Protocol of the Session on June 5, 2008

Aber das ist nicht das Thema der heutigen Debatte.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Situation in unseren Justizvollzugsanstalten so ist, dass moderne Technik etwas Verbotenes ermöglicht und die Anstalten offensichtlich nicht mehr in der Lage sind, mit den herkömmlichen Mitteln dieses Problem in den Griff zu bekommen. Dabei darf man sicherlich feststellen, dass der Personalabbau in den Justizvollzugsanstalten in den letzten Jahren sein Scherflein dazu beigetragen hat, dass das illegale Tun einzelner Gefangener nicht mehr so effektiv kontrolliert werden kann.

Schaffen wir heute also eine Rechtsgrundlage. Die Notwendigkeit hierfür sehen wir ein; denn es ist verboten, in Gefängnissen mit dem Handy zu telefonieren. Deswegen müssen wir dagegen vorgehen.

Herr Zimmermann, ich stimme ja nicht immer mit Ihnen überein, aber ich stimme durchaus mit Ihnen in der von Ihnen aufgeworfenen Frage überein, was das Gesetz eigentlich nützt, wenn wir noch nicht einmal in der Lage sind, den normalen, genehmigten, erlaubten Telefonverkehr in der Weise zu kontrollieren, wie es den Vorschriften des Justizvollzugsgesetzes entspricht. Zu diesem Problem würden wir gern noch etwas von Ihnen hören, Herr Justizminister, vor allem auch im Zusammenhang mit der Privatisierung des Telefonierens. Seit 2006/07 sind die Telefonzeiten für die Häftlinge mittlerweile wohl in allen Justizvollzugsanstalten des Landes verlängert worden; überall sind auch private Betreiber vertreten. Das führt sicherlich zu größeren Problemen bei der Kontrolle, und dazu würden wir gern noch etwas hören.

Auch zu den Kosten würden wir gern noch mehr erfahren. Der Betrag von 1 Million € pro Anstalt ist ja schon etwas abschreckend. Aber wir dampfen das Ganze jetzt einmal auf Offenburg ein und machen dort einen Pilotversuch.

Natürlich interessiert uns noch die Frage des Empfangs in der Umgebung. Zwar stimmt der Hinweis, auch in anderen Teilen des Landes gebe es Funklöcher. Einige der Justizvollzugsanstalten im Land liegen jedoch in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohnsiedlungen. Von Heidelberg und Mannheim weiß ich, dass das der Fall ist; dort bin ich zu Hause, daher kann ich das sagen. Wir wollen natürlich nicht, dass die Bevölkerung in der unmittelbaren Umgebung durch die Störsender am Telefonieren gehindert wird.

In diesem Zusammenhang würden wir auch gern wissen, welche Strahlenwirkung diese Störsender zusätzlich innerhalb der Haftanstalten haben. Dass von ihnen Strahlungen ausgehen, wissen wir. Wir möchten wissen, welche Risiken hierdurch für die dort tätigen Bediensteten, aber selbstverständlich auch für die Insassen entstehen. Ich meine, diese Frage kann man nicht immer nur als Quantité négligeable behandeln.

Das sind die kritischen Fragen, die wir gern beantwortet haben würden, soweit dies heute möglich ist. Darüber hinaus sind wir durchaus dafür, hier die notwendige Rechtsgrundlage zu schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich bin wohl der Einzige, der klatscht!)

Ich bedanke mich ausdrücklich, Herr Zimmermann.

Für die Fraktion der FDP/DVP erhält Herr Abg. Dr. Wetzel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in BadenWürttemberg die sichersten Vollzugsanstalten in ganz Deutschland.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Unter der Leitung unseres Justizministeriums sind die Justizvollzugsanstalten in den letzten zehn Jahren immer sicherer geworden. Hierzu einige wenige Zahlen: 2007 gab es drei Ausbrüche, 2006 keinen, 2005 nur einen Ausbruch, 2004 sechs Ausbrüche, 2003 zwei Ausbrüche usw. Diese Zahlen sind also rückläufig, wenn man sieht, dass es beispielsweise im Jahr 1995 noch 18 Ausbrüche gab. Sie sehen, hier haben wir eine ganz erfreuliche Entwicklung.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Thema verfehlt!)

Aber wir wollen natürlich, dass die JVAs noch sicherer werden und dass ein Ausbruch nicht möglich ist. Hierzu ist es erforderlich, dass der unkontrollierte Kontakt der Gefangenen zur Außenwelt unterbunden wird, dass er einfach nicht möglich ist.

Herr Zimmermann, Sie haben vorhin die Möglichkeit der Rufweiterleitung angesprochen. Das ist sicherlich ein Problem, dem nachgegangen werden muss, möglicherweise ebenfalls auf technische Art und Weise. Möglicherweise gibt es Einrichtungen, die bewirken, dass ein Telefonat, wenn versucht wird, es weiterzuleiten, abgebrochen wird. Das könnte ja sein.

Vielleicht ist das technisch möglich, das müsste man überprüfen. Wenn dies technisch möglich ist, dann könnte man das ebenfalls verhindern.

Unerlaubte Mobilfunkgespräche Gefangener stellen eine ganz erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung bei uns im Land dar. Wir haben gehört, dass Drogen in die Anstalt geschmuggelt werden, dass der Drogenhandel vom Gefängnis aus organisiert wird. Natürlich ist es auch möglich, mit Handys Ausbrüche zu organisieren.

Wir wollen durch dieses Gesetz erreichen, dass beides verhindert wird. Der tatsächliche Bedarf ist gegeben. Kollege Sakellariou hat darauf hingewiesen: Im Jahr 2006 gab es in JVAs 171 Handyfunde, 153 Handyfunde waren es im Jahr 2007. Dagegen muss man natürlich arbeiten.

Wir fragen uns natürlich, wie so etwas überhaupt möglich ist. Wie kommt ein Handy unerlaubt in ein Gefängnis? Meine Damen und Herren, auch hier gilt der Grundsatz: Not macht erfinderisch. Die Insassen von Vollzugsanstalten haben den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als sich so etwas zu überlegen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Wenn sie genug Ar- beit hätten, hätten sie nicht so viel Zeit zum Den- ken!)

Da kommen sie natürlich auf die tollsten Ideen. Die Handys werden immer kleiner. Ich habe mir sagen lassen, dass die Handys auseinandermontiert und in Teilen in das Gefängnis transportiert werden. Sie sehen, Not macht erfinderisch. Da kommen Gefängnisinsassen auf die tollsten Ideen.

Mit dem Gesetz zur Verhinderung des Mobilverkehrs auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalten

(Abg. Ingo Rust SPD: Mobilfunkverkehr!)

soll in Baden-Württemberg der Einsatz technischer Mittel zur Unterdrückung von Mobilverkehr in JVAs ermöglicht werden.

(Abg. Ingo Rust SPD: Funkverkehr!)

Erfreulich ist, dass das Gesetz von allen Fraktionen gutgeheißen wird, auch von der Opposition. Das ist natürlich zu begrüßen. Es wäre erfreulich, wenn es immer so wäre, aber dann wäre es langweilig.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Dann wäre es lang- weilig! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Dann bräuch te man keine Opposition mehr! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Träumen Sie weiter! – Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD – Abg. Nikolaos Sakella- riou SPD: Ihr habt ausnahmsweise etwas richtig ge- macht!)

Im Anhörungsverfahren hat lediglich der Branchenverband BITKOM diese Möglichkeit infrage gestellt. Das finde ich schade. Demgegenüber hat sich die Bundesnetzagentur positiv geäußert.

Wie soll das Gesetz umgesetzt werden? Der erste Einsatz ist in der teilprivatisierten JVA Offenburg geplant. Die Kosten wurden schon angesprochen, diese sind aber im Haushalt be

reits berücksichtigt. Um die räumliche Begrenzbarkeit dieser Maßnahmen zu überprüfen – auch das wurde bereits angesprochen –, wird in der Justizvollzugsanstalt Waldshut-Tiengen in der Außenstelle Lörrach diese Störeinrichtung ebenfalls geprüft, um zu sehen, wie groß die Reichweite der Störsender ist, ob die Umgebung in Mitleidenschaft gezogen wird bzw. benachteiligt wird oder nicht. Die insgesamt zu erwartenden Kosten sind, wie ich schon gesagt habe, im Haushalt bereits berücksichtigt.

Herr Zimmermann hat es auch schon angesprochen: Mit diesem Gesetz ist das Land Baden-Württemberg in ganz Deutschland führend. Hier liegt meines Erachtens auch der Schlüssel für die Zukunft. Wenn sich die anderen Bundesländer dafür entscheiden, diese Störeinrichtungen in ihren JVAs ebenfalls einzurichten, werden sich die Kosten nach dem Gesetz der fixen Kosten – wenn mehr produziert wird, dann werden sich die Kosten reduzieren – in Zukunft reduzieren.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Wie bei der Wind- energie!)

Ich hoffe, dass die anderen Bundesländer auch in dieser Richtung ebenfalls so fortschrittlich wie Baden-Württemberg sind und diese Störeinrichtungen installieren.

Ich danke unserem Justizminister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen Gesetzentwurf. Durch sinnvollen Einsatz moderner Technik auf der Grundlage des neuen Gesetzes werden unsere JVAs noch sicherer.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich Herrn Justizminister Dr. Goll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich mich bei meinen Vorrednern dafür bedanken, dass sie ihre Unterstützung für diesen Gesetzentwurf in Aussicht gestellt haben.

Man ist sich in der Tat nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa darüber einig, dass man das Telefonieren mit Handys in Vollzugsanstalten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln unterbinden sollte. Denn es ist ziemlich klar, dass auf diesem Weg z. B. Rauschgiftschmuggel verabredet und möglicherweise sogar eine Flucht vorbereitet wird oder aber Straftaten außerhalb des Gefängnisses gesteuert werden. Das geht natürlich mit keinem anderen Gerät so gut wie mit einem winzig kleinen Handy, das man in Teilen einschleusen kann.

Dieser Schmuggel ist schwer zu verhindern, obwohl wir seit einer ganzen Reihe von Jahren kein Personal in den Vollzugsanstalten reduziert haben. Das muss man dazusagen. Es ist natürlich für die Bediensteten schwierig, alles zu verhindern.

Jetzt haben wir technische Möglichkeiten, und wir haben die gesetzgeberische Kompetenz, etwas zu tun. Wir können den Mobilfunkverkehr in Vollzugsanstalten blockieren. Damit sind nicht alle einverstanden. Es gibt einen naturgemäßen – so möchte ich fast sagen – Widerstand aus Teilen derer, die selbst Mobilfunkeinrichtungen betreiben und vertreiben. Da gibt es

eine bestimmte Skepsis, weil man Angst hat und nach dem Motto „Wehret den Anfängen“ befürchtet, dass, wenn man es bei den Vollzugsanstalten macht – ich höre, dass es auch in der Sixtinischen Kapelle so gemacht worden ist, weil dort vielleicht zu viel mit dem Handy telefoniert wurde –,

(Abg. Ingo Rust SPD: Der Landtag! Das Nächste ist der Landtag! – Vereinzelt Heiterkeit)

dann bald weitere Plätze hinzukommen. Dieser Widerstand ist vielleicht auch ein bisschen der Nährboden für manches Argument unterschiedlicher Art und Güte, das jetzt dagegen ins Feld geführt wird. Aber ich glaube, man kann hier sagen: Alle Argumente lassen sich eigentlich lückenlos widerlegen. Ich gehe nur auf drei Argumente ein.

Das wichtigste auf der Hand liegende Argument, das gelegentlich genannt wird, ist, man könne die Wirkung vielleicht nicht ausreichend begrenzen. Erstens gibt es in der Schweiz eine Anstalt, die es hat. Diese Anstalt haben wir uns selbst angesehen. Dort geht es. Zweitens nähern wir uns der Sache natürlich mit der gebotenen Vorsicht. Offenburg wird z. B. parzelliert, wenn man so will: In einzelnen kleinen Teilen kann man die Maßnahme dort anwenden. Dort werden wir sehr genau sehen, wie weit dann die Störwirkung reicht. Dort kann man es räumlich dosieren und auf einzelne Teile der Anstalt eingrenzen.

In Lörrach werden wir es außerdem mit einer zweiten, klei neren Anstalt probieren, um zu klären: Kann man das wirklich auf den Bereich einer Anstalt beschränken? Das nehmen wir schon ernst. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass das geht, zumal es Beispiele gibt, bei denen es funktioniert.

Die beiden weiteren Argumente habe ich jetzt gerade wieder im „Focus“ gelesen. Das erste davon ist: Die Polizei hat Sorgen, dass man keine Gespräche auf dem Handy mehr abhören kann. Natürlich bleiben alle bisherigen Möglichkeiten erhalten: abhören und vor allem auch orten. Das wird auch technisch weiterentwickelt. Keine der bisherigen Optionen wird aufgegeben. Es kommt eine neue Option hinzu, nämlich die Störung, zu der ich gleich komme.

Aber beim Abhören muss man sich natürlich auch im Klaren darüber sein: Die Betroffenen sind selten mit ihrem Namen und der Adresse der Vollzugsanstalt im Telefonverzeichnis enthalten. Daher muss man sich in der Regel erst die Daten beschaffen, z. B. über einen IMSI-Catcher. Das ist natürlich ein sehr aufwendiges Verfahren. Aber die Möglichkeiten des Abhörens, z. B. auch gezielt im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, werden dadurch nicht beseitigt, und auch die Ortung bleibt weiter wichtig.