Deswegen sehen die aktuellen Zahlen auch erfreulich aus. Ein Jahr nach der Finanzkrise einige Schlagzahlen des Statisti schen Landesamts: „Umsatzwachstum der Südwestindustrie real 2 %“, „Für das vierte Quartal immer noch ein Wachstum erwartet“, „Die Steuereinnahmen um 6,5 % bisher gestiegen“, „Positive Entwicklung der kommunalen Einnahmen“. Im Gegensatz dazu Schlagzeilen von „Spiegel online“ von vorges tern: „Industrieproduktion in Europa bricht drastisch ein“ und „EU-Kommission erwartet Nullwachstum in Deutschland“.
Wir haben alle die begründete Hoffnung, dass sich BadenWürttemberg von den internationalen Entwicklungen absetzen kann.
Dazu passt auch gut eine repräsentative Umfrage unter 216 Topentscheidern der baden-württembergischen Wirtschaft, eine Umfrage, deren Ergebnis dieser Tage in der Presse veröffentlicht wurde. „Heilbronner Stimme“:
„93 % bewerten den Standort mit ‚sehr gut‘ oder ‚gut‘“.... Mehr als jeder Dritte erwartet in den nächsten zwölf Monaten eine weitere Verbesserung seiner Lage …
Demgegenüber erwarten im übrigen Deutschland lediglich 6 % eine Verbesserung der Konjunktur. Das ist der Optimismus unserer Unternehmen, der begründet ist durch Hightech, der begründet ist durch Dienstleistungen und der begründet ist durch einen funktionierenden Bankenstandort, an dem für die mittelständische Industrie, für unsere mittelständischen Unternehmen jederzeit Kreditverfügbarkeit vorhanden ist.
In diesem Zusammenhang passt meines Erachtens auch ganz gut, was sich zwischen Zuffenhausen und Wolfsburg derzeit abspielt. Es ist erstaunlich, was wir auch dazu an Schlagzeilen lesen. Die „Stuttgarter Nachrichten“ schreiben in einem Kommentar vom 27. Oktober:
Dass ein Zwerg wie Porsche auch nur den Versuch wagen könnte, Europas Autogiganten Nummer 1 zu übernehmen, war unvorstellbar.
Und doch, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir sind knapp davor. Das ist, glaube ich, eine erfreuliche Nachricht für Baden-Württemberg. Das ist ein erfreuliches Beispiel für eine erfolgreiche Unternehmensführung in Baden-Württemberg. Sie war erfolgreich, allerdings begleitet durch die Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Politik in Baden-Württemberg hat zu Recht gefragt, ob 25 % Mitbeteiligung, wie es das Aktiengesetz vorschreibt, nicht beachtet werden müssen und ob es individuelle Verträge bei VW geben kann, die davon abweichen.
Die Politik in Baden-Württemberg hat zu Recht gesagt: Baden-Württemberg ist ein guter Standort für die Automobilindustrie. Baden-Württemberg ist auch ein guter Lenkungsstandort für Wolfsburgs Massenproduktion, für die Kleinwagen, die dort produziert werden, und auch ein guter Standort für das Unternehmen Audi, das in Neckarsulm zu Hause ist.
Ein zweiter Punkt, der mit dem ersten Punkt eng zusammenhängt, ist der Arbeitsmarkt. Wir hatten in Baden-Württemberg im September 2008, ein Jahr nach Ausbruch der Finanz- und Konjunkturkrise, eine Arbeitslosenquote von 4 % und im Oktober eine Arbeitslosenquote von 3,9 %. Wir haben eine Ar
beitslosenquote, die so niedrig ist wie nie zuvor. Die Finanzmarktkrise tobt seit einem Jahr, aber in Baden-Württemberg ist sie auf dem Arbeitsmarkt nicht angekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir auch alles tun, dass das so bleibt; denn Vollbeschäftigung ist die beste Sozialpolitik. Mit diesen Zahlen haben wir das fast erreicht.
Warum ist Baden-Württemberg in Wirtschaft und Arbeitsmarkt so gut? Warum ist Baden-Württemberg bei Hochtechnologien so gut? Weil wir die entscheidenden Anstrengungen in der ureigenen Landespolitik vorgenommen haben, indem wir in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung – wir haben einen Forschungs- und Entwicklungsanteil von 3,9 % und damit eine Spitzenposition – die entscheidenden Gelder zur Verfügung gestellt haben. Wir haben eine hervorragende Ausgangslage. 50 % unserer Absolventen sind im Hochschulbereich tätig. Wir tun alles, dass die Arbeitsplätze, die in der Hochtechnologie schwierig zu besetzen sind, auch in Zukunft von unseren Unternehmen besetzt werden können, und wir haben durch unsere Politik dazu beigetragen und die Grundlage dafür gelegt, dass Wachstum und Beschäftigung, dass Wirtschaft und Arbeitsmarkt gesichert werden, dass die Zukunft in Baden-Württemberg stattfinden kann.
Ein letzter Satz sei mir zur Bankenstruktur erlaubt. Wir haben in den letzten Wochen hier in diesem Hohen Haus mehrfach darüber diskutiert. Ich glaube, die Lage, wie sie sich weiterentwickelt hat, hat uns in dem, was wir hier gesagt haben, bestätigt. Baden-Württemberg ist in seiner Bankensituation sehr gut aufgestellt. Die Landesbank Baden-Württemberg hat sich in schwierigster Zeit exzellent behauptet. Den Bürgerinnen und Bürgern, die sich auch in Baden-Württemberg – das ist völlig verständlich – gefragt haben: „Ist mein Geld noch sicher, und kann ich auf meine Bank vertrauen?“, konnte mit Berechtigung gesagt werden: „Ja, dein Geld ist sicher; du kannst auf diese Banken vertrauen, und du kannst dein Geld dort anlegen.“ Deswegen glaube ich, dass die Landesbank Baden-Württemberg auch für die Zukunft sehr gut gerüstet sein wird.
Größe wird eine Rolle spielen – wenn man sieht, wie sich die Commerzbank und die Dresdner Bank zusammenschließen oder wie sich die Deutsche Bank und die Postbank verständigen. Aber Größe allein und um jeden Preis wollen wir nicht unterstützen.
Deswegen sagen wir: Es kommt auf die betriebswirtschaftliche Situation an. Eine Fusion, wenn sie unter Banken, unter Landesbanken denn notwendig sein sollte, muss auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll sein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der seit Jahrzehnten schwierigsten Situation der Weltwirtschaft ist es nicht angemessen, nur mit Gemeinplätzen über die „Insel der Seligen“ in Baden-Württemberg zu reden. Es geht auch nicht an, von strukturellen Problemen abzulenken, die wir im Weltfinanzsystem haben, aber auch in der Art und Weise, wie in Europa Finanzen und Wirtschaft an den Börsen gehandelt werden.
Denn eines ist klar: Die Auswüchse des Kapitalismus, die wir jetzt erleben durften, sind nicht einfach das moralische Versagen Einzelner, bei denen wir mit Predigten vorankommen würden, sondern es sind Mängel im System, Fehlanreize, die behoben werden müssen, um das bewährte Modell der sozialen Marktwirtschaft zu erneuern und für die Zukunft zu bewahren.
Alle wissen heute, dass neben der Dynamik der Marktwirtschaft ein handlungsfähiger Staat unabdingbar ist. Herr Hundt hat auf der Arbeitgebertagung sogar von einem „starken Staat“ gesprochen,
der den Ordnungsrahmen unbedingt vorgeben müsse. Dieser starke Staat muss kein „fetter“ Staat sein, aber ein Staat, der dort zupackt, wo es notwendig ist, der Rahmenbedingungen für die Marktwirtschaft setzt und der vor allem dafür sorgt, dass er als Staat die notwendigen Einnahmen zur Verfügung hat – und deshalb auch konsequent z. B. gegen Steuerhinterziehung und Steueroasen im internationalen Umfeld vorgeht.
Dieser Ordnungsrahmen muss in den nächsten Monaten international und europaweit abgestimmt, aber auch im nationalen Rahmen verbessert werden. Es geht um Einzelfaktoren wie das Verbot von schädlichen Leerverkäufen und um verbesserte Eigenkapitalregeln für Banken, wenn es darum geht, Kredite zu verbriefen. Es geht aber auch darum, das bewährte Dreisäulenmodell der deutschen Banken in die Zukunft fortzuschreiben.
Wir haben gemeinsam mit der CDU vorgeschlagen, dass die Gewährträgerhaftung auch ein Element für die Zukunft von öffentlich-rechtlichen Banken sein könnte. An diesen Vorschlag will ich erinnern. Er zeigt, dass wir in der Auseinandersetzung über die Sinnhaftigkeit angloamerikanischer Bankenmodelle eine Gezeitenwende haben. Wir brauchen einen starken öffentlich-rechtlichen Sektor,
wir brauchen starke Volks- und Raiffeisenbanken neben den Privatbanken in Deutschland, meine Damen und Herren.
Gerade in Zeiten konjunktureller Unsicherheit ist es besonders wichtig, dass die Politik verantwortungsvoll und entschieden handelt. Dies hat die Bundesregierung mit ihrem
Rettungspaket in vorbildlicher Weise getan. Umso wichtiger ist es, jetzt, in den nachfolgenden Wochen und Monaten, nicht hektisch mit einzelnen Vorschlägen die Republik zu behelligen.
Deshalb muss ich schon sagen: Das Bild, das die Landesregierung in der letzten Zeit abgegeben hat, überzeugt mich nicht. Da wurde eine Abwrackprämie für Kfz ins Gespräch gebracht und verschwand schnell wieder in der Versenkung. Dann braucht man jetzt offensichtlich eine Aussetzung der Kfz-Steuer – die sinnvoll ist, sinnvoller als eine Abwrackprämie, die aber von dem eigentlichen Problem ablenkt, nämlich der Neuordnung der Kfz-Steuer, die seit Wochen und Monaten auf sich warten lässt.
Hinzu kommt, dass die Landesregierung bei dem Thema VWGesetz völlig unnötig in Opposition zu den Beschäftigten im eigenen Land gegangen ist. Das geht so weit, dass Herr Oettinger sich nicht mehr vor die Werkstore von Audi getrauen darf.
Eines ist doch klar, Herr Scheffold. Sie haben gefragt: „Braucht man dieses VW-Gesetz noch?“ Die Kanzlerin hat Ihnen die Antwort gegeben.
(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Gute Kanzlerin! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ul- rich Rülke FDP/DVP: Seit wann ist sie denn Ihre Säulenheilige? – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Sie ist keine Säulenheilige, aber wo sie recht hat, hat sie recht!)
Die Bundesregierung hat Ihnen die Antwort gegeben. Deshalb verstehe ich nicht, weshalb Sie gegen ein Instrument anrennen, das modernisiert gehört und das jetzt auch modernisiert wird und das die Stabilität der deutschen Automobilwirtschaft sichert.
Eines geht aber auch nicht: dass man, wie Herr Oettinger das in den letzten Tagen getan hat, plötzlich leichtfertig über einen Einstieg des Landes bei Daimler nachdenkt. Diese leichtfertigen Äußerungen, indem man einfach drauflosplappert, was man so tun könnte, bringen keine Sicherheit hinein und stabilisieren den Automobilstandort Baden-Württemberg in keiner Weise.
Der Unsicherheitsfaktor Landesregierung zeigt sich aber auch beim Umgang mit der eigenen Landesbank. Ich zitiere Herrn Stächele aus einem Interview mit dem „Reutlinger GeneralAnzeiger“ zu dem Thema „Schutzschirm für die LBBW“. Da sagt er zunächst einmal, er würde es richtig finden, wenn wir solidarisch wären und sich alle den Schutzschirm zu eigen machten. Das ist eine gute Aussage, aber jetzt stellt sich eine Frage, zu der ich Sie schon einmal bitte, Klarheit in Ihren Aussagen zu schaffen. Sie sagen, außerdem müssten alle Landesbanken, also auch die LBBW, darüber nachdenken, wie die Eigenkapitalquote erhöht werden kann. Ja, Herr Stächele, was heißt das denn? Heißt das, dass der Bund bei der Landesbank Baden-Württemberg einsteigen soll, übrigens verbunden mit der Frage nach dem entsprechenden Mitwirkungsrecht bis hin zu der Frage, ob er als Eigentümer mit am Tisch sitzt? In der
Sondersitzung des Finanzausschusses zum Rettungspaket waren Sie noch fest der Überzeugung, dass diese Einstiegsklausel des Bundes für Landesbanken nicht gilt. Inzwischen wissen wir, dass das Gegenteil der Fall ist, dass der Bund nämlich dann, wenn er Eigenkapitalhilfen an Landesbanken gewährt, auch Miteigentümer werden kann. Wie stellen Sie sich das vor, und sind Sie wirklich der Auffassung, dass die LBBW Eigenkapitalhilfen braucht?