Protocol of the Session on October 27, 2010

Ein besonderes Anliegen waren uns im Rahmen der Dienst rechtsreform natürlich immer die Sonderaltersgrenzen für Po lizei und Feuerwehr. Daran halten wir fest. Das ist für uns ein unverzichtbarer Bestandteil der Zustimmung zu den neuen be amtenrechtlichen Regelungen. Beim Polizeivollzugsdienst, beim Werkdienst bei den Justizvollzugsanstalten und beim Einsatzdienst der Feuerwehr muss es wie bisher bei 60 Jah ren bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Damit nehme ich vor allem Bezug auf die enormen physischen und psychischen Belastungen der Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter, die in diesem Dienst eingesetzt sind. Wir sollten auf ihre Gesundheit achten, und zwar nicht nur im Interesse der Bediensteten, sondern auch im Interesse der Sicherheit für die Bevölkerung insgesamt bei der Verrichtung des Dienstes, aber auch im Interesse der Solidarität der Bediensteten unterein ander, die einen Anspruch darauf haben, mit gesunden und leistungsfähigen Kolleginnen und Kollegen zu tun zu haben.

Unverzichtbar – jetzt bin ich bei einem Kapitel, bei dem ich die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung überhaupt nicht verstehen kann – ist für uns die Gleichstellung

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jetzt kommt es!)

von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Das bezieht sich auf den Familienzuschlag, die Hinter bliebenenpension, Reise- und Umzugskosten, Trennungsgeld und Sonderurlaub.

(Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU)

Ich will Ihnen noch einmal zeigen, wie andere Bundesländer hierbei verfahren. Bei der Hinterbliebenenpension erfolgt die Gleichstellung in 11 Bundesländern,

(Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU)

beim Familienzuschlag in Stufe 1 in 10 Bundesländern, bei der Beihilfe bereits in 13 Bundesländern, bei den Reise- und Umzugskostenvergütungen sowie beim Trennungsgeld in 13 Bundesländern und im Bund, beim Sonderurlaub im Bund und in 13 Bundesländern, beim Laufbahnrecht ebenfalls im Bund und zumindest in 12 Bundesländern.

Sie befinden sich jetzt auch mit der Bundesregierung in guter Gesellschaft. Bundesinnenminister de Maizière hat am 13. Oktober einen Gesetzentwurf ins Kabinett eingebracht, der genau diesem Gleichstellungsanliegen Rechnung trägt. Deswegen haben auch wir heute zusammen mit der Fraktion GRÜNE einen umfassenden Antrag mit dem Ziel dieser Gleichstellung – wie auch einige andere Anträge, die ich be reits erwähnt habe – eingebracht. Wir fordern Sie auf, zuzu stimmen.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Es ist an der Zeit, dass Baden-Württemberg seine Schluss lichtposition in diesem Bereich endlich aufgibt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ich hätte noch Verständnis dafür, wenn sich der Finanzminis ter aus grundsätzlichen Erwägungen heraus gegen alles sperrt, was mehr Geld kostet.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Der ist doch sonst li beral!)

Das wäre noch nachvollziehbar. Aber Sie lehnen diese Gleich stellung immer mit dem Hinweis auf den Schutz der Ehe und der Familie ab. Der Ehe wird mit dieser Gleichstellung nichts genommen, überhaupt nichts genommen, aber eine Gleich stellung trägt der notwendigen gesellschaftlichen Entwick lung Rechnung. Es handelt sich um eine Anpassung an die ge

sellschaftliche Realität, die auch die CDU endlich zur Kennt nis nehmen sollte.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Dass die FDP/DVP sie zur Kenntnis nimmt, haben wir durch das Abstimmungsverhalten in den Ausschüssen bereits ver nommen. Aber ziehen Sie daraus auch die Konsequenz.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber sie tut nichts! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Wie immer! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE zur FDP/DVP: Trau en Sie sich!)

Gehen Sie doch diesen Schritt. Das, was wir hier vorhaben und was wir mit unseren Anträgen vorschlagen, ist in höchs tem Maß liberal, Herr Kollege Kluck. Das ist wahrer Libera lismus.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Davon verstehe ich mehr!)

Deshalb könnten zumindest Sie zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Norbert Zeller SPD: Da ist man bei dieser FDP/DVP fehl am Platz!)

Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs und vor al lem in der ersten Lesung bereits gesagt: Diese Dienstrechts reform enthält viele Elemente, die wir mittragen können. Das haben wir in den Diskussionen – wir bedanken uns für den Gedankenaustausch mit den beiden Ministerien – immer be tont.

Die Vorschläge, die wir Ihnen heute zusammen mit der Frak tion GRÜNE auf den Tisch gelegt haben, sind, glaube ich, um setzbar. Sie sind notwendig, um dem Anspruch an ein moder nes Dienstrecht wirklich gerecht zu werden.

Deshalb: Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu. Sie würden es uns ermöglichen, dem Dienstrechtsreformgesetz in seinen zahlreichen Bestimmungen insgesamt ebenfalls zuzu stimmen. Wenn diese für uns sehr wichtigen und dringend ge botenen Änderungen nicht erfolgen, müssen wir das Reform werk heute ablehnen. Ich kann Sie schon jetzt auf einen ganz großen Abstimmungsmarathon, der uns bevorsteht, vorberei ten.

Ich bedanke mich jedenfalls für Ihre Aufmerksamkeit, kann Ihnen allerdings nicht ersparen, dass wir zum Thema Gleich stellung eine namentliche Abstimmung beantragen. Das tue ich hiermit. Dabei können Sie Farbe bekennen, wie Sie sich dazu stellen. Das gilt insbesondere für die Fraktion der FDP/ DVP.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Oelmayer das Wort.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE nimmt den um fänglichen Gesetzentwurf Drucksache 14/6694 mit zum Rednerpult. – Zurufe von der CDU, u. a.: Schwe rer Gang!)

Ein schwerer Gang. – Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das 1 109 Seiten umfassende Geset zeswerk ganz bewusst mit zum Rednerpult genommen, um Ihnen gleich zu dokumentieren – –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ist es auch das richtige?)

Es ist das richtige, Herr Rülke; dessen können Sie versichert sein.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das Telefonbuch von Ulm!)

Es ist aber auch das dickste Gesetzeswerk, das ich in der Zeit, in der ich dem Landtag angehöre – das sind jetzt nahezu 15 Jahre –, an das Rednerpult tragen durfte.

Gestatten Sie mir einige Vorbemerkungen.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Jeder privatrechtlich organisierte Arbeitgeber – das Land ist privatrechtlich und öffentlich-rechtlich mit Abstand der größ te Arbeitgeber in Baden-Württemberg – hätte diese Debatte, diese Entscheidung an ganz anderer, exponierter Stelle und mit viel mehr Transparenz geführt, als wir dies im Landtag von Baden-Württemberg tun.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Mehr Transparenz als im Land tag?)

Die Anstellung von Personal zur Umsetzung der Aufgaben, die das Land wahrzunehmen hat, ist einer der Kernbereiche, wenn nicht gar d e r Kernbereich, der dem Land durch die Föderalismusreform zugestanden worden ist. Dies hätte es ge radezu bedingt, dass wir dieser Auseinandersetzung, die der Kollege Stickelberger hier zum Teil schon eingeführt hat, ei nen viel breiteren Raum eingeräumt hätten. Es gehört mit zur Föderalismusreform, dass wir unsere Kompetenzen auch aus leben und diese nicht nur in dicke Gesetzeswerke gießen, son dern auch versuchen, die Menschen durch Transparenz parti zipieren zu lassen, mitzunehmen und letztlich auch die Ent scheidungen, die wir im Landtag treffen, plausibel und nach vollziehbar zu machen.

(Beifall bei den Grünen)

Auch hier hat der Kollege von der SPD zu Recht gesagt: Das Gesetzeswerk umfasst durchaus gute und richtige Ansätze. Die Entwicklung dieses Gesetzeswerks ist für all die Beschäf tigten in den Ministerien, die damit befasst waren, sicher ei ne Herkulesaufgabe gewesen. Dafür gilt ihnen ein uneinge schränkter Dank. Das ist gar keine Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wir von der Fraktion GRÜNE haben zur heutigen Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs – überwiegend zusammen mit der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses – Ände rungsanträge eingebracht. Wir sind der Meinung, meine Da men und Herren, dass in diesem Gesetzeswerk durchaus man che zielgerichtete Veränderung fehlt.

Dazu zählt z. B. die Frage nach der wirkungsgleichen Über tragung der Pensionsbemessung auf die Lebensarbeitszeit. Da rüber hätte man zumindest einmal intensiv diskutieren kön nen. Die Wirkungsgleichheit beim Eintritt in das Rentenalter haben wir jetzt erreicht – mit viel Kraft und Engagement, ins besondere auch des Beamtenbunds, der sich in dieser Hinsicht so heftig engagiert hat, dass sich die Landesregierung gar nichts anderes mehr getraut hat, als die wirkungsgleiche Über tragung umzusetzen.

Wir halten die wirkungsgleiche Übertragung für richtig und haben sie deshalb von vornherein mitgetragen. Doch wenn man die Regelungen zum Lebensalter wirkungsgleich über trägt, kann man auch über die Frage diskutieren, ob man künf tig – in der Zukunft! – für die Menschen, die im Landesdienst tätig sind, auch die Bemessungsgrundlage für die Altersver sorgung wirkungsgleich überträgt. Diese Diskussion haben wir im Landtag nicht geführt. Sie können sicher sein, dass die se Diskussion jedoch spätestens nach dem 27. März 2011 auf den Landtag zukommen wird.

Ein weiterer Punkt, der aus unserer Sicht in einem anderen Umfang in das Gesetzeswerk hätte einfließen können, bezieht sich auf die Leistungsvergütung, die Leistungsbesoldung bzw. die Leistungsentlohnung. Ich räume durchaus ein, dass wir uns als Fraktion – und ich insbesondere – über einen langen Zeitraum hinweg mit der Frage beschäftigt haben, was die Be messungsgrundlagen für eine Leistungsbesoldung bzw. für ei ne Leistungsvergütung sein könnten. Ich bedaure, dass am Schluss – das gilt für alle Bereiche – so gut wie nichts übrig geblieben ist hinsichtlich der Frage, welche Möglichkeiten es gibt, wenn jemand richtig arbeiten will und gut arbeitet. Ich bin selbst Arbeitgeber, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Abg. Hans Heinz CDU unterhält sich mit Abg. Alb recht Fischer CDU.)