Protocol of the Session on November 29, 2007

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt kommt wie- der Sachlichkeit rein! – Widerspruch der Abg. Ursu- la Haußmann SPD)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin herausgekommen, um zu zwei Dingen etwas zu sagen.

Das Erste, Herr Kollege Kretschmann: Die Frage, ob diese Landesregierung in der Kontinuität der Zusage des Ministerpräsidenten Teufel steht, stellt sich heute nicht. Denn der Herr Ministerpräsident hat mit keinem Wort in seiner Rede gesagt, dass er hinter einer zweiten Start- und Landebahn stehe.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist ja gerade sein Problem! Er hat gar nichts gesagt! – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD – Unruhe bei der SPD)

Er hat vielmehr gesagt, dass die Sache nicht entscheidungsreif ist. Es ist eine reine Frage der Logik. Wenn ich auf dem Entscheidungsweg dazu komme, dass ich das nicht brauche, dann stellt sich die Frage nicht.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Erst dann, wenn ich auf diesem Weg zu einer positiven Entscheidung im Sinne des Flughafens käme, würde sich die von Ihnen aufgeworfene Frage stellen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau!)

Ein Zweites möchte ich noch sagen, was noch gar nicht angesprochen worden ist. In dem Antrag von SPD und Grünen steht wieder einmal drin, dass wir eine Luftverkehrskonzeption für das Land brauchen und machen sollen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Seit acht Jahren! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Schon lange überfäl- lig! – Abg. Alfred Winkler SPD: Statt Lufthoheit Luftkonzeption!)

Aber, meine lieben Kollegen von SPD und Grünen, eine der wichtigsten Fragen in dieser Luftverkehrskonzeption ist doch die Frage: Wie ist die Entwicklung unseres größten Flughafens in Baden-Württemberg? Zu dieser Frage wollen Sie doch heute schon eine Entscheidung. Dann aber braucht man doch gar keine Luftverkehrskonzeption mehr zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wir wollen den Ausbau nicht! Das ist doch logisch!)

Und wir sagen im Gegensatz zu Ihnen, Herr Drexler – Sie sagen: „Wir wollen den nicht“ –, dass wir noch nicht ganz genau wissen – –

(Zuruf von der SPD: Das ist Ihr Problem! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sie wissen das noch nicht? – Abg. Alfred Winkler SPD: Sie wissen noch nicht, ob Sie den Flughafen wollen oder nicht?)

Nein, wir wissen noch nicht genau, wie diese Frage ausgeht. Deswegen haben wir einen weiteren Klärungsbedarf, und diese Klärung werden wir herbeiführen. Dann erst wird eine Entscheidung getroffen werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann.

(Unruhe)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle fliegen gern billig, und sie fliegen gern billig ab Stuttgart. Aber ist das richtig so? Unsere Umweltministerin hat seit Langem vor den Folgen des ungebremsten Wachstums im Flugverkehr für die Umwelt gewarnt. Sie hat eine Klimaabgabe auf Dienstflüge nach Berlin durchgesetzt. Diese Klimaabgabe soll jetzt auf alle Billigflüge ausgedehnt werden. So weit, so gut.

Unsere Umweltministerin hat uns zu Beginn des Herbstes ein Gutachten vorgestellt, aus dem sich nicht nur ergibt, dass Lärm massiv gesundheitsschädlich ist, sondern auch, dass die Filder die am stärksten lärmbelastete Gegend des Landes sind. So weit, so gut.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau!)

Sie hat zudem die Reduzierung des Flächenverbrauchs zu einem Kernziel der Arbeit dieser Koalition erklärt. So weit, so gut.

Nun kam Georg Fundels großer Tag im Landtag von BadenWürttemberg. Er fordert eine zweite Start- und Landebahn für den Stuttgarter Flughafen. Die Folgen wären sechs Millionen Passagiere mehr, gleichzeitig über 15 000 Menschen, die in massivem Umfang nachweislich gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt werden sollen, und 180 ha Filderboden, die verbraucht werden. Herrn Fundel dürfen wir keinen Vorwurf machen. Als Geschäftsführer eines Unternehmens muss er sich über dessen Zukunft Gedanken machen. So weit, so gut.

Dann warten wir gespannt auf den Kommentar der Umweltministerin zu der Steigerung des Flugverkehrs, zum Fluglärm und zum Flächenverbrauch. Wir hören: nichts.

(Ministerin Tanja Gönner schüttelt den Kopf.)

Waren die Erklärungen zum Klimawandel, zum Lärm und zum Flächenverbrauch Sonntagsreden? Darf montags wieder ordentlich geflogen werden, wenn man seinen Obolus bezahlt? Ist die Klimaabgabe so eine Art Ablass? Ich zitiere: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“ Wir alle kennen den Ablassprediger Tetzel.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich den Trecker meines Schwiegervaters Otto Gönner für die Demo heraushole,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie könnten den gar nicht fahren! – Unruhe – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Zuhören!)

will ich auch noch die wirtschaftliche Seite betrachten; wir haben das heute schon getan.

Der Flughafen Stuttgart hat nach seinen eigenen Angaben jährlich 10,3 Millionen Passagiere. Nach seinen eigenen Gutachten will er diese Zahl bis zum Jahr 2020 auf 17,3 Millionen Passagiere jährlich steigern.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Jetzt zur Sache!)

Bis zu 14,1 Millionen Passagiere schafft der Flughafen ohne eine zweite Start- und Landebahn.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Und jetzt zur Landebahn! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP zur SPD: Lasst ihn doch schwätzen!)

Jetzt hören Sie doch einmal zu.

Es geht um 3,2 Millionen erhoffte – wohlgemerkt: erhoffte – Passagiere, die hinzukommen sollen. Werden die je ab Stuttgart fliegen? Haben denn die Gutachten überhaupt die Unsicherheitsfaktoren berücksichtigt?

Unsicherheitsfaktor Nummer 1 sind die steigenden Treibstoffpreise.

Unsicherheitsfaktor Nummer 2 ist die Steuerfreiheit des Flugbenzins. Auch unser Bundesparteitag hat die Besteuerung von Kerosin gefordert. Sie wird im Zuge des Klimawandels irgendwann kommen.

Unsicherheitsfaktor Nummer 3 ist die Klimaschutzabgabe, die wir für vernünftig halten, auf Flüge.

Unsicherheitsfaktor Nummer 4 ist eine Konzentration bei den Luftverkehrsgesellschaften. Wer den Strommarkt, den Gasmarkt und den gesamten Energiebereich beobachtet, stellt fest, dass es überall dort, wo nur wenige Gesellschaften am Markt sind, hohe Gewinne und hohe Preise gibt. Das wird das Fliegen nicht attraktiver machen.

Unsicherheitsfaktor Nummer 5 ist eine weitere Verschärfung von Sicherheitsstandards im Flugverkehr. Wir werden in star kem Umfang immer mit Terrorismusdrohungen konfrontiert sein.

Das sind fünf Faktoren, die mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit das Fliegen teurer und Billigfliegen damit irgendwann so unattraktiv machen, dass nur die 30 % Geschäftsflüge am Flughafen Stuttgart übrig bleiben werden. Dafür ist der Flughafen groß genug.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE und Wolfgang Drexler SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das F steht für Frei- heit!)

Das ist aber noch gar nicht alles.

Unsicherheitsfaktor Nummer 6: Wir bauen Baden-Württemberg 21. Die Bahn wird schneller und das Fliegen damit im Vergleich weniger attraktiv. Wer muss dann noch fliegen, wenn er nach Paris, nach München, nach Köln oder nach Amsterdam will?

Unsicherheitsfaktor Nummer 7: In unmittelbarer Nähe von Baden-Württemberg gibt es mit Frankfurt, Zürich und München drei Knotenpunkte des internationalen Luftverkehrs. Es ist sehr fraglich, ob der Flughafen Stuttgart als vierter Knotenpunkt von den Fluggesellschaften akzeptiert wird. Die Lufthansa, das wissen wir alle, will dies nicht.

Sieben Unsicherheitsfaktoren bei der Wachstumsprognose in den eigenen Gutachten des Flughafens! Es gibt freie Kapazi

täten für 3,8 Millionen Passagiere ohne zweite Start- und Landebahn. 600 Millionen € würden allein für den Bau der Ergänzungsbahn, wie Fundel sie nennt, und Hunderte von Millionen Euro weiterer Steuergelder für die Begleitinfrastruktur wie den Ausbau der A 8 – da ist schon gar kein Platz –, den Ausbau der B 27 usw. gebraucht. Ist es dann wirtschaftlich vernünftig, 1 Milliarde € zu verbauen, um erhoffte oder vielleicht nur erträumte Passagiere abzufertigen?

Kolleginnen und Kollegen, die FDP/DVP-Landtagsfraktion sieht in diesem Gutachten keine tragfähige Grundlage für den Bau einer zweiten Start- und Landebahn.