(Abg. Karl Zimmermann CDU: Er läuft so, als ob er die Fußfessel schon hätte! Das ist noch die eiserne mit der Kugel! – Heiterkeit bei der CDU)
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, wir von der Fraktion GRÜNE nehmen den Gesetzentwurf erst einmal zur Kenntnis.
(Zuruf von der CDU: Was heißt das? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wie kann man das nicht ma- chen? – Heiterkeit)
Wir nehmen den Gesetzentwurf zur Kenntnis, ob wohlwollend, das werden wir nach den Ausschussberatungen sehen. Denn das, was ich Ihnen jetzt vorzutragen habe, sind Frage
stellungen, die für uns offen sind. Zum Teil hat sie Kollege Sakellariou schon angesprochen, zum Teil sind das ergänzende Fragestellungen, bei denen ich der Auffassung bin, dass die Fragen geklärt sein müssen. Bevor sie nicht geklärt sind, können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen und stehen ihm auch nicht wohlwollend gegenüber.
Sie haben im Vorblatt des Gesetzentwurfs die Kosten für den Pilotversuch über vier Jahre vorsichtig auf 85 000 € geschätzt. Dazu schreiben Sie aber in § 14 fest – das ist für uns sozusagen die Quintessenz –: Solche neuen Methoden der Freiheitsentziehung bzw. Freiheitsbeschränkung bedürfen unumgänglich einer wissenschaftlichen Begleitung, weil natürlich auch diese Fußfessel psychosoziale Wirkungen auf die Betroffenen ausübt, bei denen wir genau wissen müssen, was das für die Menschen bedeutet.
Wenn ich mir Ihren Gesetzentwurf anschaue, finde ich zu diesem Punkt eigentlich gar nichts. Ich finde nur eine Kostenschätzung über 85 000 € ohne wissenschaftliche Begleitung. Ist die wissenschaftliche Begleitung etwa umsonst, oder führen Sie gar keine durch? Das sind die Fragen, die wir dann im Ausschuss klären müssen.
Ein weiterer Punkt: § 6 Ihres Gesetzentwurfs heißt: Vollzugsprogramm. Darin wird eine für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle genannt. Das ist wahrscheinlich der Punkt, von dem Herr Kollege Sakellariou meint, dass er das Einfallstor für die Privatisierung bzw. für private dritte Träger sein wird. Ich formuliere das einmal vorsichtig. Es könnte ja sein, meine Damen und Herren, dass NEUSTART hier schon in den Startlöchern steht.
Das wird wahrscheinlich ausgeschrieben, und wenn sich niemand bewirbt, dann hat NEUSTART ein neues Projekt. Da wäre einfach die Frage: Haben Sie denn wirklich vor, diese Aufsicht dann an Dritte, aus unserer Sicht Private zu übertragen?
Auch diese Frage müssen wir eindeutig klären; denn auch da hat der Kollege völlig recht: Es sind verfassungsrechtlich verbürgte Freiheitsrechte, in die wir eingreifen. Da sind auch wir als Grüne der Meinung: Vom Grundsatz her können wir das nicht privatisieren und keinem Privaten überlassen.
Bei einem weiteren Punkt geht es um die Frage, für welche Gruppen diese Fußfessel denn anwendbar sein soll. Wenn mir ein Generalstaatsanwalt, der, wenn ich richtig nachgesehen habe, kein grünes Parteibuch hat –
bei dem es aber auch völlig egal ist, welches Parteibuch er hat –, aus seiner Erfahrung sagt: „Leute, da gibt es ein Problem; da gibt es eine Konkurrenzsituation zu dem Projekt ‚Schwitzen statt Sitzen‘“, dann nehme ich das erst einmal ernst. Herr Minister, was Sie bisher hier als Begründung dafür angeführt haben, warum man das nicht ernst nehmen muss und warum es da keine Konkurrenzsituation geben wird, mag vielleicht für die Pilotphase gelten. Aber wir machen ja eine Pilotphase, um das auszuprobieren, und zwar gegebenenfalls sogar ohne wissenschaftliche Begleitung; zu der haben Sie nichts gesagt. In dem Moment, in dem Sie die elektronische Fußfessel zum generellen Instrument machen wollen, entsteht aber eine Konkurrenzsituation. Ich glaube, das steht außer Frage. Da sollte man auch so offen und ehrlich sein und das sagen. Das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ wird hier einheitlich vom gesamten Parlament mitgetragen. Das sollten wir nicht durch andere Maßnahmen, die wir hier im Parlament beschließen, in Gefahr bringen.
Bei einem weiteren und letzten Punkt geht es um das Thema: „Überwachte Arbeit und Freigang“. Auch dazu hat Herr Kollege Sakellariou schon Richtiges gesagt. Wir haben ein bewährtes System der Bewährungshilfe.
Ob das jetzt privatisiert ist oder nicht, lasse ich einmal außen vor. Aber Tatsache ist, dass Menschen, denke ich, den Übergang aus der Gefangenschaft, aus dem Freiheitsentzug in die Freiheit viel besser begleiten können als Fußfesseln.
Auch deshalb wäre für uns an dieser Stelle die Frage, was denn da für Sie die Personengruppen sein sollen und wo wir nicht andere Maßnahmen konterkarieren. Diese Fragestellungen wollen wir ernsthaft und offen – ich sage ganz bewusst: auch ergebnisoffen – im Ausschuss mit Ihnen diskutieren und dann als Grünen-Fraktion eine Entscheidung über die Frage treffen, ob wir diesen Gesetzentwurf zu den Fußfesseln mittragen oder nicht. Ich glaube, diese Prüfung hat der Gesetzentwurf verdient. Das werden wir im Ausschuss miteinander machen. Wir werden uns dann in der Zweiten Beratung abschließend positionieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch die Föderalismusreform II hat
Baden-Württemberg die Möglichkeit, den Strafvollzug selbst zu entwickeln, ohne auf die Bundesregierung angewiesen zu sein. Dies gilt Gott sei Dank jetzt auch für die elektronische Fußfessel oder für den Hausarrest, der lediglich elektronisch überwacht wird.
Ich darf daran erinnern: Baden-Württemberg hat bereits 2002 einen Vorstoß über den Bundesrat gemacht. Dieser Vorstoß wurde dann im Bundestag gestoppt. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen meinte damals, die Fußfessel sei kriminalpolitisch überflüssig und insbesondere – da muss man hinhören – mit der Menschenwürde und dem Persönlichkeitsrecht nicht zu vereinbaren.
Ich meine, beide Begründungen überzeugen nicht. Der elektronisch überwachte Hausarrest ist kriminalpolitisch sinnvoll und verletzt insbesondere die Menschenwürde nicht, wenn ich an die Alternative denke. Das ist nämlich der geschlossene Vollzug.
Was Volker Beck da gedacht hat, weiß ich nicht. Ich höre, die Grünen sind lernfähig und wissen nur nicht genau, ob sie zustimmen. Es wäre schön, wenn Sie sich zur Zustimmung überwinden könnten.
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wenn ihr die Fra- gen richtig beantwortet, dann können wir darüber dis- kutieren! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Machen wir!)
Natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der elektronisch überwachte Hausarrest kein Allheilmittel. Es ist zunächst einmal lediglich ein Modellversuch, und anhand des Modellversuchs wollen wir nach vier Jahren schauen, wie es weitergeht.
In § 2 werden zwei unterschiedliche Formen geregelt – wir haben es schon gehört –, die Ersatzfreiheitsstrafe und die Entlassungsvorbereitung. Es wird gesagt, dass das eine Konkurrenz zu „Schwitzen statt Sitzen“ sei. Ich meine nicht. Es ist lediglich eine Ergänzung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, überlegen Sie sich einmal: Wir haben einen Menschen, der zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, das Geld nicht bezahlen kann, weil beispielsweise gegen ihn vollstreckt wird oder er schon die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, weil die Privatinsolvenz gegen ihn läuft. Er hat einen Job, gegen ihn wird aber vollstreckt. Er kann nicht bezahlen. Weil er z. B. als Lkw-Fahrer 50 Stunden unterwegs ist, kann er auch nicht zusätzlich „schwitzen“. Was macht er? Er muss einfahren und verliert den Job. Ich denke, das Gesetz ist eine sinnvolle Ergänzung.
Ich denke, auch die Entlassungsvorbereitung und insbesondere die Anwendung auf Straftäterinnen ist sehr sinnvoll.
Wie funktioniert dieser elektronisch überwachte Hausarrest? Erstens muss der Gefangene zunächst einmal einverstanden sein. Das heißt, gegen den Willen des Gefangenen läuft gar nichts. Zweitens muss er über eine Wohnung, über eine Unterkunft verfügen. Drittens muss er über einen Telefonapparat verfügen; er muss ständig erreichbar sein. Viertens müssen andere Personen, die mit ihm im Haushalt wohnen, einverstanden sein.
Auch da geht es nicht gegen die Willen anderer. Fünftens muss er über einen Ausbildungsplatz oder über einen Arbeitsplatz verfügen. Beim Ausbildungsplatz haben wir Möglichkeiten für einen sinnvollen Einsatz. Nach Ihrer Meinung müsste er dann einfahren, müsste den Ausbildungsplatz aufgeben und würde möglicherweise eine große Chance verlieren.