Allerdings muss man die Kompetenzen zum Kommissionspräsidenten abgrenzen, damit wir keine Nebenregierung bekommen, und da liegt der Teufel im Detail; das wird die
Schwierigkeit sein. Diese Kompetenzabgrenzung im Detail zum Kommissionspräsidenten, den wir ja auch nicht schwächen wollen, und zur Kommission in ihrer Initiativfunktion für die europäische Entwicklung haben wir noch nicht auf dem Tisch des Hauses. Die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Kommissionspräsident und Ratspräsident wird wirklich die eigentliche Schwierigkeit sein.
Wir lehnen ein Präsidium als Unterbau ab. Wir treten für die Verkleinerung der Kommission ein. Ich glaube, an dieser Stelle ist etwas gelungen, was man am Anfang nicht erwarten konnte, was im Augenblick aber seitens der kleinen Mitgliedsstaaten sehr kritisiert wird, nämlich dass wir die europäische Regierung, die Europäische Kommission wirklich auf 15 Kommissare zurückführen.
Es wäre ein Unding, wenn man 25, 28, 30 Kommissare mit kleinen Zuständigkeitsbereichen hätte. Es ist ein großer Erfolg, dass sich jetzt abzuzeichnen beginnt, dass man sich auf 15 Kommissare verständigen wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Bei der Wahl des Kommissionspräsidenten sehen wir noch nicht ganz klar. Es gibt verschiedene Modelle. Das eine Modell im Präsidiumsentwurf sieht ein Vorschlagsrecht des Europäischen Rats und die anschließende Wahl durch das Europäische Parlament vor. Wir können es uns auch andersherum vorstellen: Wahl durch das Europäische Parlament und danach Bestätigung durch den Rat. Aber immerhin ist die doppelte Legitimation durch Staaten und Völker auch in der doppelten Wahl und Bestätigung durch Rat und Parlament ausgedrückt. Das ist in diesem Mechanismus angelegt, und auch dies ist im bisherigen Entwurf ein Fortschritt.
Ich komme zum Thema Mehrheitsentscheidungen. Kollege Maurer hat ja sehr stark auf den Ausbau der Mehrheitsentscheidungen abgestellt. Der Präsidiumsvorschlag sieht eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten und drei Fünftel der Bevölkerung vor. Man kann sich auch Weitergehendes vorstellen: zwei Drittel der Bevölkerung. Aber wichtig ist jedenfalls ein doppeltes qualifizierendes Mehrheitsquorum bei der Entscheidungsfindung. Darüber sind wir uns einig.
Wichtig ist allerdings, dass wir das Mehrheitsprinzip umso breiter anwenden können, je mehr wir uns im ersten und im zweiten Teil des Vertrags auch im Detail auf eine klare Kompetenzabgrenzung verständigen. Wenn da noch Erweiterungsmöglichkeiten – etwa durch die Flexibilitätsklausel, den bisherigen Artikel 308 – für die Europäische Union verbleiben, werden wir uns umso weniger in Richtung Mehrheitsentscheidung bewegen können.
Deshalb: Wer eine saubere Verfassung mit klar geregelten Kompetenzen hinbekommt, kann danach im Rahmen dieser gefundenen Zuständigkeiten und Verfahren auch mit einem doppelt gestuften Mehrheitsbildungsprozess zu einer wirklichen mehrheitlichen Entscheidung kommen. Darauf können wir uns einlassen. Aber die Voraussetzung der Kompetenzordnung, Herr Kollege Maurer, ist dafür eben Grundlage.
In der Verteidigungspolitik brauchen wir – lassen Sie mich das institutionell sagen –, glaube ich, mehr Zusammenar
beit, ebenso in der Außenpolitik. Deshalb war der Ministerpräsident im Konvent immer auch für die Doppelhutfunktion des Außenministers als Bevollmächtigter der Staaten und als Kommissar, dass er also mit zwei Funktionen auftritt. Etwas anderes geht gar nicht. Aber in der Verteidigungspolitik wird dieser Konvent wenig erreichen. Diesbezüglich sind wir, lieber Kollege Maurer, nicht weitergekommen. Dort gibt es die stärkste Zurückhaltung sowohl bei den Franzosen als auch bei den Spaniern und bei den Briten. Der „Pralinengipfel von Brüssel“ – so ist er ja genannt worden – mit Beteiligung von Belgien, Luxemburg, Frankreich und Deutschland ist geradezu Ausdruck dessen, dass im Konventsprozess in der verteidigungspolitischen Zusammenarbeit nichts erreicht werden konnte.
Ich glaube auch nicht, dass dieser Gipfel besonders nützlich war. Die Kommentatoren sind sich in der Bewertung des Gipfels ja auch darüber einig gewesen, dass er eine Show war, dass er ein Beitrag zum belgischen Wahlkampf war, dass er aber in der Substanz zu nichts geführt hat. Ich glaube, wir müssen den Spaniern, den Franzosen, den Briten Zeit lassen; aber auf Dauer werden wir auch eine europäische Sicherheitspolitik erreichen. Ich würde nur raten, dass wir das nicht in Abgrenzung zu anderen Ländern tun sollten und auch nicht durch „Sonderkränzchen“, die sich bilden, sondern dass wir das durch eine einheitliche Zusammenarbeit auch in der europäischen Sicherheitspolitik versuchen. Die Briten und die Spanier waren natürlich über diesen Gipfel genauso wenig erfreut, wie sie über die unterschiedlichen Positionen im Irak-Konflikt erfreut waren. Außenpolitisch ist Europa ebenso wie in der Sicherheitspolitik von einer einheitlichen Sprache im Augenblick weiter entfernt als irgendwann in den vergangenen Jahren. Ich bedauere das, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Insgesamt dürfen Teil 1 und Teil 2 des Kompetenzkatalogs nur durch Ratifikation aller nationalen Parlamente geändert werden. Dabei muss der Bundesrat beteiligt werden. Dafür scheint sich im Konvent eine gewisse Sympathie abzuzeichnen.
Bei den Klagerechten zur Sicherung der Subsidiarität gehen die Entwürfe noch nicht weit genug. Der Entwurf sieht weder ein Klagerecht der einzelnen Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis noch ein Klagerecht aller nationalen Parlamentskammern vor.
Ich will an dieser Stelle sagen, dass das für den Bundesrat ein ganz entscheidendes Argument dafür sein wird, ob der Vertrag ratifiziert werden kann oder nicht. Wenn das Klagerecht aller Parlamentskammern und im Fall Deutschlands damit zumindest auch das Klagerecht des Bundesrats in der Verfassung nicht verankert werden kann, sehe ich große Ratifikationsprobleme. Ich hoffe, dass das in Europa auch so gesehen wird.
Lassen Sie mich sagen: Conditio sine qua non ist für uns neben dem Frühwarnsystem für nationale Parlamente das Klagerecht der zweiten Kammer.
Ein Wort zu den weiteren regionalen Anliegen: Die Sicherung der nationalen Identität unter Einbeziehung der regionalen Gliederung und der lokalen Selbstverwaltung ist im Präsidiumsentwurf enthalten. Das ist insgesamt positiv. Erfreulich ist auch die Sicherung des Status der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Verfassungsvertrag. Zum Gottesbezug in der Präambelformulierung kann ich gegenüber der letzten Debatte leider noch keine Veränderung des Diskussionsstands vermelden.
Zusammenfassend will ich sagen: Die nächsten Wochen werden entscheidend sein bei der Kompetenzfrage, beim institutionellen Aufbau, bei den regionalen Rechten, bei der Identität dessen, was einen Nationalstaat und seinen Aufbau ausmacht. Erst bei Vorlage von Teil 2 des Gesamtentwurfs des Verfassungsvertrags wird eine seriöse Bewertung möglich sein. Jetzt gilt es, nicht auseinander zu streben, sondern Allianzen zu bilden.
Insofern ist auch die innerdeutsche Zusammenarbeit zu erwähnen, die sich im Großen und Ganzen positiv gestaltet. Ich will auch daran erinnern, dass wir vor wenigen Wochen wieder einen Brief der deutschen Konventsmitglieder auf den Weg gebracht haben, der das Klagerecht der Parlamentskammern und der Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis auch zum Anliegen der Bundesregierung und des Bundestags gemacht hat. Insgesamt kann diese Allianz dazu beitragen, dass wir auch etwas erreichen.
Nur, Herr Kollege Maurer, am Ende wird nicht nur der Ministerpräsident an dem gemessen werden, was herauskommt, sondern auch der deutsche Außenminister und der Vertreter des Bundestags werden daran gemessen, was herauskommt. Die entlassen wir auch nicht aus der Verpflichtung, in dieser Verfassungsdiskussion etwas für die deutschen Bundesländer zu erreichen.
Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend darauf hinweisen: Das Ergebnis der Regierungskonferenz muss Anfang kommenden Jahres von Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit gebilligt werden. Wir sind also als deutsche Länder in einer starken Position. Wir werden mit diesem Zustimmungsrecht, mit diesem Ratifikationsrecht nicht leichtfertig umgehen. Aber man muss es jetzt auf der Zielgeraden schon einmal deutlich formulieren.
Angesichts des Komplexitätsgrads halte ich nichts von dem Vorschlag, den der Kollege Theurer gemacht hat, diese Verfassung einer Volksabstimmung zu unterwerfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fürchte, dass wir in einer Volksabstimmung Negativallianzen geradezu herausfordern,
die sich an einem Punkt entzünden und zu einer Koalition der verschiedenen Punkte kommen, die diese Verfassung,
dass man sehr gut abwägen muss, ob eine Volksabstimmung bei diesem Komplexitätsgrad der Verfassung wirklich sinnvoll ist.
(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Aha! In sich gehen! – Abg. Theurer FDP/DVP: Alle Gewalt geht vom Volke aus! – Abg. Teßmer SPD: Herr Theurer als Demokratiehetzer! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)
Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu den Berichten über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, des SWR, des ZDF und des Deutschlandradios – Drucksachen 13/1420, 13/1860, 13/1568, 13/1579, 13/1593, 13/1909
Das Präsidium hat keine Aussprache vorgesehen. Sie stimmen der Beschlussempfehlung Drucksache 13/1909 zu. – Es ist so beschlossen.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses Ländlicher Raum und Landwirtschaft zu der Mitteilung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum vom 7. März 2003 – Unterrichtung des Landtags in EUAngelegenheiten; hier: Weiterentwicklung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik; EU-Kommissionsvorschläge zur Halbzeitbewertung der AGENDA 2000 – Drucksachen 13/1903, 13/2029