Ich möchte Ihnen sagen: Sie sind kein Brauchtumsverein, sondern Sie sind immer noch eine Partei. Lassen wir also die Vereine ihre Arbeit tun, und mischen wir uns nicht ein. Sie haben es so schon schwer genug.
(Heiterkeit – Beifall des Abg. Alfred Winkler SPD vom Schriftführerplatz aus – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: He! Von hinten kein Beifall!)
Ich schließe mich aber gern dem Dank an diejenigen an, die die vorliegende Antwort der Landesregierung erarbeitet haben. Das ist ein hervorragendes Papier, das sehr ausführlich ist und dessen Lektüre allen zu empfehlen ist, auch denjenigen, die das noch nicht ganz einsehen wollen. Darin kam für mich sehr stark das zum Ausdruck, was Goethe einmal mit folgenden Worten ausgedrückt hat: „Wer seine Heimat nicht kennt, hat keinen Blick für die Welt.“ Cicero sagte dazu: „Wenn du die Welt verstehen willst, schau auf dein Dorf.“
Es ist deshalb völlig unangebracht – Frau Vossschulte, Sie haben es angesprochen –, wenn man in diesem Zusammenhang von Heimattümelei oder Vereinsmeierei redet oder die Heimatliebe als spießig oder überholt betrachtet.
Unvergessen bleiben für mich Erfahrungen aus den Sechzigerjahren, als wir mit unserer Landjugendgruppe in Frankreich waren, und zwar in Gemeinden, in denen unsere Väter oder Großväter noch als Soldaten gewesen waren. Fast alle kommunalen Beziehungen und Partnerschaften zu Frankreich oder zu anderen Ländern haben sich aus den Begegnungen der Jugendlichen und der Vereine für Brauchtums- und Heimatpflege entwickelt. Es wäre also wünschenswert, wenn etwas Ähnliches in Bezug auf die Länder des neuen Europas wieder stattfinden könnte, etwa entlang der Donau. Leider hat die Landesregierung die Mittel für solche Fahrten 2003 gestrichen, sodass sie seitem nicht mehr gewährt werden können.
Auch unter den Vereinen selbst ergibt sich ein gutes Miteinander nur bei gegenseitiger Wertschätzung. Schon mancher Kunstverein war froh, wenn ein örtlicher Kleintierzuchtverein die Bewirtung bei dessen Veranstaltungen übernommen hat. Unsere wunderschönen Freilichtmuseen im Land – das schönste steht übrigens im Kreis Tuttlingen, in Neuhausen ob Eck – erblühen zu neuem Leben, wenn die Heimatvereine, die Brauchtumsvereine diese Museen an ihren Haupttagen mit Leben erfüllen. Die vielen Heimatmuseen in den Kommunen existieren nur durch die Kompetenz und den Einsatz ehrenamtlicher Helfer.
Die Leistungen der Landesregierung hierzu: Die Museumsmittel wurden leider um fast 1 Million € gekürzt. Wer schon einmal die Heimattage Baden-Württemberg selbst erlebt hat und dort vor allem den anschließenden gemeinsamen Umzug der Teilnehmer, der sieht eindrucksvoll die Kraft und das Potenzial, die diesem Element unserer Kultur innewohnen. Er sieht, wie Brauchtum und Heimatpflege verbinden, wie sie die Grenzen zwischen den unterschiedlichsten Bereichen und unterschiedlichsten Menschen überwinden. Sie verbinden den
Lufthansapiloten mit dem Mitarbeiter des städtischen Bauhofs, den Mechaniker mit dem Rechtsanwalt, den Busfahrer mit dem Ingenieur, den Studienrat mit dem Malermeister – dies natürlich auch jeweils in der femininen Form.
Wer bei diesen Umzügen zwischen den historischen Narrenzünften und den Bürgerwehren die wunderbaren Gruppen der Heimatvertriebenen und der Flüchtlinge in ihren heimatlichen Trachten beobachtet, der erkennt, welchen Verlust die Länder, aus denen diese Menschen fliehen mussten, erlitten haben, und welche Kraft unserem Land durch sie zugeflossen ist.
Zunehmend sieht man erfreut ausländische Gruppen, deren Mitwirkende erst in jüngster Zeit zu uns kamen und nun dabei sind. Man sieht in einem oberschwäbischen Musikverein einen iranischen Fahnenträger und in den badischen Bürgerwehren einen Kanonier aus dem Senegal.
Aus den Reihen des Blasmusikverbands kann ich berichten – Herr Köberle, da können Sie mir sicher zustimmen –: Bei den jetzt wieder anstehenden Weihnachtskonzerten – übrigens alle auf höchstem Niveau – ehren wir wieder viele Musikerinnen und Musiker, die als Kinder der ersten Gastarbeitergeneration zu uns kamen oder hier geboren wurden. Wir ehren sie für eine 30- oder sogar 40-jährige Mitgliedschaft in unseren Orchestern. Viele von ihnen haben führende Funktionen. Geräuschlos gelingt hier zum Vorteil aller die gelebte Integration.
Dies sind Werte, die nicht an der Börse gehandelt werden können, die kein Bruttosozialprodukt generieren, die aber die Menschen seit Jahrzehnten und Jahrhunderten durch alle Krisen getragen haben.
Die Förderung der sonstigen Kulturpflege wurde um 100 000 € gekürzt, die des Landesarchivs um 1 Million €.
Die Leistung der Landesregierung hierzu ist erschreckend. Die Mittelkürzung für die Denkmalpflege in den letzten fünf Jahren umfasste 10 Millionen €.
Das macht deren Aufgabe fast nicht mehr wahrnehmbar. Die Denkmalpflege kann ihre Arbeit fast nicht mehr ausführen.
Die Landesregierung sieht aufgrund der Mitgliederentwicklung bei den Verbänden und den Vereinen keine Gefahr. Das mag vielleicht so sein, wobei es in den verschiedenen Vereinen sehr unterschiedlich ist.
Es ist aber allemal ein Grund zur Sorge, dass die Vereine zunehmend keine Menschen mehr finden, die bereit sind, Führungspositionen zu übernehmen. Hier können wir direkt etwas tun. Ich spreche da besonders unseren Finanzminister an, der, als er noch Minister für den ländlichen Raum und Staatsminister war, preisend mit viel schönen Reden unserer Vereine Wert und Zahl durch die Lande zog und der nun etwas tun könnte. Entlasten wir die Vereine von dem unseligen Joch des Vereinssteuerrechts in der derzeitigen Form.
Machen wir es möglich, dass ein engagierter Normalbürger noch Kassierer in einem Verein sein kann, ohne dauernd am Rande der Steuerehrlichkeit entlangzuschrammen.
Nehmen wir den Vorsitzenden das Risiko, persönlich für die Steuerschuld eines Vereins zu haften. Es passt nicht zusammen, mit der Ehrennadel zu loben, Ehrenamtspreise zu verleihen, das Jahr des Ehrenamts auszurufen und gleichzeitig mit den Handschellen zu drohen.
Bringen wir deshalb zum Ausdruck, dass wir diese Leistung im Bund, im Land und in der Kommune hoch schätzen. Der alte schwäbische Ausdruck passt dazu am besten: Man muss Leute, die etwas leisten, auch ästimieren.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau! Das ist wichtig!)
In Stadt und Land, hauptsächlich aber in unseren kleineren und mittleren Städten und allen Gemeinden und Ortschaften unseres Landes sind es die Brauchtums- und die kulturellen Vereine, die gewährleisten,
Nun noch ein Satz zum Schluss. Liebe Frau Vossschulte, liebe stellvertretende Präsidentin, Sie haben die Verfälschung unserer Tradition durch ausländische Einflüsse angesprochen. Ich glaube, so weit brauchen wir gar nicht zu gehen. Wir können uns hier in diesem Hohen Haus umschauen. Brauchtum, Kultur und Tradition brauchen auch Symbole. Alle Jahre aber sehen wir wieder – auch in diesem Hohen Haus –, wie diese Symbole ad absurdum geführt werden. Momentan haben wir
Der Weihnachtsbaum. Landauf, landab, schon ab November gibt es derzeit diese glitzernden, leuchtenden Irrlichter.
Mit diesem Rat komme ich zum Ende: Nehmen Sie das kompetente Beispiel der Kirchen zum Anlass und schalten Sie diese Irrlichter der Christbäume aus! Hängen Sie einen Adventskranz auf, und sagen Sie auch den Bürgermeistern draußen im Land: Die Weihnachtszeit beginnt nicht am Totensonntag, sondern am 24. Dezember.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU und Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut! Jawohl! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da hat er recht!)