Protocol of the Session on April 22, 2009

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Gundolf Fleischer und Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Heiler das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten uns in der ersten Lesung noch offengehalten, ob wir dem Gesetzentwurf zustimmen, und haben darauf verwiesen, dass wir im Innenausschuss noch einige Fragen beantwortet haben wollten. Die Beantwortung der Fragen war jedoch enttäuschend und frustrierend. Deshalb können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Oh-Rufe von der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Hans- Peter Wetzel FDP/DVP)

Meine Damen, meine Herren, intergenerative Gerechtigkeit bedeutet, dass jede Generation das erwirtschaften und bezah

len soll, was sie verbraucht. Damit sind wir einverstanden; das ist auch unsere Auffassung.

Nun zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Groh. In der Bundesrepublik Deutschland lag die Pro-Kopf-Verschuldung am Ende des Jahres 2008 – Quelle: Statistisches Bundesamt – bei 18 543 €.

(Abg. Manfred Groh CDU: Berlin an erster Stelle!)

Davon entfallen auf den Bund 11 651 €, auf die Länder 5 866 € und auf die Kommunen gerade einmal 1 026 €. Das bedeutet, dass die Kommunen gerade einmal für gut 5 % aller Schulden verantwortlich sind, Bund und Länder für knapp 95 %. Wenn sich also überhaupt jemand in dieser Republik in der Vergangenheit intergenerativ gerecht verhalten hat, dann waren es die Kommunen, meine Damen, meine Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Richtig!)

Deshalb drängt sich die entscheidende Frage auf: Wenn die Doppik doch so gut ist, warum führen Bund und Land die Doppik dann nicht ein?

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Wer ist denn Fi- nanzminister?)

Die Regierung und auch Sie reden sich mit dem Argument heraus, die bundesgesetzlichen Grundlagen würden fehlen. Ich frage einmal umgekehrt: Welche Initiativen haben Sie ergriffen, damit bundesgesetzliche Regelungen getroffen werden, damit die Länder letztlich die Doppik einführen? Sie haben überhaupt keine Initiativen ergriffen. Der Bund wiederum – da liegen Sie völlig falsch, Herr Groh – hat im Oktober 2008 über das Bundesfinanzministerium mitgeteilt, man werde die Doppik nicht einführen. Vielmehr favorisiere man die erweiterte Kameralistik und werde diese umsetzen.

(Abg. Manfred Groh CDU: Es soll ein Wahlrecht ge- ben!)

Fazit: Weder bezogen auf den Bundeshaushalt noch bezogen auf den Landeshaushalt ist absehbar oder ersichtlich, dass die Doppik eingeführt werden soll. Deshalb verwundert es sehr, dass ausgerechnet die Kommunen, die sich in der Vergangenheit intergenerativ am gerechtesten verhalten haben, in diesem Zusammenhang verpflichtet werden sollen, eine Vorreiterrolle einzunehmen. An dieser Stelle erinnert man sich an die sieben Schwaben: Hannemann, geh du voran! Die Kommunen sollen das alles machen.

(Beifall des Abg. Reinhold Gall SPD)

Umgekehrt wäre es anständig gewesen, wenn Bund und Land den Kommunen gezeigt hätten, wie die Doppik funktioniert. Dann hätten wir das auch gern eingeführt und mitgetragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU)

Herr Groh, die kaufmännische Buchführung eignet sich nicht uneingeschränkt für den Staat. Ein Wirtschaftsunternehmen können Sie auch nicht mit dem Staat vergleichen. Ein Unternehmer muss Gewinne erzielen, und eine Verwaltung muss politische Vorgaben umsetzen und gesetzliche Aufträge erfül

len. Es ist keine Frage, dass dies wirtschaftlich vertretbar erfolgen muss.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wie bisher!)

Ich behaupte, dass wir dafür keine Doppik brauchen.

Zum nächsten Punkt, den wir im Innenausschuss angesprochen haben. Herr Groh, mit der Doppik landet kein Cent mehr in den kommunalen Kassen. Im Gegenteil, die Kommunen müssen erst einmal investieren. Dabei hat sich für uns die Frage gestellt, was das eigentlich kostet. Darauf haben wir die Antwort bekommen: In Bruchsal kostet das 5 € pro Einwohner. Herr Professor Notheis ist anwesend. In der „Heilbronner Stimme“ haben wir gelesen: 13 € pro Einwohner. In Nürnberg sind angeblich Umsetzungskosten in Höhe von 26 € pro Einwohner angefallen.

Wenn ich jetzt einmal rechne, dann heißt das: Wenn die Angaben für Bruchsal stimmen, dann würde die Umsetzung in Baden-Württemberg insgesamt 54 Millionen € kosten. Wenn die Angaben für Nürnberg stimmen, dann würde dies 280 Millionen € für Baden-Württemberg bedeuten. Das heißt, man legt uns einen Gesetzentwurf vor, ohne die geringste Ahnung zu haben, was es die Kommunen tatsächlich kostet. Meine Damen und Herren, das halten wir für unseriös.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Glocke des Prä- sidenten)

Herr Abg. Heiler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Kluck?

Ich glaube zwar nicht, dass uns das weiterbringt, aber ich gestatte sie trotzdem.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Heiler, Sie als Bürgermeister haben hier natürlich bestimmte Interessen zu vertreten. Als Bürgermeister wissen Sie genau, wie es um die Finanzen Ihrer Stadt bestellt ist.

(Abg. Walter Heiler SPD: Gut!)

Ich als ehrenamtlicher Stadtrat bin sehr darauf angewiesen, dass wir ein transparentes und auch für Laien erkennbares Finanzsystem haben. Teilen Sie meine Auffassung,

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

dass durch die Einführung der Doppik genau diese Transparenz für alle Bürgerinnen und Bürger hergestellt wird?

(Abg. Manfred Groh CDU: Ja!)

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das war eine klare Antwort!)

Klare Antwort, Herr Kollege Kluck: Nein.

Letztlich gibt es noch ein Problem, meine Damen und meine Herren, beim Thema Konnexität. Bayern hat den Kommunen ein Wahlrecht gegeben, an der Kameralistik festzuhalten oder aber die Doppik einzuführen. Dies geschah auch vor dem Hin

tergrund, dass bei einer zwangsweisen Verpflichtung zur Einführung der Doppik in Bayern offensichtlich das Konnexitätsprinzip gegolten hätte. Ich habe im Innenausschuss danach gefragt. Was hat man mir als Antwort gegeben? Bayern hat ein anderes Konnexitätsprinzip. In Baden-Württemberg gilt dies im vorliegenden Fall nicht. Diese Antwort ist völlig unbefriedigend – jetzt komme ich auf einen anderen Punkt zu sprechen –, weil Bayern offensichtlich ein besseres Konnexitätsprinzip hat als wir in Baden-Württemberg und in Bayern in diesem Fall das Konnexitätsprinzip greifen würde.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Im ersten Fall, in dem es ernst wird, meine Damen und meine Herren, lässt das Land im Zusammenhang mit der Konnexität die Kommunen im Stich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen, meine Herren, wir Sozialdemokraten stehen mehrheitlich auf dem Standpunkt, dass die öffentlichen Aufgaben mit dem kameralistischen System zielgenau gesteuert und erledigt werden können. Es hätte ohne Weiteres die Möglichkeit bestanden, das bisherige System beizubehalten und durch einfaches materielles Recht zu verbessern. Insbesondere bildet die Kameralistik die demokratischen Prozesse ab. Sie bietet natürlich auch die Möglichkeit, implementierte Kosten- und Leistungsrechnungen aufzustellen. Es ist jeder Kommune bereits bisher unbenommen, Abschreibungen in den Haushalt aufzunehmen und diese Abschreibungen durch politische Entscheidungen auch zu erwirtschaften. Das kann jede Kommune bereits nach dem derzeitigen System.

Eine moderne, transparente und effiziente Verwaltung bleibt das Ziel unserer Fraktion. Dazu hätte es aber keines sogenannten Reformwerks bedurft, das die Kommunen bei seiner Einführung zig Millionen Euro kosten wird, ohne dass ein einziger Cent mehr in den kommunalen Kassen landet. Wir lehnen das Gesetz daher ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Hans- Peter Wetzel FDP/DVP: Eine schwache Begründung mit Hinweis auf Bayern! Schwache Begründung! – Gegenruf des Abg. Ingo Rust SPD: Fundiert aus der Praxis! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schlachter für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn heute die Reform des Gemeindehaushaltsrechts verabschiedet wird, ist das wohl eine der schwersten Geburten in Gesetzgebungsverfahren, die dieses Land je vollbracht hat. Die Diskussion reicht bis in das Jahr 1990 zurück. Baden-Württemberg hat diese Reform leider als eines der letzten Länder erst jetzt eingeleitet.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Zwölf andere Bundesländer waren in dieser Frage etwas schneller als wir.

Der Gesetzentwurf hat kontroverse Beratungen hinter sich. Er ist auch ein Kompromiss; das wurde aus allen bisherigen Re

debeiträgen dazu klar. Eine Reihe von Fragen und Problemen sind noch offen, die, glaube ich, ihren Praxistest erst noch bestehen müssen. Aber im Grundsatz, in den großen Linien, stimmen wir von den Grünen hier im Landtag diesem Reformvorhaben zu,