Protocol of the Session on June 29, 2005

Sonst hätte ich mich jetzt beschwert.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der heutigen Debatte geht es darum, dass wir in Zukunft eine bessere Früherkennung und eine gute Diagnostik und Therapie von Brustkrebs in Baden-Württemberg haben wollen und dazu die landesgesetzlichen Grundlagen schaffen.

Bereits am 15. Dezember 2003 wurden die Krebsfrüherkennungs-Richtlinien um die Früherkennung von Brustkrebs durch ein Mammografie-Screening ergänzt. Alle Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren haben damit einen Anspruch auf diese Vorsorgeleistung. Der vorliegende Gesetzentwurf soll nun endlich die Einführung des flächendeckenden, qualitätsgesicherten Mammografie-Screenings doch noch in der zweiten Jahreshälfte 2005 ermöglichen. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Das hätten wir aber trotz alledem früher erreichen können.

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Der Streit um das Einladungswesen zum MammografieScreening und über die Zuständigkeit für die Datenermittlung hat uns fast über ein Jahr gekostet. Schließlich haben sich die zuständigen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen im Einvernehmen mit dem Datenschutzbeauftragten und den zuständigen Ministerien – Sozialministerium und Innenministerium – darauf verständigt, dem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz nachzukommen und die notwendige Anpassung des Meldegesetzes im Hinblick auf ein bundeseinheitliches Einladungswesen für die Früherkennung von Brustkrebs vorzunehmen.

Damit alle anspruchsberechtigten Frauen systematisch zum Mammografie-Screening eingeladen werden können, muss

sichergestellt sein, dass ihre Daten unter datenschutzrechtlichen Bestimmungen an eine öffentliche Stelle im Sinne des Meldegesetzes gemeldet werden können. Die Landesregierung hat nun mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine melderechtlich notwendige Regelung vorgelegt und darin die bisher fehlende Rechtsgrundlage geschaffen. Auch der Regelung der anteiligen Übernahme der Kosten der Zentralen Stelle durch die gesetzlichen Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungen stimmen wir zu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die durch die Einführung des Mammografie-Screenings erweiterten Möglichkeiten der Diagnostik bieten Chancen, werfen aber gleichzeitig neue Fragen auf. Studien aus dem Ausland haben zum Teil eine signifikante Verringerung des Krebsrisikos durch ein flächendeckendes Mammografie-Screening ergeben. Jede Mammografie beinhaltet aber auch ein gewisses Risiko für die gesunde Frau. Ferner können mögliche falsche positive Befunde zu einer großen Beunruhigung der Frauen führen. Das Wichtigste ist deshalb, dass das Mammografie-Screening qualitätsgesichert auf der Basis der EU-Leitlinien von 1992 durchgeführt wird.

Wir haben in Baden-Württemberg 22 Brustkrebszentren. Damit sind wir im Ländervergleich bereits weit fortgeschritten, aber immer noch nicht ausreichend ausgerüstet für eine flächendeckende Versorgung. Außerdem brauchen wir noch weit mehr Ärztinnen und Ärzte, die die hohen Qualitätsanforderungen, beispielsweise den Nachweis von mindestens 5 000 einschlägigen Befunden pro Arzt und Jahr, erfüllen.

Schließlich müssen wir in der Praxis dafür sorgen, dass das Mammografie-Screening nicht zu einer unpersönlichen Röntgenreihenuntersuchung wird. Der direkte und unmittelbare Kontakt zwischen Frau und Ärztin oder Arzt nach der Untersuchung muss zum verpflichtenden Teil des Mammografie-Screenings werden. Zudem muss möglich sein, dass ein zeitnaher Zweitbefund gewährleistet wird, um die Frauen nicht unnötig zu beunruhigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einführung des Mammografie-Screenings dient der Qualitätssicherung bei Mammografien insgesamt. Sie ist aber kein Ersatz für Information und Aufklärung. Frauen sind in den letzten Jahren einerseits durch viele verschiedene und auch widersprüchliche Informationen verunsichert worden. Daher war es auch wichtig, dass man das Thema so lange diskutiert hat. Andererseits ist ihr tatsächlicher Informationsstand häufig eher nebulös, und bei vielen Frauen verursacht das Thema Brustkrebs einfach Angst. Die Einladungen zum MammografieScreening sind das eine. Das andere ist, Information und Aufklärung zu betreiben. Das heißt, man muss das eine tun und darf das andere nicht lassen.

In diesem Sinne werden auch wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Ursula Hauß- mann SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Vorgeschlagen ist Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 13/4384 an den Sozialausschuss. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

a) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Mischfinanzierung Hochschule und Forschung; hier: Hochschulbauförderung – Drucksache 13/2132

b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Mischfinanzierung Hochschule und Forschung; hier: Forschungsförderung – Drucksache 13/2133

c) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Mischfinanzierung Hochschule und Forschung; hier: BAföG – Drucksache 13/2140

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung der Anträge unter den Buchstaben a bis c fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Frau Abg. Bauer, Sie erhalten das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die zur Beratung stehenden Anträge sind sicher nicht mehr ganz taufrisch. Das Thema selber hat aber an Aktualität nichts verloren. Die hier angesprochene Problematik „Mischfinanzierung zwischen Bund und Ländern im Bereich Hochschule und Forschung“ war Teil der Beratungen der Föderalismuskommission. Mit ihrem Scheitern hat sich das Thema allerdings keineswegs erledigt. Der Reformbedarf in diesem Bereich besteht weiter. Der Reformstau im Hochschulbereich schwächt, wenn wir nichts unternehmen, die Qualität unseres Hochschul- und Forschungsstandorts.

Deshalb vorneweg: Die Verteilungsfragen, insbesondere was die finanzielle Verantwortung und die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich betrifft, müssen wieder auf die Tagesordnung, und wir plädieren dringend dafür, dass der abgerissene Faden wieder aufgenommen wird.

Man muss allerdings zur Kenntnis nehmen, dass sich die Vertreter der Forschungseinrichtungen und der Hochschulen nicht unbedingt etwas Gutes davon erwarten, wenn die Kompetenzstreitereien wieder losgehen. Sie haben mit dieser Debatte in letzter Zeit schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn es um die Entflechtung zwischen Bund und Ländern ging, konnte man den Eindruck gewinnen, dass Wissenschaftsüberlegungen nicht gerade im Vordergrund standen, sondern dass die Wissenschaft als Geisel genommen wurde für die machttaktischen Manöver zwischen Bund und Ländern. Beredtes Beispiel – in diesen Tagen auch in der Presse – ist die Exzellenzinitiative, die jetzt endlich in die Gänge gekommen ist.

(Abg. Alfred Haas CDU: Was heißt da „endlich“?)

Die Mittel sind endlich frei gemacht worden – 1,9 Milliarden € für die Hochschulen. Das wurde aber auch Zeit.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sagen Sie es noch einmal in Richtung Berlin!)

Die CDU hat zwei Jahre auf der Bremse gestanden und diese Initiative blockiert,

(Abg. Alfred Haas CDU: Oh Gott im Himmel!)

nicht weil es ihr darum gegangen wäre, das Programm zu verbessern und daran zu feilen, wie das Geld denn am besten ausgegeben werden könnte.

(Abg. Alfred Haas CDU: Jetzt geht’s aber los!)

Sie hat es ganz einfach gemacht, weil es ihr darum ging, dass der Bund die Finger von den Hochschulen lässt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Ist doch nicht wahr!)

Da ging es ums Prinzip und nicht um die Wissenschaft.

Aber jetzt möchte ich zu der Frage kommen: Worin besteht denn der Reformbedarf in den drei angesprochenen Bereichen Forschungsförderung, Hochschulbau und Studienfinanzierung?

Der Hochschulbau ist schnell abzuhandeln. Da gibt es eine parteiübergreifende Übereinstimmung. Wir wollen eine Verlagerung der Kompetenzen im Wesentlichen auf die Länder. Nur noch wenige Bereiche sollen überregional behandelt werden. Dadurch ergeben sich eine gesteigerte Flexibilität, mehr Effizienz und hoffentlich auch mehr Mitsprache der Parlamente.

Zum Bereich Forschungsförderung muss man sehen: Es ist die bestehende Finanzstruktur, die die falschen Anreize setzt. Die jetzige, also in der Mischfinanzierung bestehende Anreizstruktur verleitet dazu, Forschung aus den Hochschulen heraus zu verlagern und die außeruniversitäre Forschung zu stärken. Für junge Nachwuchswissenschaftler ist es derzeit attraktiv, sich in außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu engagieren, während die Forschungsqualität der Hochschulen tendenziell unter Druck und ins Hintertreffen gerät.

Das ist das große Problem, das wir lösen müssen. Wie schaffen wir es, durch eine Finanzreform diese sich immer weiter öffnende Schere zwischen der außeruniversitären Forschung und den Hochschulen wieder zusammenzuführen? Das ist die Reformaufgabe, die zu bewältigen ist. Das geht nicht, indem man den Plan von Frau Bulmahn und von Frau Zypries verfolgt und sagt: „Der Bund macht die außeruniversitäre Forschung allein, und die Länder machen die Hochschulen.“ Das wäre geradezu fatal. Zum Glück ist das vom Tisch genommen worden. Es geht aber auch nicht, indem man sagt: „Wir lassen alles so, wie es ist.“ Denn der jetzige Zustand hindert uns daran, unsere Hochschulen international wettbewerbsfähig zu machen. Deswegen wird alles darauf ankommen, ob es gelingt, außeruniversitäre Forschung und Hochschulen wieder näher aneinander heranzuführen. Die Exzellenzinitiative ist dafür wieder ein gutes Beispiel.

Herr Frankenberg hat sich immer wieder einmal darüber beschwert, dass ich ihn im Vergleich zu meinem Vorgänger und zu seinem Vorgänger so selten lobe.

(Heiterkeit des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Das habe ich mir sehr zu Herzen genommen. Heute will ich Sie einmal loben.

(Abg. Röhm CDU: Recht so!)

In Bezug auf die Exzellenzinitiative bin ich froh, dass Sie mit dafür gesorgt haben, dass das Programm umgebaut wird und dass man nicht eine Hand voll Universitäten mit dem Etikett versieht: Ihr seid die Elitehochschulen. Besser ist die jetzt vereinbarte projektorientierte Förderung, die dezentral gestaltet ist. Das ist eine richtige Entscheidung gewesen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Insbesondere bin ich froh um die so genannte zweite Säule, die Exzellenzcluster auszeichnet, die insbesondere Forschungstätigkeiten der Universitäten und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammenbringen sollen. Das sind richtige Elemente, und das ist auch ein wichtiges Signal an den Nachwuchs, der sich dann attraktive Bedingungen hier suchen kann und nicht ins Ausland abwandern muss.

Von daher ist das ein gutes Beispiel.

Allerdings – jetzt muss ich das Lob gleich wieder einschränken –:

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Sie sind mir zuvorgekommen, indem Sie gleich heute Vormittag eine Presseerklärung herausgegeben haben, in der Sie sich für die Exzellenzinitiative so viel selbst gelobt haben, dass ich doch wieder etwas richtig stellen muss. Sie verlangen heute Vormittag in einer Pressemitteilung die Entflechtung der Zuständigkeiten bei Hochschule und Forschung. In dieser allgemeinen Form, wie eben ausgeführt, hilft uns das gar nicht weiter. Das kann sogar ein Schuss nach hinten sein und genau die Schere, die wir ja zusammenführen wollen, noch weiter öffnen.