Protocol of the Session on February 11, 2009

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Winkler für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kübler, wenn man keine großen Ansprüche an die Politik des Landes und an den Haushalt stellt, dann kann man dieses Lob sehr wohl loswerden. So verstehe ich das.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Der schlägt aber zu!)

Wie soll man bei einer immer turbulenteren Weltagrarmarktpolitik den Haushalt aufstellen, meine Damen und Herren? Das ist zweifellos schwierig.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber wir haben es geschafft!)

Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU bewegt uns seit Längerem und fordert uns viel ab. Minister Hauk hat einmal gesagt: „Landwirtschaft im Rad der Globalisierung“ – gar nicht

so falsch. Aber einige Bereiche, z. B. die Milchwirtschaft, fühlen sich eher im Hamsterrad der Globalisierung.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Welche Antworten gibt der Haushaltsplan auf die zukünftigen Herausforderungen? Ich fange einmal so an: Keine Antwort ist auch eine Antwort. Der Haushaltsplan fällt mit 768 Millionen € weniger umfangreich aus als früher. Zusammen mit dem Forst hatten wir schon einen Umfang von mehr als 1 Milliarde €. Der Haushalt ist sicherlich ein Test; er gibt Anlass zu einer kleinen Bestandsaufnahme dessen, was für Landwirte, Verbraucher und Naturschutz besonders wichtig ist.

Die Landwirte müssen sich mehr und mehr auf den Weltmarkt einstellen und Produkte erzeugen, die gefragt sind und von denen sie leben können. Der Preisdruck bei Milch, Getreide und Fleisch wächst, die Umweltanforderungen wachsen ebenso. Der Strukturwandel geht voran. Wir sind mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 22 ha nach wie vor das Bundesland mit den kleinsten Betrieben. Die Vergrößerung der Hoffläche ist zum Überleben wichtig, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig über ein Höfesterben geklagt wird.

Die Landwirtschaft kann nur überleben, wenn sie Produkte anbietet, die aus der Masse herausragen und dementsprechend gut bezahlt werden. Deswegen sind auch regionale Märkte und der Zusammenhang mit dem Biolandbau wichtig. Denn wer Bioprodukte kauft, ist bereit, dafür mehr auszugeben, und achtet darauf, woher die Lebensmittel kommen.

Für die Chancen und Turbulenzen auf dem Agrarmarkt ist nichts typischer als das Beispiel Milch. Innerhalb eines Jahres hatten wir den höchsten Milchpreis und den tiefsten – von 23 Cent bis über 44 Cent pro Liter. Aber allein in Deutschland haben wir zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Bayern oder Baden-Württemberg

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Südtirol!)

ganz unterschiedliche Bedingungen. In Vorpommern können Landwirte von einem Milchpreis von 27 Cent pro Liter leben und noch Gewinn machen; bei uns brauchen die Landwirte 43 oder 44 Cent, weil die Produktionsbedingungen andere sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Stimmt!)

Man kann die Landwirte aber nicht mit Vorlauf in den Markt entlassen, ohne diesen eine Strategie anzubieten.

Beispiel Getreide: Weltweit haben wir im Moment die gerings ten Getreidevorräte seit 60 Jahren. Jährlich steigt der Getreidebedarf um 30 bis 40 Millionen t, ohne dass die Produktionsfläche entsprechend ausgeweitet würde. Auch der Getreidepreis fährt auf dem Weltmarkt Achterbahn. Vor genau einem Jahr betrug der Preis an der Warenterminbörse 15 US-Dollar pro Bushel, heute beträgt er 5 US-Dollar. Der Durchschnitts preis der letzten Jahre lag bei 3 US-Dollar. Das ist ein Auf und Ab, dem die Landwirte ausgesetzt sind.

Soll ich noch ein Stichwort zu Biokraftstoffen sagen? Ölsaaten sind so knapp wie nie. Sie zählen zu den Lebensmitteln und gleichzeitig zu den Futtermitteln. Die Landwirte wissen nicht, wie es angesichts der Konkurrenz mit den Biokraftstoffen weitergeht.

Trotzdem: Noch nie haben wir so viel aus Deutschland und aus Baden-Württemberg exportiert wie jetzt. Wir haben Marktchancen auf dem Weltmarkt, und das muss genutzt und unterstützt werden. Die größeren Vermarktungs- und Verarbeitungsstrukturen, die wir für den Exportmarkt brauchen, müssen wir hier auflegen bzw. verändern. Aber hierzu ist im Haushalt keine Botschaft enthalten.

Der Verbrauch an Biolebensmitteln steigt. Von 2000 bis heute ist er um 175 % gestiegen. Der Umsatz an Biolebensmitteln in Deutschland ist in diesem Zeitraum von 2 Milliarden € auf 5,5 Milliarden € gestiegen. Davon haben wir in BadenWürttemberg nichts geholt. An dieser Steigerung – auf einem Sektor, der Marktchancen für die Landwirtschaft bietet – haben wir nicht partizipiert. Bei uns ist in diesem Zeitraum der Anteil der Bioanbauflächen von 4,9 % auf 5,1 % gestiegen. Der Anstieg ist fast null. Andere Länder haben diese Marktchancen genutzt. Bei uns in Baden-Württemberg liegt der Anteil der Bioanbauflächen bei 5,1 %, während er in Österreich 13,3 % beträgt.

Die Botschaft zum Biolandbau im Haushalt lautet: 2002 betrugen die Zuschüsse für den ökologischen Landbau 150 000 €, heute betragen sie 226 000 €. Inflationsbereinigt bekommt der ökologische Landbau heute so viel wie vor sechs Jahren. Damit geht der Markt an diesem Bereich vorbei.

Ausgerechnet in Baden-Württemberg lavieren Sie allerdings stattdessen. Als Gegensatz eine schlimme Haltung zur Gentechnik, Herr Minister. Die Kleinräumigkeit der Nutzflächen in Baden-Württemberg ist ziemlich offensichtlich. Trotz dieser Kleinräumigkeit sind Sie dafür sehr offen. Aber wir wollen wegen der Kleinräumigkeit keine Gentechnik.

(Beifall bei der SPD – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Aber im Gewächshaus geht es doch!)

Dass dies Unsinn ist, hat übrigens Herr Seehofer genau so gesagt, als er noch Bundeslandwirtschaftsminister war. Den Sinn der Forschung in diesem Bereich, die Sie und wir alle aus dem Landeshaushalt mitbezahlen, weil es unsere Steuermittel kos tet, sehen wir nicht ein. Es wäre Aufgabe der Gentechnikfirmen, nach unseren Vorstellungen zu forschen.

Eigentlich ist es schizophren: Ursprünglich wurde die Gentechnik mit dem Ziel eingeführt, Herbizide, Pestizide usw. einzusparen. Heute wissen wir, dass in den Ländern, in denen Gentechnik eingesetzt wird, der Verbrauch an Herbiziden gestiegen ist und noch nie so viel an Herbiziden verbraucht worden ist wie jetzt – trotz der Gentechnik! Es ist also genau das Gegenteil des ursprünglichen Ziels eingetreten.

Wir wollen deswegen Initiativen zur Einrichtung gentechnikfreier Zonen fördern,

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Sehr gut!)

um den Wünschen der Mehrheit der Landwirte, den Wünschen der Verbraucher und den Wünschen der Bevölkerung nachzukommen. Wir wollen hier in Baden-Württemberg eine Landwirtschaft ohne Gentechnik. Wir wollen, dass die Landesregierung die Produktion von gentechnikfreien Agrarerzeugnissen unterstützt. Das ist nicht verboten, sondern geboten.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Allerdings, Herr Minister, ist zur Unterstützung der gentechnikfreien Landwirtschaft im Haushalt nichts enthalten.

(Minister Peter Hauk: Sollen wir etwas einstellen?)

Noch zwei Stichworte: Naturschutz und Naturparke. Zur Umsetzung von Natura 2000 und zum Betrieb des Biosphärenreservats halten wir mehr Personal für nötig. Die Naturparke werden mehr, die Mittelausstattung wird aber immer schlechter.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch gar nicht wahr!)

Die Naturschutzausgaben haben sich schlecht entwickelt. Heute stehen dafür 27,9 Millionen € zur Verfügung,

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Da hat man Ih- nen etwas Falsches aufgeschrieben!)

im Jahr 2004 waren es noch 33 Millionen €. Die Förderung ist zurückgegangen, obwohl wir inzwischen ein Biosphärenreservat haben und Natura 2000 umsetzen müssen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Naturschutz darf im Haushalt nicht zum Feigenblatt verkommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das Biosphären- gebiet ist Förderschwerpunkt im ELR, Herr Kolle- ge!)

Bitte orientieren Sie sich am Effektiven und nicht am Effektvollen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das Biosphären- gebiet ist Förderschwerpunkt im ELR!)

Meine Damen und Herren, zum Schluss – ich gebe dann das Wort weiter –: Mein Vorredner ist bereits auf das Thema „Ländlicher Raum“ eingegangen. Noch ein paar Sätze dazu. Ich fange mit der Breitbandversorgung an. 2007 hat die Landesregierung auf einen Antrag von uns auf Unterstützung durch Zuschüsse geantwortet: „Es ist Sache der Privaten, dies zu finanzieren.“ Heute sind Sie Gott sei Dank mit dabei, auch dank des Bundes. Trotzdem hat der ländliche Raum Schwierigkeiten. Wir sind der Meinung, dass trotz 15 Förderrichtlinien für den ländlichen Raum dieser nicht erreicht hat, was er benötigt. Da sind Sie zu weit hintendran. Es reicht nicht, wenn Sie zufrieden sind; es reicht erst, wenn die Menschen im ländlichen Raum zufrieden sind.

(Zuruf von der CDU: Sind wir alle!)

Aber sie sind es nicht.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Kipfer für die Fraktion der SPD.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dieser Minister ist ja nicht nur Minister für den ländlichen Raum, sondern auch Minister für Verbraucherschutz. Das steht zwar so nicht in dem Namen, den sein Haus trägt, aber er jedenfalls hat diesen Anspruch. Ich gestehe Ihnen gern zu, Herr

Minister, dass Sie Ihr Versprechen wahr gemacht haben, mehr Geld für die Verbraucherinformation, für die Verbraucherzentrale zumal, in den Haushalt einzustellen. Aber das kann nur ein Anfang sein. Denn auf diesem Markt brauchen wir immer mehr Informationen für Verbraucher, damit sie ihre Position auf dem Markt auch wirklich wahrnehmen können.

Dieser große Mantel, den Sie sich immer umhängen, geriert aber zum Mäntelchen, wenn man auf die Probleme schaut, die noch unerledigt sind. Dafür nenne ich einige wenige Beispiele.

Erstes Beispiel: Bei der Lebensmittelüberwachung haben Sie es immer noch nicht geschafft, die 80 Stellen, die für diesen Bereich eigentlich notwendig sind, mit dem Landkreistag auszuhandeln. Vor genau einem Jahr standen Sie hier und haben gesagt: Das muss über den kommunalen Finanzausgleich geregelt werden. Bis heute ist nichts geschehen.

(Zuruf von der SPD: Ungeheuerlich!)