Zu nennen sind hier mangelndes Bildungsbewusstsein, mangelnde Kenntnis über die Wege, Möglichkeiten und Chancen, die unser Bildungssystem in Baden-Württemberg diesen Kindern bietet, und – vielfach wiederum bedingt durch sprachliche Verständigungsschwierigkeiten der Eltern – eine oft unzureichende Kooperation der Elternhäuser mit den Bildungseinrichtungen Schule und Kindergarten.
Nein. – Es gilt also, auch an diesem Punkt anzusetzen. Wenn Sie die Antwort bzw. die Stellungnahmen zu Ihren Initiativen sorgfältig lesen, dann finden Sie darin auch Antworten darauf. Ich will als Stichwort nur die Bildungsvereinbarungen nennen, die zwischen Eltern und Schulen geschlossen werden können.
Integration ist für uns als CDU selbstverständlich und richtigerweise ein ganz zentrales Thema unserer Politik. Weil wir das große Potenzial für unsere Gesellschaft sehen, das in Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund liegt, unternehmen wir seit Langem sehr große Anstrengungen, um dieses vorhandene Potenzial immer mehr zur Entfaltung zu bringen. Deshalb ist uns sehr wohl daran gelegen – das wissen Sie auch aus den Diskussionen im Schulausschuss –, mehr Lehrerinnen und Lehrer mit eigenem Migrationshintergrund für den Unterricht an unseren Schulen zu gewinnen. Dafür – auch das können Sie in der Antwort bzw. den Stellungnahmen längst nachlesen – gab und gibt es auch die Aktivitäten, die der Kultusminister auch mit den Konsulaten ergriffen hat, z. B. was die Werbung angeht.
Diese Lehrkräfte sind schon deshalb sehr wertvoll für uns, weil sie nicht nur zusätzliche sprachliche und interkulturelle Kompetenz mitbringen, sondern weil sie uns auch die Kommunikation mit den Elternhäusern ganz erheblich erleichtern. Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die Erzieherinnen in den Kindertagesstätten.
Ich will jetzt nicht mehr auf die Weiterentwicklung der Lehrerausbildung, auf Deutsch als Fremdsprache und auf interkulturelle Bildung eingehen. Das alles ist mit der Neustrukturierung der Lehrämter bereits erfolgt; das kann man alles wunderschön nachlesen.
Mit anderen Worten: Das, was Sie, Kollegin Rastätter, vorhin ausgeführt haben, was Sie auch mit Ihrem Antrag eingefordert haben, ist in Wirklichkeit längst überholt.
Ja klar ist es überholt. Es ist einfach kalter Kaffee. Die Große Anfrage stammt vom April 2008; mittlerweile sind ein paar Monate ins Land gegangen.
Die beiden anderen Initiativen sind von Januar und Februar 2009, und die Große Anfrage ist vom April 2008; genau so ist es.
Unabhängig davon ist ganz klar, dass wir und die Regierung selbstverständlich junge Menschen mit Migrationshintergrund
noch stärker für das Lehramt gewinnen wollen und auch die Elternbildung nachdrücklich voranbringen wollen. Deshalb haben wir heute unseren Änderungsantrag vorgelegt – keineswegs, um über Ihre Anträge etwa nicht abzustimmen, sondern wirklich, um diesen Weg weiterzugehen.
Ganz zum Schluss, weil hier schon das Lichtlein zur Beendigung der Redezeit aufleuchtet, noch eine Randbemerkung. U. a. haben Sie wieder einmal angeprangert, es habe herbe Versäumnisse gegeben – das ist zu Teilen sogar anzuerkennen –, Baden-Württemberg sei ein Einwanderungsland, es habe Versäumnisse bei der Bildungsintegration gegeben. Dann fragen Sie nach den volkswirtschaftlichen Kosten, die dadurch entstanden sind.
Nicht gefragt haben Sie – durchaus verständlicherweise – danach, was Ihre Multikultipolitik, die Sie in diesem Land über Jahre propagiert haben, bis heute an gesellschaftlichen Kos ten verursacht hat, nämlich dadurch, dass mancher glaubte und leider bis heute noch glaubt, die Existenz von Parallelgesellschaften sei in unserem Land toleriert.
Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Auch wenn Frau Kollegin Krueger sich ganz standhaft weigert, die Realität anzuerkennen, ist die Ausgangslage seit Langem klar. Es gibt viele größere und kleinere Studien, die Lage ist dokumentiert, sie ist kommentiert, und inzwischen hat ja auch Minister Rau öffentlich Handlungsbedarf eingeräumt. Baden-Württemberg ist ein Einwanderungsland. Es ist sogar d a s Einwanderungsland in Deutschland, wenn man die Flächenländer betrachtet.
Jugendliche mit Migrationshintergrund haben tatsächlich geringere Bildungschancen; sie finden sich hauptsächlich in Hauptschulen und Sonderschulen wieder.
Der zentrale Lösungsansatz ist unbestritten eine systematische Sprachförderung. Auch hierüber haben wir heute Morgen ausführlich gesprochen. Aber, meine Damen und Herren, es kommt eben nicht nur auf Pläne an, sondern es kommt auch auf ihre Realisierung an.
Es kommt darauf an, beispielsweise den Orientierungsplan verbindlich zu machen und Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass er auch in der Praxis umgesetzt werden kann.
Die Antworten der Landesregierung auf die differenzierten Fragen der Grünen in ihren verschiedenen Initiativen bieten vielerlei. Aber sie machen wieder einmal ein Strukturdefizit der Bildungspolitik in diesem Land deutlich. Das Sammelsurium von Einzelmaßnahmen, von Modellen, von Baustellen, von Projekten gleicht eher einem bildungspolitischen Bauchladen.
Die Vorschläge der Grünen regen durchaus zu einer systematischen Betrachtung, zu einem systematischen Vorgehen an. Wir werden diesen Vorschlägen auch zustimmen, soweit sie zur Abstimmung gestellt werden,
allerdings nicht, weil wir sie in allen Einzelheiten auch für gut und richtig und zielführend hielten. Aber die Richtung stimmt, und es ist notwendig, hier auch tatsächlich Farbe zu bekennen, anstatt nur allgemeine Reden zu halten.
Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP ist durchsichtig, er beinhaltet ausschließlich unverbindliche Absichtserklärungen. Meine Damen und Her ren, irgendwie passt zu dieser Auffassung auch, dass Minister Rau heute offensichtlich bei der KMK die weitere Teilnahme Deutschlands an den internationalen PISA-Studien infrage stellen will. Das ist eine systematische Weigerung, der Realität ins Auge zu sehen.
Mit Sicherheit zielführend ist die Einführung eines Schulsys tems, das die überholte Dreigliedrigkeit überwindet. Richtig ist eine wesentlich stärkere und systematisch aufgebaute Einbeziehung der Eltern. Richtig ist, verpflichtende Module mit der Überschrift „Interkulturelle Bildung in der Lehrerbildung“ einzuführen.
Die Forderungen nach zusätzlichem Fachpersonal, Schulassistenten, Sonderpädagogen, Lehrern mit Migrationshintergrund, wie es in den Anträgen steht, sind sicherlich auch richtig. Gefordert werden sollte aber meines Erachtens vom Grund satz her ein Personal- und Professionenmix an den Schulen. Dabei brauchen wir vor allem die Wiedereinführung einer flächendeckenden Schulsozialarbeit statt immer mehr Sonderprogramme für besondere Zielgruppen.
Integration ist für uns Teil von Bemühungen, individuelle Förderung zum durchgehenden Strukturprinzip zu machen – mit den jeweils unterschiedlichen Instrumentarien. Es kann doch, meine Damen und Herren, nicht unsere „Denke“ sein, nachträglich das integrieren zu wollen oder integrieren zu müssen, was wir zuvor ausgegrenzt haben. Das ist übrigens auch in ökonomischer Hinsicht Unsinn.
Die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund – darauf wurde hier schon hingewiesen – wächst ständig und ist
in sich hoch differenziert. Es ist nicht der Migrationshintergrund als solcher, der zur Ausgrenzung führt, sondern es ist die soziale Lage. Deswegen gilt: Eine gute Sozialpolitik ist die beste Bildungspolitik. Wenn Sie hierfür Kronzeugen brauchen, dann lesen Sie einmal in den entsprechenden Schriften der evangelischen Kirche nach, beispielsweise in der Denkschrift der EKD 2006 oder dem brandaktuellen Schulpapier, in dem es u. a. heißt – ich zitiere wörtlich –:
Sozial benachteiligte Kinder sind von vielen differenzierten Bildungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Die evangelischen Kirchen setzen sich deshalb für eine energi schere Förderung der Befähigungsgerechtigkeit durch das öffentliche Bildungswesen ein.