich glaube, dass wir dann zügig und mit Begleitung durch den Sozialausschuss in diesem Land zu einer Versorgungsstruktur für Schwerstabhängige, vom Elend bedrohte, kranke Menschen kommen, die für unsere Gesellschaft eine Gefahr wären, wenn wir davor die Augen verschließen würden. Deshalb wollen wir die Vorschläge der AG Substitution gern als Grundlage für die weiteren Beratungen und die Richtliniengestaltung aufnehmen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beraten heute nicht zum ersten Mal über das Thema Diamorphinsubstitution. Es war immer klar, dass es ein kleiner Baustein einer Drogenpolitik ist, dass es nur wenige Menschen betrifft, dass wir aber mit dem Möglichmachen einer Diamorphinsubstitution schwerkranken Menschen Überlebenshilfe und die Chance geben können, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern.
Die Bundespolitik hat jetzt die Substitution möglich gemacht. Durch das bereits erwähnte Bundesgesetz, das am 21. Juli 2009 in Kraft getreten ist, ist ein Rechtsanspruch geschaffen worden, den wir jetzt in Baden-Württemberg mit der gebotenen Sorgfalt umsetzen müssen. Was heißt „mit der gebotenen Sorgfalt“? Zum einen muss jeder Missbrauch von Diamorphin sicher ausgeschlossen werden – dazu hat das Gesetz schon Vorgaben gemacht –, zum anderen muss den Schwerstabhän
gigen, bei denen eine Therapie mit Diamorphin indiziert ist, diese Behandlungsmethode auch zugänglich gemacht werden; sonst ist zu erwarten, dass die diamorphingestützte Substitution gerichtlich erstritten wird. Einzelfallbezogene Gerichtsentscheidungen könnten aber eine geordnete Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben, die ja dringend geboten ist, möglicherweise erheblich erschweren.
Vor der endgültigen Festlegung auf Landesebene müssen auf Bundesebene zunächst noch einige wichtige Voraussetzungen geschaffen werden. Zum einen müssen die fachlichen Richtlinien der Bundesärztekammer angepasst werden, um den Besonderheiten der ärztlichen Anwendung von Diamorphin Rechnung zu tragen.
Dann muss noch der Gemeinsame Bundesausschuss darüber entscheiden, ob und, wenn ja, in welcher Weise die diamorphingestützte Substitution in die Kostenverantwortung der gesetzlichen Krankenversicherung überführt wird. Dazu hat er allerdings schon eine richtungweisende Vorentscheidung getroffen, indem er die diamorphingestützte Substitution nicht als eine neue Methode, sondern als eine Ergänzung der bisherigen Substitutionsbehandlung um ein zusätzliches Arzneimittel eingestuft hat. Deshalb ist davon auszugehen, dass auch die diamorphingestützte Substitution ein Teil des Sicherstellungsauftrags der Kassenärztlichen Vereinigung werden wird.
Zum Dritten muss auf Bundesebene der Bewertungsausschuss den Rahmen der Vergütung der vertragsärztlichen diamorphingestützten Substitution abstecken. Dies muss dann auch von der Kassenärztlichen Vereinigung noch weiter konkretisiert werden. Dabei geht es darum, ein ausgewogenes Verhältnis zur Vergütung der anderen Substitutionsbehandlungen mit den bisherigen Substitutionsmitteln zu finden. Denn wird die diamorphingestützte Substitution auf der einen Seite zu schlecht bezahlt, werden wir keine Ärzte finden, die diese Substitution durchführen. Wenn wir sie zu gut bezahlen – ich habe allerdings keine Sorgen, dass hier zu gut bezahlt wird – –
Meine Sorgen halten sich da auch in Grenzen. Eine zu gute Bezahlung birgt die Gefahr in sich, dass der Wechsel von Dia morphin auf andere Substitutionsmittel erschwert wird. Es geht also darum, dies noch auszutarieren.
Welche Aufgaben haben wir auf Landesebene? Es ist schon angesprochen worden, dass wir aufgrund internationaler Erfahrungen von ca. 200 bis 300 Schwerstabhängigen ausgehen können, für die diese Behandlung indiziert ist. Ein flächendeckendes Angebot im Sinn einer wohnortnahen Versorgung wäre sicher nicht sachgerecht, weil dadurch keine funktionsfähigen Einheiten zustande kämen.
Wir wollen die diamorphingestützte Substitution auf hoch kompetente Zentren in Ballungsräumen beschränken. Wir haben auch das Innenministerium schon einbezogen, was die notwendigen Sicherheitskonzepte betrifft. Die ambulante dia morphingestützte Substitution ist zwar keine originäre Aufgabe der Zentren für Psychiatrie; dennoch kommen die Zentren für Psychiatrie wegen ihrer Fachkompetenz und ihrer großen Nähe zum Land durchaus für eine Mitträgerschaft infrage. Weil sie aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln meist nur
umständlich zu erreichen sind, bietet sich eine Mitträgerschaft der Zentren in den Ballungsräumen in Kooperation mit geeigneten Einrichtungen an.
Wir haben im Ministerium für Arbeit und Soziales die schon oft erwähnte AG Substitution, in der alle Experten tätig sind, die mit dem Thema Substitution zu tun haben. Sie haben Empfehlungen verabschiedet. Diese Empfehlungen haben große Zustimmung erfahren. Sie besagen beispielsweise, dass eine diamorphingestützte Substitution nur in Einrichtungen erfolgen soll, in denen auch mit den bisherigen Substitutionsmitteln behandelt wird. Das ist sinnvoll, weil so der Wechsel von Diamorphin auf andere Substitutionsmittel im Rahmen einer abstinenzorientierten Gesamtbehandlung – das ist auch das Ziel – erleichtert wird.
An geeigneten Standorten – auch hierzu hat die AG Substitution Empfehlungen abgegeben – können die Planungen jetzt aufgenommen werden. In enger Abstimmung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung, den Kommunen, den Trägern der psychosozialen Beratungsstellen und den vorhin erwähnten Strukturen wie den Schwerpunktpraxen müssen jeweils passgenaue Lösungen entwickelt werden.
Die erforderliche Erlaubnis für den Betrieb der jeweiligen Einrichtungen wird durch die Regierungspräsidien erteilt, die schon jetzt für die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs verantwortlich sind. Ein wichtiger Bestandteil der Voraussetzungen für diese Erlaubnis, die von den Regierungspräsidien erteilt werden muss, ist – das ist schon erwähnt worden – die Einbindung in das örtliche Suchthilfesystem. Wir haben in Baden-Württemberg den großen Vorteil, dass mittlerweile in allen 44 Stadt- und Landkreisen kommunale Suchthilfenetzwerke eingerichtet sind. Damit ist sichergestellt, dass alle Beteiligten, auch bei der „Substitution“ von Opiatabhängigen, verbindlich kooperieren.
Diese stabile Grundstruktur – ich darf das so sagen –, um die uns andere Bundesländer in der Tat beneiden, ist uns jetzt bei der Umsetzung der diamorphingestützten Substitution eine große Hilfe, sodass wir in der Umsetzung des Bundesgesetzes in der Tat schon sehr weit sind und auch darauf vertrauen können, dass wir die Richtlinien zügig verabschieden können.
Ich bin zuversichtlich, dass es uns bald gelingen wird, zu einer guten Lösung zu finden, um den berechtigten Interessen Schwerkranker gerecht zu werden und die vielleicht noch vorhandenen Vorbehalte zu überwinden.
Das Wort erhält Frau Abg. Lösch. Sie haben noch eine Minute und 51 Sekunden Redezeit, Frau Abgeordnete.