Protocol of the Session on June 19, 2002

Herr Göschel, ich darf noch einmal betonen, dass wir, genauso wie Sie, voll und ganz, mit vollem Herzen hinter diesem gemeinsamen Antrag stehen. Nur braucht die Gemeinsamkeit, glaube ich, nicht bis zur Aufgabe der persönlichen Identität zu reichen. Legen Sie deshalb die paar Worte meines Kollegen Reichardt, die Ihnen nicht gefallen haben, nicht auf die Goldwaage.

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist doch ein Stänkerer! Der muss doch hier nicht herumstänkern! Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, von mir aus kann man den gemeinsamen Antrag auch noch um einen Punkt ergänzen: Wir sind gegen einen Bahnhof auf der grünen Wiese zwischen Heidelberg und Mannheim.

Wenn ich mir so anschaue, was die Bahn bisher zu dieser Verbindungsneubaustrecke zwischen dem Rhein-Mainund dem Rhein-Neckar-Gebiet gesagt hat, dann erkenne ich darin eine gewisse Entwicklung. Als Erstes wurde eine Bypass-Lösung vertreten, dann nach dem Protest das Angebot, es könne auch eine Verbindung zum Hauptbahnhof Mannheim hergestellt werden, wobei die Bahn selbst entscheiden wollte, mit welchen Zügen über diese Verbindung gefahren würde. Anschließend kam das Angebot eines Bahnhofs auf der grünen Wiese.

Mich erinnert dies alles an die Vordiskussionen zum Bahnhof Stuttgart 21. Ursprünglich wollte man auch an Stuttgart vorbeifahren. Dann hat man über einen ICE-Bahnhof im Rosensteinpark nachgedacht, und unser ehemaliger Verkehrsminister Schaufler hatte schon die tollsten Entwicklungen dargetan, wie man dann vom Rosensteinpark zum jetzigen Hauptbahnhof gelangen könnte. Letztlich ist die Bahn zur Besinnung gekommen und baut Stuttgart 21 nun an der Stelle, wo der heutige Stuttgarter Hauptbahnhof liegt, nämlich mitten in der Stadt.

Deswegen habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Bahn auch beim Mannheimer Projekt zur Besinnung kommt und sich für den Mannheimer Hauptbahnhof fast inmitten der Stadt Mannheim entscheidet.

Der schienengebundene Verkehr hat viele Vorteile, aber ein ganz wichtiger ist doch, dass die Bahn in den allermeisten Fällen mitten in das Herz unserer Städte fahren kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ich verstehe überhaupt nicht, wie man diesen Vorteil aufgeben kann.

Ich gebe Frau Bauer völlig Recht: Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat bei der raumordnerischen Bewertung der verschiedenen Alternativen sicher ein entscheidendes Wort darüber mitzureden, wie die Entwicklung des Hauptbahnhofs Mannheim in Zukunft weitergehen soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wehre mich auch gegen die Handhabung der Bahn, ihre Kunden in verschiedene Kategorien einzuteilen. Da gibt es die besonders guten Kunden, die in einem der von der Bahn als solche kategorisierten Ballungsräume wohnen ich nenne einmal Hamburg, Berlin, Frankfurt und München : Die haben alle Vorteile der Bahn.

Dann gibt es Kunden zweiter oder dritter Kategorie. Sie werden zwar ebenfalls bedient, aber müssen halt sehen, wie sie auf die Hauptmagistrallinien kommen, um dann Kunden wie die Einwohner von Hamburg, Berlin oder weiß Gott wo zu sein.

Wenn die Bahn wirklich eine Politik aus Sicht des Kunden machen will, dann muss der Kunde unteilbar sein und darf nicht in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Dann muss der Mannheimer genauso viel wert sein wie der Stuttgarter, der Stuttgarter genauso viel wie der Frankfurter oder Münchener. Überall fährt die Bahn in die Stadt hinein dann bitte gefälligst auch in Mannheim!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der Grünen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch zwei Argumente. Das eine wird der Opposition jetzt nicht so gefallen: Wir in Baden-Württemberg fühlen uns beim Straßenverkehr seit Jahren erheblich benachteiligt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Abg. Drex- ler SPD: Bei Wissmann, ja! Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ein Gefühl, aber das falsche! Unruhe bei der SPD)

Ich will daraus nur die Forderung ableiten: Tun wir alles, damit wir nicht auch beim Schienenverkehr benachteiligt werden!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Schauen Sie sich nur einmal den Leitartikel zum Thema Verkehr an, der dieser Tage in den „Stuttgarter Nachrichten“ erschienen ist.

(Abg. Schmiedel SPD: Ja, natürlich! Der Wiss- mann hat nichts gemacht!)

Herr Schmiedel, daran sind Sie doch beteiligt. Schauen Sie sich doch einmal die Verlautbarungen des Regionalverbands Stuttgart an.

(Abg. Schmiedel SPD: Das gefällt Ihnen vielleicht nicht, aber der Wissmann hat nichts gemacht!)

Ich habe doch ausdrücklich gesagt, diese Äußerung werde Ihnen nicht gefallen.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Aber vielleicht gefällt Ihnen meine Folgerung: Schauen wir und achten wir darauf, dass wir nicht auch beim Bahnverkehr ins Hintertreffen kommen. Wer an Mannheim vorbeifahren möchte, bringt einen wesentlichen und wichtigen Teil unseres Landes ins Hintertreffen.

(Abg. Drexler SPD: Sehr gut!)

Letzte Bemerkung, meine sehr verehrten Damen und Herren: Immer wieder flackert die Diskussion „Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn“ auf. Ich stelle jetzt einmal die Frage: Hätten wir die gleiche Diskussion, wenn wir eine völlige Trennung von Netz und Betrieb hätten?

(Abg. Schmiedel SPD: Das war doch auch der Herr Wissmann!)

Ich vermute: Wenn jemand allein für das Netz verantwortlich wäre, käme er nie auf die Idee, an Mannheim vorbeizufahren.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Der muss ja wirtschaftlich denken!)

Auf die Idee, an Mannheim vorbeizufahren, kommt nur derjenige, der Vorstellungen hat, die nur bei einem Zusammenschluss von Netz und Betrieb überhaupt verwirklicht werden können. Diese Vorstellungen heißen: Es gibt in Deutschland Kunden und Bevölkerungen erster und zweiter Klasse; ich sage es noch einmal. Wir müssen uns auch in Zukunft mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, dagegen wehren, dass die Menschen des Ballungsraumes Rhein-Neckar bei der Bahn Menschen zweiter Klasse werden.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Boris Palmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist wohltuend, dass der Kollege Scheuermann etwas dafür getan hat, dass wieder Lebendigkeit im Parlament herrscht. Ich bemühe mich, daran anzuschließen. Ich werde auch noch einige Streitpunkte benennen.

Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich mit dem Verfahren in zwei Punkten nicht ganz einverstanden bin. Das eine ist der Punkt des ritualisierten Streits. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass unser Antrag zum Thema „Bahnknoten Mannheim“ wesentlich älter ist als der jetzt

diskutierte interfraktionelle Antrag, dass er eigentlich der Aktuellen Debatte nach den Regeln des Parlaments hätte entgegenstehen müssen und dass das Verfahren einzig und allein der Regel folgt, dass man Oppositionsanträge grundsätzlich ablehnen muss,

(Abg. Hauk CDU: Das ist doch nicht wahr, Herr Palmer!)

auch wenn sie gut sind, da Sie nicht bereit waren, dem einfach einmal zuzustimmen. Es wäre Ihnen kein Zacken aus der Krone gefallen, Herr Kollege, wenn Sie auch einmal einem Antrag der Grünen zugestimmt hätten.

(Beifall bei den Grünen Abg. Hauk CDU: Hätten Sie uns den Antrag einmal zur Kenntnis gegeben, als er im Präsidium vorlag!)

Ich diskutiere jetzt nicht über Präsidiumssitzungen; ich diskutiere über Ihre Neigung, Anträge der Grünen a priori abzulehnen.

(Abg. Hauk CDU: Von einem Antrag war doch überhaupt nicht die Rede!)

Nun auch noch ein Hinweis an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Man muss auch springen, wenn man Anlauf genommen hat. Sie haben am 29. Januar in einer Pressemitteilung verkündet, dass Sie selbst eine Parlamentsinitiative zum Thema Mannheim ergreifen würden.

(Abg. Reichardt CDU: Kurzer Sprung!)

Wenn ich nicht falsch recherchiert habe, gibt es diese Initiative im Gegensatz zu unserem Antrag bis heute nicht. Sie haben damals in der Presse die Lorbeeren schon eingeheimst. Es wäre richtig gewesen, dann auch einen Antrag zu schreiben, was etwas mehr Mühe macht als eine Pressemitteilung.

Jetzt zum eigentlichen Thema. Wir reden doch im Grunde genommen über die Frage „Bypass oder nicht?“. Ich denke, dieser Begriff des Bypasses ist eigentlich schon verräterisch, denn ein Bypass führt natürlich am Herz vorbei, am Herz der Region Rhein-Neckar in diesem Fall,

(Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

am Bahnhof Mannheim. Schon allein deswegen kommt das nicht infrage. Einer Operation am offenen Herzen in der Region Mannheim werden wir nicht zustimmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Hier geht es aber nicht um Lokalegoismus. Dieser Bypass schadet auch dem System Bahn als Ganzem. Ich will das kurz begründen.

Es gibt keinen Bedarf für diesen Bypass, aber er verursacht hohe Kosten in der Größenordnung von 350 Millionen €. Die Bahn argumentiert im Kern mit zwei Punkten, nämlich zum einen der Kapazität und zum andern der Nachfrage. Das sind die Argumente der Bahn für diesen Bypass, und beide sind unzutreffend.