Protocol of the Session on February 11, 2009

(Beifall bei den Grünen)

An die Adresse des Bundes: Die Vorgaben für die „Zusätzlichkeit“ der Mittel sind nicht nur völlig unrealistisch, sie sind auch völlig unsinnig.

(Beifall bei den Grünen und der FDP/DVP)

Ich muss schon fragen, was für sogenannte Fachleute in dieser schwarz-roten Bundesregierung sitzen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das fragen wir uns auch!)

Sie glauben, dass man den Durchschnitt der Hochphasen der Konjunktur der Jahre 2006 bis 2008 für die Kommunen als Plafond für das Jahr heranziehen kann, in dem es in die Krise geht. Das ist doch völlig aberwitzig.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Wenn es so wäre, dass die Kommunen in Zeiten der Krise noch draufsatteln könnten,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wo er recht hat, hat er recht!)

dann, muss man sagen, gäbe es keine Krise. Das ist doch ein Treppenwitz.

(Beifall bei den Grünen)

Ich kann nur hoffen, dass Sie diesen Quatsch, der da beschlossen wurde, bei den Beratungen im Bundesrat ersatzlos vom Tisch bekommen.

Unser Motto heißt nicht „Viel hilft viel“, sondern „Richtig hilft viel“. Wir wollen nicht nur in erster Linie Geld verteilen, sondern den Wandel bewirken. Wir wollen, dass Baden-Würt temberg nach der Krise besser dasteht, weil der Energieverbrauch und damit die laufenden Kosten in den Kommunen, den Betrieben und den privaten Haushalten durch die energetische Sanierung gesunken sind.

Solide Grundlagen brauchen wir auch im Landeshaushalt. Ihr Haushalt, Herr Ministerpräsident, steht aber auf tönernen Füßen. Die Haushaltsrisiken lassen nämlich den zukünftigen Handlungsspielraum zusammenschrumpfen wie einen Luftballon, aus dem die Luft entweicht.

Ich nenne als Risiko Nummer 1: Steuerausfälle. Schon der Horizont der mittelfristigen Finanzplanung zeigt die Lücken auf. Die Deckungslücken bis zum Jahr 2012 betragen 4,5 Milliarden €. Das sind 4,5 Milliarden € an Ausgaben, denen keine Einnahmen gegenüberstehen. Herr Finanzminister, wir haben Sie im Ausschuss gefragt, wie Sie diese Deckungslücken schließen wollen. Ihre Antwort: „Das wird man dann sehen.“ Herzlichen Glückwunsch zu dieser vorsorgenden Finanzpolitik!

Was auch immer Sie sehen, Herr Finanzminister – wachsende Steuereinnahmen, die wie in der Vergangenheit alle Probleme kaschieren können –: Das wird es in den nächsten Jahren nicht geben. Der Einbruch der Steuereinnahmen wird kommen, und es werden mehr sein als die 180 Millionen € aus der November-Steuerschätzung. Die Wachstumsprognose der EU-Kommission für Deutschland in diesem Jahr be

trägt 0,0 %, und wenn es so käme, könnten wir noch froh sein.

Schauen Sie doch hinaus. Glauben Sie, dass Unternehmen, die in diesem Jahr Einbrüche von 30 % haben, im nächsten Jahr noch Steuern bezahlen? Das ist doch völlig abwegig. Mit Blick auf Wahrheit und Klarheit müssen wir angesichts dieser Situation der mittelfristigen Finanzplanung mit einem weiteren Minus von etwa 2 Milliarden € rechnen. Das ergibt zusammen eine Deckungslücke von 6,5 Milliarden € bis zum Jahr 2012. Herr Finanzminister, Herr Ministerpräsident, da kann man nicht „einmal schauen“, sondern es ist klar, dass dies ohne Aufgabenkritik überhaupt nicht zu bewältigen ist.

(Beifall bei den Grünen)

Jetzt komme ich zum Risiko Nummer 2: Steuersenkung. Die Landesregierung schickt sich jetzt auf einmal an, im Bundesrat einer weiteren Steuersenkung der schwarz-roten Bundesregierung zuzustimmen, aber Herrn Mappus und Herrn Noll reicht das immer noch nicht. Sie sprechen von noch größeren Steuersenkungen,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Hut ab, Herr Kol- lege!)

natürlich immer bei gleichzeitiger Nullneuverschuldung. Herr Mappus und Herr Noll, Sie betreiben hier ganz klar finanzpolitischen Populismus. Es geht Ihnen nicht um die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen, es geht Ihnen nur um reinen wahlpolitischen Stimmenfang und um Volksverdummung.

(Beifall bei den Grünen)

Ein Beispiel für diese Volksverdummung hat Kollege Mappus in der letzten Plenarsitzung geliefert, in der er behauptet hat:

Meine Damen und Herren, wenn ein Gas- und Wasserinstallateur bzw. eine -installateurin, 40 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, im Tarifgebiet Baden-Württemberg mit einem Monatsverdienst von bisher 2 300 € nun 4 % mehr Lohn erhielte, dann würde deren Steuerlast in der Steuerprogression um 22 % ansteigen, plus steigende Sozialausgaben. Diese Person hat am Ende der Gehaltserhöhung, wenn es schlecht läuft, netto weniger als vor der Gehaltserhöhung.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Da hat jemand einfach den Grenzsteuersatz mit dem Durchschnittssteuersatz verwechselt.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Peinlich, peinlich!)

Schauen wir uns das einmal an. Es ist so: Im Jahr 2000 netto 1 383 €, im Jahr 2008 1 419 €. Eine Anhebung um 4 % macht 43 € im Jahr 2000 und 48 € im Jahr 2008 aus. Bei einem Verdienst von 2 082 € sind es im Jahr 2000 8 € mehr, im Jahr 2008 54 € mehr. Bei einem Verdienst von 4 346 € sind es im Jahr 2000 102 € mehr, im Jahre 2008 99 € mehr.

Das sind die Fakten, und das, was Sie betreiben, ist, das Volk für dumm zu verkaufen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Das haben wir jetzt alle verstanden!)

Das ist nichts anderes als steuerpolitische Desinformation. Das sind Zahlen, die wir beim Finanzministerium nachgefragt haben.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Gott sei Dank sind Sie kein Steuerberater!)

Es ist klar, wenn man heute Steuersenkungen macht, dann sind das Steuersenkungen auf Pump. Dann, Herr Ministerpräsident, können wir in der Föderalismuskommission nicht gleichzeitig beschließen, dass die Länder ab dem Jahr 2020 laut Verfassungsgebot keine Schulden mehr machen dürfen. Das kann überhaupt nicht funktionieren und ist Populismus.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Risiko Nummer 3: Von allen Haushaltsrisiken ist Stuttgart 21 das ärgerlichste – viel Geld, hohes Risiko und verkehrspolitisch nicht sinnvoll. Falls Sie dieses Projekt beginnen sollten, dann mit höchst ungewissem finanziellen Ausgang. 2,8 Milliarden € plus 1,4 Milliarden € – erste Runde der Kostensteigerung. Das ist heute der formale Stand für das Gesamtprojekt. Mindestens 5 Milliarden € – in heutigen Preisen – werden es nach dem Gutachten von Vieregg-Rößler sein, Herr Kollege Schmiedel. Das wollte die Regierung übrigens seit seinem Erscheinen im Juli letzten Jahres schriftlich widerlegen. Aber gekommen ist nur heiße Luft.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Es werden immer mehr Quellen, die das konkret aufzeigen. Der Bundesrechnungshof ist mit seiner Prüfung noch immer nicht fertig. Das SPD-geführte Bundesverkehrsministerium hat 2008 selbst eine Analyse zu den Großprojekten des Bundes veröffentlicht. Bei Straßentunneln müssen seit 2005 Preissteigerungen von bis zu 30 % einkalkuliert werden. Eine nahezu exorbitante Preissteigerung in Höhe von 60 % ist beim Eisenbahnbau, besonders bei Tunnelprojekten, zu verzeichnen.

Auch wenn wir da inhaltlich nicht zusammenkommen, Herr Ministerpräsident: Sie müssen den Menschen über die Kosten dieses Projekts reinen Wein einschenken. Alles andere führt nur zu Demokratieverdrossenheit.

(Beifall bei den Grünen)

Risiko Nummer 4: die Landesbank Baden-Württemberg. Die Löcher bei der Landesbank werden immer größer.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Na, na, na!)

Das ist nun wirklich so. Sie haben das schon einmal schöngeredet, Herr Scheffold. Halten Sie sich zurück.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das hat mit Schön- reden nichts zu tun! Vergleichen Sie es doch einmal mit anderen Zahlen!)

Das kann bei den strukturellen und den konjunkturellen Problemen, die sich auf die LBBW auswirken, auch niemanden wundern. Es tritt genau das ein, was ich in der letzten Debatte vorausgesagt habe:

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Wenn es zu dieser Krise kommt, Betriebe Liquiditätsschwierigkeiten haben oder gar in die Insolvenz gehen, dann werden sie bei Tilgung und Zinsen logischerweise Probleme bekommen. Die bekommt dann natürlich die LBBW zu spüren, gerade im Bereich der Großkonzerne, wo die Krise besonders heftig zuschlägt. Genau das hören wir jetzt, dass eine erhöhte Risikovorsorge der LBBW erforderlich ist. Das haben wir Ihnen schon damals gesagt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Das kann man doch nicht kritisieren! Das ist doch völlig normal!)

Es ist klar: Es gibt für sieben Landesbanken in Deutschland kein funktionierendes Geschäftsmodell. Deswegen haben wir vorgeschlagen, das Ganze langfristig auf eine Landesbank zu fokussieren

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

und Schritte dahin einzuleiten, jetzt zu Fusionen zu kommen, die ein tragfähiges Geschäftsmodell für die Zukunft haben. Andernfalls wird das ein Fass ohne Boden.