Protocol of the Session on October 29, 2003

Und der Bundeswirtschaftsminister sagt: Wir tragen erhebliche Mitverantwortung. Die Folgen haben aber wir zu tragen: alle 16 Länder und Tausende von Städten und Gemeinden. Wir tragen die Folgen dieser Politik.

Meine Damen und Herren, zur Berechenbarkeit der Bundespolitik, von der Herr Kollege Drexler eingangs gesprochen hat, möchte ich den Münchener Oberbürgermeister Christian Ude zitieren:

Schröder hat die Unberechenbarkeit zum Programm erhoben.

(Zuruf von der CDU: Oi!)

Wenn man mit baden-württembergischen Bürgern spricht, dann erfährt man: Sie teilen diese Auffassung über die Bundespolitik, und sie sind froh, dass wir im Land Baden-Würt

(Ministerpräsident Teufel)

temberg – dort, wo wir zuständig sind – zwar keine fehlerfreie, aber eine wesentlich bessere Politik machen.

(Zuruf von der SPD: Eigenlob stinkt!)

Ich möchte die Opposition einmal fragen: Können Sie eigentlich mehr erreichen wollen, als dass wir in Schulvergleichen und Hochschulvergleichen quer über alle Einzeldisziplinen hinweg Spitzenleistungen bescheinigt bekommen und in Deutschland an der Spitze liegen?

(Abg. Drexler SPD: Es gibt 20 %, die nicht richtig lesen können!)

Sie haben doch genauso wie wir die Einsicht, dass der entscheidende Produktionsfaktor künftig die Bildung ist

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

und dass von der Bildung wirklich die Lebenschancen jedes Menschen abhängen, die Wettbewerbschancen jedes einzelnen mittelständischen Betriebs im Land und die Zukunftsfähigkeit des Landes Baden-Württemberg.

Wenn man diese Zahlen sieht, muss man doch sagen: Wir sind in Baden-Württemberg auf einem guten Weg. Wir müssen uns allerdings anstrengen, diesen Platz zu halten, und – ich sage es noch einmal – wir müssen uns um Schadensbegrenzung der Bundespolitik und ihrer Auswirkungen auf Baden-Württemberg bemühen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abg. Drexler das Wort.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Oh nein! – Gegen- ruf von der SPD: Oh ja! – Zuruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

Sie hätten auch vorhin schon „Oh nein!“ sagen können, dann wären wir alle schon beim Mittagessen. Es geht natürlich nicht, dass der Ministerpräsident den ganzen Landtag mit seiner Regierungserklärung beschäftigt

(Zuruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

und Sie es dann nicht aushalten, dass die Opposition darauf antwortet. So demokratiefreundlich sollten Sie schon noch sein.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Ministerpräsident, Ihre Aussage zur Steuerreform war ja wieder eine tolle Nummer – wirklich! Sie sagen bisher, dass Sie bei der Gegenfinanzierung dieser Steuerreform über 16 Milliarden € keinerlei Vorschläge akzeptieren, aber Sie haben keinen einzigen Vorschlag. „Wenn es keine Gegenfinanzierung bis zu 75 % gibt, dann stimme ich nicht zu.“ Ist das ein verantwortungsvolles Verhalten? Sie übernehmen null Verantwortung, das ist nur Schau.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Blocka- de!)

Ich sage Ihnen: Die Steuerreform wird gebilligt werden. Dann stimmen halt Thüringen und Sachsen-Anhalt – CDUregiert – zu, weil die die Verantwortung übernehmen, damit im nächsten Jahr wenigstens ein Binnenwachstum entsteht, weil die Bürgerinnen und Bürger dann mehr Geld bekommen und von Steuern entlastet werden. Aber Sie wollen das offensichtlich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Kirchhof. Sie greifen Herrn Kretschmann wegen der Pendlerpauschale und mich wegen der Eigenheimzulage an. Das verstehe ich gar nicht. Wir haben von Anfang an erklärt, dass wir diese Eigenheimzulage behalten wollen, zumindest regionalisiert. Sie wissen genau, dass die Eigenheimzulage in den neuen Bundesländern im Grunde genommen überhaupt nicht gebraucht wird.

(Ministerpräsident Teufel: Wie haben die SPD-Ab- geordneten im Bundestag gestimmt? Für das Land? – Glocke des Präsidenten)

Wie stimmen denn die CDU-Abgeordneten, wenn BadenWürttemberg etwas will? Also, Herr Ministerpräsident – –

Herr Ministerpräsident, bitte keine Zwischenrufe von der Regierungsbank. Dafür müssen Sie sich ins Plenum begeben.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Döpper, auch Ihnen sollte das bekannt sein.

Herr Abg. Drexler, bitte fahren Sie fort.

Wenn schon, möchte ich hier vorne mit Ihnen reden und Sie nicht dauernd von der Seite im Blick haben.

Noch einmal: Wir sind klar und deutlich der Auffassung, dass die Eigenheimzulage für Baden-Württemberg sehr wichtig ist, weil wir ein Zuwanderungsland sind und weil wir 50 000 neue Wohnungen brauchen.

Jetzt kommen Sie ins Spiel, Herr Ministerpräsident. Sie haben Ihre Mittel nicht bloß um 50 % gekürzt, sondern Sie haben sie um 90 % gekürzt. Sie zahlen pro Einwohner gerade einmal 3 € für den Wohnungsbau, und das bei der Wohnungsnot, die wir haben.

(Zurufe der Abg. Ursula Haußmann und Zeller SPD)

Bayern zahlt 16 €, Schleswig-Holstein – das arme Schleswig-Holstein – zahlt 25 € pro Einwohner für den Wohnungsbau. Jetzt frage ich Sie: Was sagen Sie denn all den Zuwanderern, die keine Wohnung bekommen? Reden Sie doch einmal mit denen! Wir haben in allen großen Städten eine Wohnungsnot. Damit beschäftigen Sie sich offensichtlich nicht, und deswegen haben wir auch einen Finanzierungsvorschlag für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel gemacht.

Übrigens: Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass der Bund zwar die Mittel gestrichen hat, aber den Ländern noch Hunderte von Millionen zur Verfügung stellt und 10 Milliarden € pro

Jahr für Eigenheimzulagen zahlt. Das gehört zu Ihrer Aussage schon dazu.

Deshalb sind wir da gar nicht strittig. Wir sagen nur: Auch wenn die Steuerreform durch Streichungsmaßnahmen nicht vollständig und auch nicht zur Hälfte für ein Jahr den erforderlichen Betrag erbringt, muss sie gemacht werden, damit die Bürger mehr Geld in der Tasche haben. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt zur Gemeindefinanzreform: Sagen Sie doch hier einmal, dass Sie alle Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg mit einem kommunalen Aufschlag auf die Einkommen- und Lohnsteuer belasten, wenn Sie Ihr Modell durchbekommen! Das sagen Sie nicht. Sie sagen auch nicht, dass die Bürger in größeren Städten, weil diese größere Zentralaufgaben wahrnehmen, trotz Veredelung – in der Gewerbesteuer gibt es ja bisher keine Veredelung – einen viel höheren Aufschlag auf ihre Einkommensteuer zahlen müssen, weil sie viel höhere Aufwendungen haben. Das sagt Herr Rommel, das sagt Frau Roth, das sagen alle Kommunalpolitiker – in Klammern: CDU – in Baden-Württemberg. Hören Sie doch auf die. Stellen Sie sich doch nicht so hin, als wäre Ihr Modell das einzig glückselig machende! Es ist wichtig, dass die Kommunen einen eigenständigen Steuerhebesatz bekommen; es ist, wie Herr Rommel sagt, wichtig, dass sich die Kommune im Grunde nach wie vor um Arbeitsplätze bemüht und Infrastrukturinvestitionen vornimmt. Deswegen die Verbindung zwischen Wirtschaft und Kommune.

Sie hingegen schlagen vor, dass es keine Steuer auf diesem Gebiet mehr gibt, sondern dass es für alle Bürgerinnen und Bürger einen Zuschlag auf ihre vom Bund erhobene Einkommensteuer gibt. Das bedeutet eine massive Steuererhöhung – je nachdem, wo sie wohnen – für alle Bürgerinnen und Bürger. Das ist Ihr Modell, das Sie im Bundesrat durchbringen wollen. Ganz einfach! Aber dann müssen Sie hier auch deutlich sagen, dass Sie das wollen, und dürfen nicht nur sagen: Wir entlasten die freien Berufe und machen eine Blockade, damit alle Angehörigen der freien Berufe die CDU wählen. Das ist reine Klientelpolitik. Auf der anderen Seite wollen Sie neue Steuerarten für alle Bürgerinnen und Bürger. Das ist die Wahrheit, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der SPD)

So sagen es auch die anderen.

Jetzt noch zur Schule, Herr Ministerpräsident: Sie können natürlich nicht verkleistern, dass Sie im Bereich Ganztagsschule die Politik betreiben, bisher ausschließlich Schulen in Brennpunktbereichen zu bezuschussen. Ausschließlich Schulen in Brennpunktbereichen! Das sagt auch Frau Schavan.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Teufel)

Sie hat noch im Frühjahr dieses Jahres hier im Landtag gesagt: „nur, ausschließlich“. Herr Oettinger hat neulich erst eine differenziertere Meinung vorgetragen, indem er gesagt hat:

Nach meiner Überzeugung wird der Begriff des sozialen Brennpunkts nicht mehr der Maßstab für die Ganztagsschule bleiben können. Auch in einer intakten Kleinstadt oder im ländlichen Raum besteht für eine wachsende Zahl von Kindern Bedarf an Ganztagsplätzen.

Das ist aber bisher nicht die Politik der Landesregierung. Herrn Oettinger kann man gratulieren, denn er hat es schon früher gesagt. Es wird aber nicht gemacht, weil es keinen Plan gibt.

(Abg. Hauk CDU: Dort, wo es Bedarf gibt, wird das sukzessive gemacht!)