Protocol of the Session on April 23, 2009

Erstens: Wir benötigen einen Ausbau und eine Intensivierung der Präventionsmaßnahmen. Obwohl wir – da kann ich auf die Drucksache verweisen, die damals, Frau Lösch, Diskussionsgegenstand war – eine Latte von Präventionsmaßnahmen durchführen, vertrete ich die Meinung: Es kann nie genug sein. Wir müssen immer noch mehr in Prävention investieren. Das ist für mich gar keine Frage. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt. Meine zwei Vorredner haben sich schwerpunktmäßig mit dem Verbot beschäftigt. Es gibt natürlich – da sind wir sicherlich einig – sinnvolle Maßnahmen, die darauf hinauslaufen, dass wir solche Dinge wie Flatrate-Trinken verbieten, dass wir aber auch den Zugang zum Alkohol für die Jugendlichen erschweren. Nichts anderes streben wir an.

Frau Haußmann, Sie haben es schon gesagt – Ihre Quellen sind erstaunlich gut –: Heute Morgen hat es noch einmal einen Ruck gegeben, und das ist gut so, sodass wir einen Schritt vorankommen. Ich bin zuversichtlich, dass wir den Gesetzentwurf in den nächsten Wochen beraten können.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Es macht Sinn, dass wir dieses Problem lösen, weil man den Bürgern nicht erklären kann, weshalb wir den Alkohol an Tankstellen als Reiseproviant werten. Bei Autobahntankstellen haben wir das anders geregelt. Kein Mensch versteht, weshalb wir bei den sonstigen Tankstellen eine solch liberale Regelung beibehalten wollen. Ich bin zufrieden, dass wir nun eine Regelung gefunden haben.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Der dritte Punkt ist, dass wir die Eltern bzw. die Erziehungsberechtigten stärker in die Pflicht nehmen müssen. Ich will eines noch einmal hervorheben. Herr Kollege Noll hat damals in der Debatte gesagt, er halte nicht so viel davon, dass wir die Krankenhäuser dadurch belasten, dass sie die Eltern informieren müssen, wenn ein Jugendlicher oder ein Kind eingeliefert wird. Dies verursache Bürokratie, und dies sei ihm zu schwierig.

Bei dieser Frage bin ich ein Hardliner. Ich persönlich bin der Meinung, wir müssten die Eltern nicht nur informieren, sondern müssten ihnen hinterher auch eine Rechnung schicken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es kann doch nicht wahr sein, dass der Allgemeinheit durch den Einsatz eines Rettungswagens Kosten von 300 bis 500 €

und durch einen eventuellen Notarzteinsatz weitere Kosten entstehen; die Behandlungskosten im Krankenhaus betragen noch einmal durchschnittlich 1 500 €.

Vor einem Jahr stand in der „Süddeutschen Zeitung“, dass im Jahr 2006 rund 19 500 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 20 Jahren wegen Alkoholmissbrauchs im Krankenhaus behandelt wurden. Multipliziert mit 1 800 € ergibt dies sage und schreibe 35,1 Millionen €.

Unser Gesundheitswesen ist immer blank. Wir haben kein Geld. In solchen Fällen muss man den Eltern eine Rechnung schicken. Dann bemühen sie sich wieder um ihr Kind. Dann gibt es einen Hallo-wach-Effekt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Da müssen wir meines Erachtens etwas tun. Dieser Warnschuss kommt bestimmt an.

Lassen Sie mich zusammenfassend feststellen, dass wir die Problematik des Alkoholismus bei Jugendlichen mit einem ganzen Maßnahmenbündel angehen müssen. Das Alkoholverbot, das bei Ihnen im Fokus stand, ist für mich nur ein Baustein. Das Drumherum ist genauso wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger.

(Beifall des Abg. Dr. Frank Mentrup SPD)

Frau Haußmann, ich stimme Ihnen zu, dass die von Ihnen aufgezählten Maßnahmen wie eine bessere Aufsicht in Gaststätten geboten sind; das steht auch alles auf meinem Zettel. Meine Redezeit beträgt aber nur noch acht Sekunden.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Ich erwähne es jetzt nicht noch einmal, weil es mir wichtig ist, meine Rede mit einem Zitat zu beenden.

Frau Lösch hat davon gesprochen, dass wir über die Suchtforschung reden sollen. Ich möchte Herrn Professor Dr. Karl Mann vom Lehrstuhl für Suchtforschung am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim zitieren, der auf die Frage, was der Staat tun könne, um Alkoholmissbrauch vorzubeugen, geantwortet hat:

Es ist z. B. unmöglich, dass 24 Stunden am Tag die Tankstellen wahre „Tank“-Stellen sind, auch für Jugendliche. Oder dass Jugendliche mit 14 Jahren relativ leicht jede Menge Alkohol kaufen können. Würden wir den Alkoholkonsum bei Jugendlichen halbieren, hätten wir den größeren Teil der Jugendgewalt gelöst und müssten nicht über Erziehungscamps schwadronieren.

Es ist also ein Experte zu Wort gekommen. Ich denke, auf diesem Feld haben wir noch viel zu tun. Wir tun das, und wir stellen uns dieser Aufgabe. Ich bin davon überzeugt, dass wir entsprechende positive Ergebnisse erzielen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Jörg Döp- per CDU zu Abg. Ursula Haußmann SPD: Hast du es gehört, Ulla? – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Wetzel für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen und bei Erwachsenen hat in den vergangenen Jahren dramatische Züge angenommen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das hören wir jetzt zum ersten Mal!)

Die Zahl der stationär behandelten Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen ist in Deutschland in fünf Jahren um 50 % gestiegen. Die negativen Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind uns allen bes tens bekannt: Lärmbelästigungen, Sachbeschädigungen, Gewalt, Körperverletzungen.

Alkohol ist ein starker Gewaltkatalysator. So waren im Jahr 2007 40 % der Gewalttäter zwischen 18 und 21 Jahren alkoholisiert. Ich denke, wir sind uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass wir diese Zustände nicht länger hinnehmen können und auch nicht länger hinnehmen wollen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann macht doch end- lich etwas!)

In der Diagnose sind wir alle uns einig. Über die Frage, wie wir aus der Situation herauskommen, gehen die Meinungen allerdings auseinander.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Mich persönlich belastet ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot an Tankstellen nicht. Ich habe die Möglichkeit des nächtlichen Kaufs von Alkohol übrigens noch nie gebraucht.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Ich war bis heute nicht darauf angewiesen, nach 22 Uhr an einer Tankstelle alkoholische Getränke einzukaufen. Die entscheidende Frage ist aber,

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

ob wir durch ein solches gesetzliches Verkaufsverbot von Alkoholika an Tankstellen tatsächlich aus den bekannten Problemen herauskommen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist die Fra- ge! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: An Tank- stellen gibt es Benzin! – Zuruf des Abg. Karl Zim- mermann CDU)

Das ist die große Frage. Ich möchte die Situation nicht bagatellisieren, aber wir müssen uns doch fragen: Ist ein generelles Alkoholverkaufsverbot für alle Bürgerinnen und Bürger ab 22 Uhr tatsächlich auch gerechtfertigt?

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Rust?

Momentan nicht.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! Peinlich!)

Wir müssen uns fragen, ob wir tatsächlich alle Menschen über einen Kamm scheren müssen. Geben wir durch ein solches weiteres gesetzliches Verbot nicht erneut der „Verbieteris“ nach?

In mehreren Anhörungen wurde versucht, Ursachenforschung für den gestiegenen Alkoholkonsum von Jugendlichen zu betreiben und Stellschrauben zu eruieren, an denen die Landesregierung wirklich drehen kann und wirksam drehen kann.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Es gibt einen Be- schluss des Landtags für eine Gesetzesvorlage! Ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist!)

Wie so oft gibt es aber keinen monokausalen Zusammenhang. Es gibt vielmehr eine Vielzahl von Gründen, die die Jugendlichen zum Alkoholkonsum verleiten.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Es gibt seit über einem Jahr einen Landtagsbeschluss!)

Daran, meine ich, müssen wir noch weiter und intensiver arbeiten.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ojemine!)