Herr Kollege Scheuermann, das ist doch bemerkenswert. Seit beinahe drei Jahren fordern wir das von Ihnen.
Sie haben das immer auf die lange Bank geschoben. Sie haben so lange gewartet, bis ein Gericht – wenn auch noch nicht rechtskräftig – ein Urteil gefällt hat, das Sie verpflichtete, dies endlich zu tun. Und siehe da, ein paar Tage später wird zumindest ein Entwurf vorgelegt.
Aber die Begründung des Urteils ist fast noch interessanter. Wenn man weiterliest, stellt man auf Seite 23 fest:
hat es trotz Aufforderung durch die Kläger pflichtwidrig unterlassen, den begehrten immissionsschutzrechtlichen Aktionsplan aufzustellen.
Pflichtwidrig! Besser hätten wir das auch nicht formulieren können. Hier wird auch festgestellt, warum dies pflichtwidrig war: weil die Rechte der Betroffenen verletzt wurden,
aber auch weil die EU eindeutig sagt, dass die Aktionspläne – eine bundesgesetzliche Umsetzung gibt es – schon dann aufzustellen sind, wenn die Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte besteht.
Der Fall, dass es im Ballungsraum Stuttgart von vornherein nicht zu verbotenen Überschreitungen des Grenzwertes kommen würde, hat wahrlich nicht unterstellt werden dürfen.
Deswegen haben wir am 2. Juli 2003 von Ihnen Auskunft über die Messwerte verlangt. Sie haben an 23 Stellen im Land Grenzwertüberschreitungen eingeräumt, Sie haben aber nichts gemacht. Wir haben am 22. September 2003 – 2003, wohlgemerkt! – von Ihnen verlangt, den Fuhrpark des Landes um- bzw. nachzurüsten, Dieselfahrzeuge mit Rußfiltern auszustatten und Dieselneufahrzeuge nur noch mit Rußfilter anzuschaffen. Den Antrag haben Sie damals abgelehnt. Über ein Jahr später sind Sie auf den Zug aufgesprungen. Jetzt endlich – Lob dafür – schaffen Sie nur noch solche Fahrzeuge an.
Am 17. Juni 2004 haben wir gefordert, die Förderung für die Nachrüstung der Linienomnibusse auf den Weg zu bringen. Auch das haben Sie natürlich zuerst abgelehnt. Aber immerhin: Heute sind wir so weit, dass Sie diese Förderung ausweiten. Sie haben von uns regelmäßig durch Anträge Gelegenheit zum Handeln bekommen,
Sie haben aber in Ihrer Borniertheit alles abgelehnt. Erst nach einem Gerichtsurteil fangen Sie mit dem Handeln an.
Am 22. April dieses Jahres haben wir den Antrag gestellt, das Messprogramm des Landes auszuweiten, weil alle Messstellen, die es gibt, Grenzwertüberschreitungen ausweisen. Man muss ja annehmen, dass dies nur die Spitze eines Eisbergs ist, dass auch in weiteren Städten der Grenzwert überschritten wird. Sie haben den Antrag selbstverständlich abgelehnt. Aber siehe da: Vor einer Woche verkündete die zuständige Ministerin in der Zeitung, die Zahl der Feinstaubmessstellen werde glatt verdoppelt. Frau Ministerin, ich konzediere: Sie sind lernfähig, wenngleich auch immer zu langsam.
Was hat die Regierung in der ganzen Zeit gemacht? Gegen den Feinstaub hat sie nichts gemacht; das sagen uns schon die Gerichtsurteile. Was hat sie denn in der ganzen Zeit gemacht? Sie hat vor allem einem falschen Lobbying der Autoindustrie nachgegeben. Vor anderthalb Jahren wurde in Briefen von Herrn Gottschalk und von Herrn Pischetsrieder an die Ministerpräsidenten sowie an Herrn Müntefering gefordert, man möge erstens bitte schön eine Initiative ergreifen, um den Grenzwert außer Kraft zu setzen, und zweitens die Partikelfilterförderung, über die sich der Bundesumweltminister bereits mit Herrn Eichel verständigt hatte, stoppen. Schade ist, dass der Kanzler auf Herrn Pischetsrieder gehört hat und wir deswegen ein Jahr auf den Beschluss zur Förderung der Partikelfilter warten mussten. Gut ist, dass die Bundesregierung diesen Beschluss mittlerweile gefasst hat.
Schade ist aber auch, dass Sie von der Landesregierung nichts gegen den Feinstaub in der Luft, sondern nur etwas gegen die Grenzwerte unternommen haben. Tatsächlich haben Sie sich zum Büttel der Autoindustrie gemacht und im Bundesrat einen Antrag unterzeichnet, in dem gefordert wurde, man möge die Grenzwerte außer Kraft setzen, an den Grenzwerten rütteln, anstatt etwas gegen die Grenzwerte zu unternehmen.
Aber ich konzediere: Sie haben dazugelernt. Denn der Ministerpräsident – er ist gerade nicht anwesend – hat vor wenigen Wochen an dieser Stelle gesagt, er halte die Grenzwerte für richtig. Gut so! Sie haben dazugelernt. Wir freuen uns darüber.
Allerdings, meine Damen und Herren, hat dieses lange Zögern, dieses Hinhalten, dieses Unterlassen nicht nur Menschen unnötig mit Feinstaub in der Lunge belastet, es hat auch Arbeitsplätze im Land gefährdet.
Wir hier im Land – das wissen Sie –, vor allem hier in der Region Stuttgart, hängen mehr als andere Bundesländer von der Fahrzeugindustrie ab. Wenn man aber so wie die deutsche Automobilindustrie Lobbyarbeit betreibt, das heißt, sich gegen Umweltnormen wehrt mit der Begründung: „Wir können keine Partikelfilter liefern, sonst rollen die Franzosen, die den Partikelfilter bereits haben, den Markt auf“ – das war die Argumentation von Pischetsrieder –, dann gerät man ins Hintertreffen, dann werden Autos unverkäuflich, dann geht die Autokonjunktur in den Keller, wie wir es gerade erleben, und die Konkurrenz lacht sich ins Fäustchen.
Das heißt, meine Damen und Herren: Sie sind einer falschen Lobbypolitik aufgesessen. Das hat Arbeitsplätze bei den Zulieferern und den Fahrzeugbauern in Baden-Württemberg gefährdet. Man darf die deutsche Autoindustrie nicht alleine lassen. Sie braucht starke Grüne, damit sie ihre Zukunft nicht verspielt.
(Beifall bei den Grünen – Lachen des Abg. Mappus CDU – Abg. Mappus CDU: Meinen Sie, dass die Autoindustrie das genauso sieht?)
(Beifall bei den Grünen – Abg. Mappus CDU: Wer hat dir denn das aufgeschrieben, mein Lieber? Das ist das Allergrößte!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns hier in diesem hohen Hause in diesem Jahr ja schon einmal mit dem Thema Feinstaub auseinander gesetzt. Wenn wir den Unterschied zwischen der damaligen und der jetzigen Diskussion betrachten, können wir sagen: Wir haben vielleicht das eine oder andere mehr an Erkenntnis gewonnen, was den Entwurf des neuen Luftreinhalteplans und des Aktionsplans von Stuttgart betrifft, aber einige Fragen bleiben weiterhin offen.
Ich will noch einmal einiges zum Hintergrund dieser ganzen Diskussion sagen: Am 27. September 1996 – 1996! – ist die Richtlinie zur Luftreinhaltung, die Luftqualitätsrahmenrichtlinie der Europäischen Union, verabschiedet worden. Das Ziel dieser Richtlinie war und ist, das, was sich die Menschen mit der Industrialisierung selber antun – die Verschmutzung der Atemluft durch giftige Abgase, durch gesundheitsschädliche Staub- und Rußpartikel war von Anfang an ein Problem der Industrialisierung –, einzuschränken. Das war die gemeinsame Zielsetzung der Europäischen Union. Seit 1996 war also Zeit, sich darauf einzustellen, hier etwas zu tun. Seit 1996!
Seit 2002 ist diese Richtlinie unmittelbar deutsches Recht. Man hätte sich also darauf einstellen können.
(Abg. Scheuermann CDU: Also hat Rot-Grün auch nicht so arg viel Zeit gehabt, die Richtlinie umzu- setzen! – Gegenruf des Abg. Boris Palmer GRÜ- NE: Drei Jahre! – Weitere Zurufe)
Herr Scheuermann, Sie müssen ja die entsprechenden Anpassungen vornehmen. Aber Sie wissen ganz genau, dass diese Anforderungen gekommen sind.
In der Frage der Anpassung bedeutet das, wenn man weiß, dass solche Schadstofffragen auf einen zukommen, dass man anfängt, zu messen und zu schauen, an welchen Stellen die Probleme auftauchen – unabhängig davon, was hinterher die Maßnahmeregelungen sind. Denn die Richtlinie gibt die Grenzwerte vor. Diese waren seit 1996 klar.