zuwenden, müssen Sie sehen und erkennen, dass wir auf einem ganz guten Weg sind. Die Zwischenbilanz – das muss ich sagen – ist hervorragend, vor allem wenn wir berücksichtigen, dass wir wirklich noch ganz am Anfang stehen. Die Umsetzung läuft jetzt etwa ein halbes Jahr lang. Aber es war uns von der CDU ein ganz großes Anliegen, früh darauf zu achten, dass die Umsetzung funktioniert und dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich kann nur sagen: Alle Achtung!
(Beifall des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU – Abg. Marianne Wonnay SPD: Da klatscht einer! – Bei- fall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Wenn man sich schon selbst loben muss, das ist sehr gefährlich!)
Sie erinnern sich vielleicht: Am 14. Februar dieses Jahres haben etwa 80 Verbände, Vereine, Organisationen und Institutionen im Land die Rahmenvereinbarung unterschrieben und sich bereit erklärt, als Partner in den Schulen daran mitzuwirken, dass wir diese zweite Säule des Ganztagsschulkonzepts, nämlich die Betreuung in den Schulen, umsetzen. Sie wollen dazu beitragen und wollen das mitgestalten.
Schon ein halbes Jahr später können wir feststellen, dass sich 250 Schulen bereit erklärt haben, in der Modellphase als Modellschulen daran mitzuwirken. Damit war nicht zu rechnen. Diese Zahl ist wesentlich höher als ursprünglich erwartet. Das Angebot stieß also auf eine ganz große Resonanz.
Von diesen etwa 250 Schulen befinden sich 77 % erst im Aufbau als Ganztagsschule. 23 % sind schon als solche anerkannt. Daran kann man sehen, was darin noch an Potenzial steckt. Derzeit sind in den Modellschulen etwa 2 700 Jugendbegleiter engagiert. Das heißt, in mehr als der Hälfte aller Schulen kommen vier bis zwölf Jugendbegleiter zum Einsatz. Ein Viertel von diesen Jugendbegleitern stammt aus Vereinen und Verbänden, und je zu einem Drittel kommen sie aus der Elternschaft und aus der Schülerschaft.
Ich kann nur sagen: Ziel erreicht. Das ist echt gut. Das ist wieder einmal ein Zeichen für das großartige ehrenamtliche Engagement, das wir in Baden-Württemberg haben und aktivieren können.
Wenn wir dazu noch hören, dass etwa 35 % dieser Jugendbegleiter ohne Aufwandsentschädigung zu arbeiten bereit
(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! In und an unserem Land!)
Ich muss sagen: Für mich ist da ein ganz wichtiger Aspekt dieses Ganztagsschulkonzepts verwirklicht und auf einem guten Weg, nämlich die Verzahnung von Schule und Gesellschaft. Das ist auch mir persönlich ein ganz großes Anliegen. Wir wollen mit dieser Idee des Jugendbegleiters ja der Gefahr entgegenwirken, dass Eltern ihre Kinder einfach in die Schule schicken und sich bestenfalls einmal oder zweimal im Jahr beim Elternabend sehen lassen. Wir wollen der Gefahr entgegenwirken, dass Kinder zwar möglicherweise auf höchstem Niveau unterrichtet werden, aber unter einer Art Käseglocke aufwachsen und immer weniger Alltags- und Lebenserfahrungen haben.
Wir wollen gern, dass ein Handwerksmeister, der aus verschiedenen Gründen – gesundheitlich oder altershalber – vielleicht beruflich ein bisschen kürzer tritt, am Nachmittag in die Schule kommt und mit den Jugendlichen eine am Morgen vielleicht abstrakt gelehrte Berechnung an einem Holz- oder Metallstück in die Praxis umsetzt und nachvollzieht. Wir wollen, dass ein jugendlicher Sportmentor, der eine Ausbildung im Schülermentorenprogramm erfahren hat, die Gelegenheit haben soll, mit nur wenige Jahre jüngeren Jugendlichen in Gruppen zu arbeiten und seine theoretischen Lehrgangserfahrungen bei den jüngeren Schulkameraden zum Einsatz zu bringen.
Wir wollen unsere Vereine, die durch die Ganztagsschulidee vor eine große Herausforderung gestellt werden, weil an den Nachmittagen dann weniger Zeit besteht, um in den Verein zu gehen, in die Schulen holen. Sie sollen dort für ihr Angebot, für ihre Sportart werben und auf diese Art und Weise möglicherweise neue Mitglieder für sich rekrutieren.
Ich bin der Meinung, die Sache läuft. Sie läuft zugegebenermaßen noch in den Kinderschuhen. Aber mehr kann man, glaube ich, nach einem halben Schuljahr überhaupt nicht erwarten. Auch der größte Teil der Beteiligten sieht die Umsetzung des Jugendbegleiterprogramms positiv. Was wollen wir mehr?
Mir ist auch ein wichtiges Anliegen, dass wir Vorhandenes vernetzen. Ich finde das einen ganz modernen, zukunftweisenden Ansatz. Man entwickelt nicht immer etwas Neues. Man schaut, was da ist. Wir haben schon vieles und Gutes, das Mentorenprogramm, die Jugendbegleiterausbildung. Wir haben höchst engagierte Eltern, die viel Arbeit einbringen. Wir haben viele qualifizierte Senioren, die sich gerne wieder für die Allgemeinheit engagieren wollen. Wir haben ein unglaubliches Potenzial an Sportvereinen und Verbänden. Unsere Schulen sind bereit, sich auf dieses Neue einzulassen. Auch Familien, Mütter, Lehrer, wirklich qualifizierte Leute, die eine Phase im Erziehungsurlaub verbringen, möchten nicht nur zu Hause sitzen, sondern auch mit anderen gemeinsam arbeiten. Diese Vernetzung finde ich unglaublich wertvoll.
Eines ist ganz klar: Ehrenamt kann keine Profis ersetzen. Das ist auch überhaupt nicht die Absicht. Die Jugendbegleiter sollen weder Psychologen noch Schulsozialarbeiter und schon gar nicht Lehrer ersetzen. Aber es gibt darüber hinaus unglaublich viele Einsatzmöglichkeiten, die enorm wichtig sind und die wir nicht gering schätzen sollten.
Für mich ist das Jugendbegleiterprogramm ein wirklich gutes Beispiel dafür, wie stark das Ehrenamt sein kann, wenn es professionell begleitet wird, wie gut es gelingen kann, die Zusammenarbeit über die Altersgruppen hinweg zu gestalten, wie Menschen von Mitmenschen lernen können. Es ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt, dass Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Persönlichkeiten in Kontakt kommen.
Der Lernort – das ist uns doch heute auch klar – ist nicht mehr nur die Schule. Der Wissensvermittler ist nicht mehr nur der Lehrer oder die Lehrerin. Außerhalb des Unterrichts kann enorm viel vermittelt werden. Manchmal schaffen es die Elternhäuser nicht. Insofern ist es toll, wenn wir die wirkliche Welt in die Schule hineinholen können.
Ein Aspekt ist mir ganz wichtig. Gutes muss nicht teuer sein. Es ist nicht immer nur einfach das gut, richtig, wertvoll und hilfreich, was sehr viel Geld kostet, sondern es geht auch anders.
Für mich ist die Zwischenbilanz absolut positiv. Ganz klar, wir werden noch optimieren müssen. Das steht außer Frage. Darauf können wir vielleicht später noch in einer zweiten Runde eingehen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir gerade gehört haben, war mehr oder weniger salbungsvolle Gebrauchslyrik und hat mit der Wirklichkeit nun wirklich relativ wenig zu tun.
Zunächst möchte aber auch ich feststellen: Natürlich ist es zu begrüßen – und zwar uneingeschränkt –, wenn sich Schulen für ihr gesellschaftliches Umfeld öffnen. Es ist zu begrüßen, wenn sich Ehrenamtliche in den Schulalltag einbringen. Das gilt für alle Schulen und wird von uns auch überhaupt nicht bestritten. Wenn es aber um die Strukturentwicklung von Ganztagsschulen geht – die zweite Säule, von der Frau Kurtz sprach –, dann ist das Jugendbegleiterkonzept der Landesregierung fragwürdig – aus pädagogischen, aus organisatorischen und aus schulpolitischen Gründen.
Erstens: Der Ausbau von Halbtags- und Ganztagsschulen bietet die einmalige Chance, die starren schulischen Zeit
strukturen aufzubrechen und den Schulalltag so zu rhythmisieren, dass er den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen nach einem Wechsel von Lernformen, von Lernangeboten, von Anspannung und Entspannung Rechnung trägt. Dazu brauchen die Ganztagsschulen aber eine gute Ausstattung an pädagogisch qualifiziertem Personal.
Was macht die Landesregierung? Um die ehrenamtlichen Jugendbegleiter zu finanzieren, werden Hunderte von Lehrerstellen umgewidmet, also de facto den Schulen entzogen. Die Landesregierung befördert so einen bedenklichen Trend zur Entprofessionalisierung im Bildungswesen.
Diese Situation, meine Damen und Herren, verschärft sich. Denn für Evaluationsaufgaben, für eine allgemeine Haushaltssanierung und durch die erhöhte Unterrichtsverpflichtung von Referendarinnen und Referendaren werden weitere, für die Bewältigung des Schulalltags notwendige Stellen dem System entzogen.
Zweitens: Eine Ganztagsschule, die aus vormittäglichem Unterricht und nachmittäglicher Betreuung durch Jugendbegleiter im Halbjahresrhythmus besteht, führt zu einem starken personellen Wechsel und kann die Bindung zwischen Kindern und Pädagoginnen und Pädagogen nicht gewährleisten. Auf der Basis von Halbjahresverträgen mit Jugendbegleitern lässt sich kein verlässliches Ganztagsangebot realisieren.
Drittens: Der Ausbau von Ganztagsschulen ist eine, wenn nicht d i e zentrale Herausforderung beim Umbau des Bildungssystems. Er muss dazu benutzt werden, die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern weiterzuentwickeln und zu verbessern. Diese Aufgabe kann nur von pädagogisch geschulten Kräften wahrgenommen werden. Denn die individuelle Förderung muss in einem engen Zusammenhang zum regulären Unterricht und zum gesamten Bildungs- und Entwicklungsfortschritt der Kinder und Jugendlichen gesehen werden.
Viertens: Ehrenamt ist ohne jede Einschränkung zu begrüßen. Aber, meine Damen und Herren: Freiwilliges Engagement ist selbst auch ein Ort des Lernens. Dieser Ort muss organisiert werden, und es bedarf permanenter Qualifizierung und Hilfestellung. Gute ehrenamtliche Arbeit ist an viele Voraussetzungen geknüpft, vor allem aber daran, dass man Ehrenamt nicht rein ehrenamtlich organisieren und koordinieren kann.
Ich fordere in diesem Zusammenhang eine in sich zusammenhängende Bildungs-, Ehrenamts- und Demokratiedebatte. Das scheint mir ein absolut notwendiger Appell zu sein. Denn diese drei Themen werden nicht konsequent und vor allem nicht gemeinsam diskutiert.
Die Folgen sind dann politische Querschläger. Jugendarbeit soll plötzlich einen Beitrag zur Tagesbetreuung leisten. Mütter sollen ihre Kinder an Schulen betreuen – Originalton Oettinger.
Jugendkunst- und Jugendmusikschulen sollen ihre Kunst an Schulen anbieten. Dies birgt die Gefahr einer Reduzierung dieses Angebots im regulären Unterricht und führt zu einer Konkurrenzsituation von Jugendbegleitern und Hauptamtlichen aus den Jugendmusikschulen.
Fünftens: Der Einsatz von Jugendbegleitern aus dem Feld der Wirtschaft ist zumindest quantitativ völlig misslungen. Hier fehlen weitgehend die dafür notwendigen Konzepte – genauso wie die Strukturen und die Ansprechpartner.
Der Start des Jugendbegleiterprogramms ist nicht zufällig in eine Zeit gefallen, in der insgesamt drastisch zurückgefahren wird, und zwar in Bezug auf den regulären Unterricht genauso wie in Bezug auf außerunterrichtliche Unterstützungsmaßnahmen.
Über die Streichung von Lehrerstellen habe ich schon gesprochen. Hinzu kommt: Rückzug aus der Schulsozialarbeit, Schlusslichtposition bei der Ausstattung mit Schulpsychologen im bundesweiten Vergleich, Kürzungen bei den Zuschüssen für Nachmittagsbetreuung, erneute Kürzungen bei den Kooperationsprojekten „Jugend – Arbeit – Schule“, Kürzungen bei der Förderung von Jugendbildung im Landesjugendplan.
Im Landjugendbereich führt das übrigens direkt zur Verminderung der Zahl der Bildungsreferentenstellen.
Meine Damen und Herren, das Jugendbegleiterprogramm hat schon zu Beginn seine Konstruktionsfehler drastisch offengelegt.