Protocol of the Session on June 5, 2008

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Anwesende, vorhin haben wir einen tiefen Einblick in den Alltag unserer Gefängnisse genossen; betrachten und beobachten Sie uns weiter beim Schwarzer-Peter-Spiel.

(Heiterkeit bei der CDU – Abg. Norbert Zeller SPD: Fahren Sie auf der Wiese mit dem Auto? – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Er hat einen Off- roader! – Heiterkeit)

Ich fahre wie viele andere Bürger in diesem Land auch immer einmal wieder auf unseren Straßen, und dieses Horror szenario – das ist wirklich das Interessante –, das von eurer Seite publiziert wird, ist mir ein Rätsel. Denn auch wir sprechen mit vielen Bürgern, die immer wieder sagen: Es gibt manches, was verbessert werden muss, aber bei der Frage, wie und was gebaut wird, hat man den Eindruck, dass Geld keine Rolle spielt. Wenn öfters maßvoll vorgegangen und wirklich nach dem gebaut würde, was notwendig ist, könnte man die eine oder andere zusätzliche Maßnahme tatsächlich realisieren.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Deswegen Priorisierung!)

Ich brauche Ihnen jetzt keine Beispiele aufzuzählen; die kennen Sie besser als ich.

Stellen Sie sich vor, sehr geehrte Damen und Herren, wir hätten eine Prioritätenliste – nach objektiven Kriterien aufgestellt, nachvollziehbar, nachprüfbar, mit einer Kosten-NutzenAnalyse versehen, von unabhängigen Leuten aufgestellt und durch das Parlament bestätigt – für die Bundesstraßen und die Landesliste.

(Zuruf von der SPD: Die Landesliste?)

Das ist eine grauenvolle Vorstellung. Der Arbeitsnachweis für die meisten Abgeordneten wäre hinfällig.

(Heiterkeit)

Sie könnten nicht mehr mit stolz geschwellter Brust sagen: „Ich war es, der Ihnen diesen Kilometer Asphalt beschert hat!“

(Heiterkeit – Beifall bei den Grünen und der SPD)

Als die Bundesstraßenliste bekannt wurde, gab es vor Ort einen Aufschrei, weil nicht alle Projekte in den Vordringlichen Bedarf aufgenommen wurden. Es gab auch in diesem Haus interessierte Kreise, die zwischen Priorisierung der Planung und Baubeginn nicht unterscheiden wollten.

Der Rechnungshof hat zu Recht gesagt: „Plant nur so viel, wie in den nächsten zehn Jahren auch verbaut werden kann, und plant nicht auf Halde. Denn wenn ein Projekt dann realisiert werden könnte, ist der Plan veraltet und muss weggeworfen werden.“ Das war ein vernünftiger Hinweis des Rechnungshofs. Ferner meinte er: „Plant nicht, um den Bürgern vor Ort Sand in die Augen zu streuen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Plant vielleicht auch einmal so, dass die Prüfung und die Wirkung einzelner Projekte in einem Netzzusammenhang vorgenommen werden.“ Ich will zwei Beispiele nennen.

(Zuruf von der CDU: Das ist ein Obergscheitle! – Heiterkeit)

Gut, dass Sie es gemerkt haben.

(Heiterkeit – Zurufe)

Kann ich noch ein bisschen weitermachen?

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Haben Sie nicht die Ironie gemerkt?)

Bei manchen Leuten – dazu zählt ihr auch – muss man dazusagen „Ironie!“, bevor man es merkt, vor allem, wenn sie so bemüht waren.

Freiburg, Kappler Tunnel: gebaut. Stadttunnel, letzter Platz auf der Prioritätenliste. Anderes Beispiel: Tübingen, B 27, bis zur Stadtgrenze ausgebaut, Schindhautunnel für die Entlas tung der Stadt, vorvorvorletzter Platz. Weil es keine nachprüfbaren Kriterien gibt, dürfen böse Zungen behaupten, die Priorisierung habe vielleicht auch damit zu tun, wer das Eröffnungsband der jeweiligen Tunnel durchschneidet.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das war der Kollege Boris Pal- mer!)

Weil wir – da machen wir uns nichts vor – eine objektive Lis te nicht erhalten werden, bleibt für mich persönlich der Kampf der SPD für diese Liste ein Rätsel. Wer durch die Lande fährt und sich die realisierten Projekte und die Planungen ansieht, der weiß, wie viele überdimensionierte, aufgeblähte Projekte wir realisiert haben oder zu realisieren beabsichtigen. Ich nenne die Brücke Zwingenberg, die L 1115 Mundelsheim–Backnang, die eine oder andere Ortsumfahrung. Geld spielt scheinbar keine Rolle.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Finden Sie das gut?)

Die SPD stellt jeden Tag einen Antrag zum Zustand der Landesstraßen – für jeden Kreis einen eigenen Antrag. Nach den bisherigen Stellungnahmen sind knapp 50 %, 45 % in schlechtem bis sehr schlechtem Zustand. 73 % der Finanzmittel für

den Straßenbau bis 2011 werden für Neu- und Ausbau ausgegeben.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Strukturelles Problem!)

Wir sollten umsteuern und uns mehr für den Erhalt unserer bisherigen Straßen einsetzen. Dann könnten wir den Flächenfraß durch Straßenbau reduzieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die FDP/DVPFraktion erhält Herr Abg. Bachmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Abg. Ingo Rust SPD: Jetzt sind wir gespannt, ob Herr Bachmann mehr zu den Landesstraßen sagt als seine Kollegin von der CDU!)

Kennen Sie Weimar? Dann können Sie schwärmen: die Weimarer Klassik um Goethe, Schiller und Herder, das Bauhaus, die Gründung der ersten Republik auf deutschem Boden.

Aber nicht nur Weimar selbst ist ein Ort zum Schwärmen, auch der Weg nach Weimar lässt das Herz höher schlagen. Man kann im Thüringer Wald eine kaum befahrene Autobahn erleben, die nur aus Tunneln und Brücken besteht. Und dann fahren Sie einmal von hier nach Ulm.

Lassen Sie mich mit Goethe sagen:

Gewiss, ich wäre schon so ferne, ferne, so weit die Welt nur offen liegt, gegangen, bezwängen mich nicht übermächt’ge Sterne …

Auf der Strecke nach Ulm bezwingen nicht die Arme einer schönen Frau, die Goethe meist aufgehalten haben, sondern bezwingt vielmehr der Dauerstau zwischen Aichelberg, Mühlhausen und Merklingen. Wenn Sie dann weiter im Ländle unterwegs sind, stellen Sie fest, dass die Ost-West-Verbindungen auch im Norden – ich nenne als Beispiel nur die A 6 – oder im Süden – ich nenne die B 31 – überlastet und unterdimensioniert sind. Bei den Nord-Süd-Verbindungen ist es kein Stück besser.

Liebe Genossinnen und Genossen,

(Abg. Ingo Rust SPD: Wir nehmen nicht jeden auf!)

wir danken Ihnen für diesen Antrag. Es müssen wahrlich Prioritäten gesetzt werden, aber diese Prioritäten müssen nicht in Baden-Württemberg, sondern für Baden-Württemberg gesetzt werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Die richtige Frage ist nicht, ob wir zuerst die Schlaglöcher auf der A 8 oder auf der A 5 stopfen, sondern warum es bei uns so viele Schlaglöcher und im Thüringer Wald nagelneue Brücken-Tunnel-Kombinationen gibt. Die Prioritäten auf Bundesebene sind falsch gesetzt, nämlich gegen Baden-Württemberg,

gegen die wirtschaftsstarken Regionen und gegen die Zukunft.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Schon die Römer wussten: Wohlstand kommt auf guten Straßen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sagen Sie Ihrem Genossen Tiefensee, er solle die richtigen Prioritäten setzen. Wir sollten uns nicht damit aufhalten lassen, einzelnen Straßen die Priorität vor anderen einzuräumen.

(Zuruf des Abg. Ingo Rust SPD)

Wir müssen im Interesse unseres Landes an einem Strang ziehen und dafür sorgen, dass unsere Straßen in einen Zustand versetzt werden, der der Wachstumskraft unserer Wirtschaft entspricht. Wir fordern deshalb mit allem Nachdruck ein „Straßenbauprogramm West“.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Geht doch nach drüben!)

In Baden-Württemberg gibt es eine vernünftige Planung für den Bau von Bundesfernstraßen. Wir haben aber seit Jahren einen Überhang – Kollegin Razavi sagte es schon – der Planung vor der Realisierung. Für die Planung ist das Land zuständig, für die Realisierung der Bund. Deshalb sage ich mit aller Deutlichkeit: Es ist die Aufgabe des Bundes, es ist die Aufgabe der Bundesregierung, es ist die Aufgabe von Bundesminister Tiefensee, dafür zu sorgen, dass bei uns die erforderlichen Mittel für die Realisierung der geplanten Projekte zur Verfügung gestellt werden.