Protocol of the Session on June 18, 2009

Sie konkretisieren das auch. Ich mache das an einem Satz unter vielen deutlich:

die evangelische Kirche –

arbeiten mit an Wegen zu einer schulischen Differenzierung ohne Stigmatisierung. Wir wollen längeres gemeinsames Lernen durch noch weiterzuentwickelnde Differenzierungskonzepte ermöglichen – möglichst bis zur 10. Klasse. Unser gemeinsames Ziel ist eine bessere Qualifikation für alle.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Ende.

Ich komme sofort zum Ende. – Meine Damen und Herren, aus denselben Gründen haben wir in unserem Leitbild zum Bildungsaufbruch auch nicht in ers ter Linie allein auf Integration abgehoben, sondern wir sagen: Bessere Bildung für alle. Wir merken zunehmend, dass wir hierfür in der Öffentlichkeit Zuspruch erfahren.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können mit Ihren beiden Anträgen nicht so furchtbar viel anfangen, Frau Rastätter, weil erstens die Maßnahmen zum großen Teil schon in der Mache sind – Frau Krue ger hat schon darauf hingewiesen – und uns zweitens kosmetische Dinge wie Werbekampagnen nicht wirklich weiterbringen.

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Genau!)

Denn das, was wir wirklich brauchen, um Migrantenkindern echte Bildungschancen zu geben, müssen wir ganz woanders ansiedeln.

Es ist völlig richtig – wir sehen die Probleme wie Sie –: Wir haben schon einige Fortschritte im Realschulbereich erreicht, wir haben auch einige Fortschritte im Bereich des beruflichen Schulwesens erreicht. Wir wissen, dass viele Migrantenkinder über das Berufsschulwesen doch noch weiterführende Abschlüsse erzielen. Aber es ist in der Tat erschreckend und muss uns wirklich nachdenklich stimmen, wenn ein Drittel der jungen Menschen in unserem Land zwischen 25 und 35 Jahren keinen beruflichen Abschluss haben. Das ist in der Tat ein Alarmsignal. Hier müssen wir reagieren, und hier reagieren wir auch.

Wir haben in den letzten Jahren nicht die Hände in den Schoß gelegt, und wenn es darum geht, echte Bildungschancen zu schaffen, dann fängt das im Kindergarten an. Das tun wir mit dem Orientierungsplan und der Sprachförderung. Wir wissen ganz genau, wie wichtig gerade Sprachförderung für Migrantenfamilien ist. Wir haben dieses Thema heute ja schon angesprochen, wir haben unsere Haltung dazu schon dargelegt. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass es auch so umgesetzt wird, wie wir uns das von Anfang an vorgestellt haben.

Wir sind dabei, unsere Hauptschulen zu neuen Werkrealschulen auszubauen. Auch das ist ein schulisches Angebot mit Bildungschancen gerade für diese Schülerklientel. Junge Menschen, die unter schlechten Startbedingungen in die Schule kommen, brauchen eine intensive und individuelle Förderung. Sie brauchen eine frühe und intensive Berufsorientierung, und sie brauchen eine möglichst große Chance, auch einen mittleren Bildungsabschluss zu erwerben. Das sind die drei Kernelemente der neuen Werkrealschule, und das kommt genau dieser Schülerklientel zugute.

(Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Wir brauchen in der Lehrerausbildung Module, die unsere jungen Lehrer befähigen, gerade im interkulturellen Bereich aktiv zu werden. Wir brauchen Module, die sie befähigen, auch Deutsch als Zweitsprache zu unterrichten. In den Eckpunkten der Lehrerausbildung, über die wir im Moment diskutieren und an denen wir arbeiten, sind all diese Dinge schon umgesetzt. Das wird für unsere Lehramtsanwärter kommen, und zwar nicht auf freiwilliger Basis, sondern verpflichtend. Das ist schon auf den Weg gebracht, Frau Rastätter.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Aber nicht für das gymnasiale Lehramt!)

Unser Antrag, den Sie hier als Wischiwaschi abqualifizieren, ist in meinen Augen überhaupt kein Wischiwaschi-Antrag, denn er enthält eine ganz wichtige Botschaft. Wir wollen – wir nehmen das sehr ernst – die Elternarbeit in der nächsten Zeit wirklich in den Mittelpunkt unserer Bemühungen stellen. Das muss Dreh- und Angelpunkt sein. Es ist außerordentlich wichtig, gerade in Migrantenfamilien das Interesse am Bildungserfolg der Kinder zu stärken.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Mentrup und anschließend eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Gern, wenn ich meine Überlegungen zu Ende gebracht habe.

(Abg. Ute Vogt SPD: Heraussuchen kann man es sich nicht, wann!)

Warum ist uns so wichtig, die Elternarbeit im Migrantenbereich zu verstärken? Viele Familien mit Migrationshintergrund haben ein völlig anderes Weltbild, als wir es in unserer mitteleuropäischen Zivilisation gewohnt sind. Für sie steht die Familie im Mittelpunkt. Die Familie ist das Höchste, und das Individuum spielt in der Familien- und Gesellschaftspolitik entweder nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Was haben Sie für ein Weltbild?)

Das ist heute noch immer Lebensentwurf vieler Migrantenfamilien. Das Individuum mit seinen Rechten,

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Was haben Sie für Klischeevorstellungen?)

das Individuum mit seiner individuellen Lebensplanung spielt letztendlich keine entscheidende Rolle.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Was ist das für ein kul- turalistisches Klischee! Das ist unglaublich!)

Entsprechend werden auch die Kinder sozialisiert und erzogen. Diese Familien sehen gar nicht die Notwendigkeit, dass ein einzelner individueller Mensch in unserer Gesellschaft für sein Auskommen sorgen muss, denn die Familie, die ihn auffängt, ist ja da.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das kann man nicht pauschal sagen! – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: So ein Ge- wäsch!)

Sie können mir gern widersprechen, aber mit Werbekampagnen kommen Sie keinen Schritt weiter.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das ist ja lächerlich! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Zuhören!)

Wenn wir es nicht schaffen, diese Sozialisationsvorgänge aufzubrechen – hier liegt der Schlüssel –, dann können wir uns im schulischen Bereich noch so sehr bemühen. Deshalb ist es kein Wischiwaschi-Antrag, sondern wir werden uns sehr intensiv um eine Verstärkung der Elternarbeit bemühen, weil das einer der Schlüssel ist, um diesen Kindern hier wirklich größere Chancen zu bieten, als sie bisher bestehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie hatten noch zwei Fragen.

Herr Abg. Dr. Mentrup, bitte schön, Ihre Frage.

Liebe Frau Kollegin, sind Sie nicht wie ich der Meinung, dass die Ausführungen von Frau Krueger zum Thema Herkunftsländer insofern diskriminierend waren, als es sich bei den jungen Menschen, über die wir hier reden und deren zu geringen Anteil unter den Lehramtsstudierenden wir beklagen, um Jugendliche, um junge Menschen handelt, die in der ersten und oft schon in der zweiten Generation in Deutschland geboren sind, und daher alle beklagten Bildungsdefizite eher eine Frage an das deutsche System sind denn eine Diskussion über die Herkunftsländer auslösen sollten?

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Herr Mentrup, hier geht es nicht um Diskriminierung. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die Ausführungen, die ich gemacht habe, eine Gratwanderung darstellen. Man ist da sehr schnell in eine bestimmte Ecke gestellt.

Aber ich denke, es geht darum, dass wir wirklich erkennen, wo die Probleme liegen. Wir können so viel Kosmetik machen, wie wir wollen. Aber wenn es möglich ist, dass eine junge Frau aus der Türkei in unsere Gesellschaft kommt

(Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Sie ist hier gebo- ren!)

und hier in Mannheim – Mannheim ist das beste Beispiel –

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Wir haben doch kei- ne homogene Gesellschaft!)

ein türkisches Leben führt, kein Wort Deutsch kann und auch kein Wort Deutsch braucht, wie soll ich an diese junge Frau herankommen

(Zuruf von der SPD: Sie war in Deutschland in der Schule! Warum spricht sie kein Deutsch?)

und sie ermuntern, sich um den Bildungserfolg ihrer Kinder zu kümmern? Das ist für sie gar kein Thema. Diese Menschen haben eine völlig andere Familienstruktur, sie haben andere Lebensziele, sie haben ein anderes Gesellschaftsbild.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Was wollen Sie machen? Was machen Sie denn?)

Ja, was kann man machen, Herr Zeller?