Das ist das, was wir pädagogisch brauchen und was die Eltern brauchen, um Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können. Sie schaffen jetzt mindestens drei oder vier Modelle bei den Ganztagsschulen. Niemand weiß eigentlich mehr so richtig, was Sie wollen.
Einerseits sind die Ganztagsschulen, die Sie bisher eingerichtet haben, mit mehr Lehrerstunden lediglich an Brennpunktschulen eingerichtet worden.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Zeller SPD: So ist es! – Gegenruf des Abg. Schebesta CDU: 1 840 Deputate sind angekündigt!)
Mittel für Lehr- und Honorarkräfte einstellen wollen, um in der Zeit, bis wir einen Rückgang der Schülerzahlen haben und damit Lehrerstellen frei werden, überhaupt einmal Profis einstellen zu können. Kein einziger müder Euro ist bisher von Ihnen dafür in den Haushalt eingestellt worden.
Jetzt machen Sie Versprechungen für die Zukunft, wenn ein Schülerrückgang eintritt und dann Lehrer dabei frei werden. Ich habe Ihnen einen Brief geschrieben, Herr Ministerpräsident; denn im Haushalt stehen 8 700 k.w.-Vermerke für die Lehrerstellen.
Was bedeuten diese k.w.-Vermerke? Was bedeuten Ihre wolkigen Zusagen, die Sie machen? Das riecht doch alles danach, dass Sie jetzt im Wahlkampf gut Wetter machen wollen, und hinterher werden die Versprechungen eingesammelt. Was bedeuten diese 8 700 k.w.-Vermerke?
Ich habe Ihnen einen Brief geschrieben, damit wir in dieser Debatte Klarheit haben und man klipp und klar der Bevölkerung sagen kann, was jetzt wirklich geschieht. Wir wehren uns dagegen, dass Sie mit irgendwelchen wolkigen Versprechungen Wähler einsammeln und nach der Wahl die Versprechungen wieder einsammeln. Das können wir nicht zulassen.
(Abg. Schebesta CDU: Da müssen Sie einmal das CDU-Regierungsprogramm für die nächsten fünf Jahre nachlesen!)
Das Einzige, das Sie haben, ist der Jugendbegleiter. Dass eine Ganztagsschule nur mit ehrenamtlichen Kräften nicht geht, das muss doch wirklich jedem klar sein. Jetzt sind Sie verbal irgendwie zurückgerudert. Aber Sie nennen nicht präzise Stellen für die Ganztagsschulen für die nächsten Jahre. Da ist nichts ausgewiesen. Ich frage Sie noch einmal ganz konkret und präzise: Wie soll das bitte schön aussehen? Wie soll eine Ganztagsschule nur mit ehrenamtlichen Kräften funktionieren? Das ist völlig ausgeschlossen.
(Abg. Schebesta CDU: Wird das pädagogische Personal nun erhöht oder nicht? – Zuruf von der CDU: Er sagt immer die Unwahrheit! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Haben wir denn schon einen Haus- halt?)
Wir haben immer gesagt: Wir stehen den Jugendbegleitern positiv gegenüber, aber nur, wenn sie in Schulen kommen, an denen schon ein professionelles Gerüst an Lehrern vorhanden ist. Anders geht es nicht.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist doch Vorausset- zung! Deshalb haben wir das doch als Vorausset- zung beschlossen! Sie müssen doch einmal zur Kenntnis nehmen, Herr Kretschmann, dass wir das beschlossen haben! – Abg. Fleischer CDU: Das war nie strittig!)
Wenn man es umgekehrt macht, dann gefährdet man das Experiment mit den ehrenamtlichen Betreuern. So ist das in Wirklichkeit.
Das Wort „nichts Halbes und nichts Ganzes“, das versteht man überhaupt erst bei Ihrer Ganztagsschulpolitik.
(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Fleischer CDU: Man muss doch nicht jede gute Sa- che miesmachen!)
Ich sage Ihnen zum Schluss der ersten Runde noch einmal, wo das herkommt: Sie wollen jetzt ein Reformwerk innerhalb veralteter Strukturen des dreigliedrigen Schulsystems. Ich sage Ihnen, das wird nicht funktionieren. Sie werden auch unter dem Druck der Elternschaft endlich Abstand nehmen müssen von dieser Sortiererei, von diesem ungerechten Schulsystem, das die Chancen ganz ungleich verteilt, wie wir gestern wieder vom Beauftragten der UN gehört haben. Davon müssen Sie weggehen.
Wenn Sie das nicht endlich machen, dann wird Ihre Herumdoktorei und Herumbosselei am Schulende, Ihre Getriebenheit, jedes halbe Jahr eine andere Sau durchs Dorf zu treiben, nicht abnehmen. Und das wird zum Verdruss an den
Schulen führen, weil die Eltern und die Lehrer genug davon haben, jedes halbe Jahr etwas anderes tun zu müssen.
Wir brauchen ein klares Konzept hin zu einer selbstständigen Schule, mehr Wahlmöglichkeiten im Schulsystem selber, die Möglichkeiten, auch integrierte Basisschulen von unten her aufzubauen, weil das immer mehr gewünscht wird von der Gesellschaft und der Elternschaft. Erst wenn Sie diesen Weg beschreiten, dann kommen wir zu klaren Reformschritten anstatt dem Hin- und Hergebossel, das Sie heute der Öffentlichkeit vorführen.
(Abg. Fleischer CDU: Gemach, gemach! – Abg. Sieber CDU: Jetzt kommen die Fakten! – Minister Rau hält das Manuskript des Abg. Kretschmann GRÜNE hoch.)
(Abg. Seimetz CDU: Guck mal rein, was drin steht! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Nicht, dass der Minis- ter des Grünen Rede hält! – Heiterkeit)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon ganz interessant, dass hier eine Debatte zum Thema „gerechte Bildungschancen“ angekündigt wird und dann derjenige, der sie beantragt hat – der Fraktionsvorsitzende der SPD –, eine ganz platte Wahlkampfnummer daraus macht.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Wieso? Was haben Sie denn gestern bei der Presse gemacht?)
Sie haben sich nicht einmal der Frage gestellt, was eigentlich in einem Bildungswesen gerecht ist. Das haben Sie nicht getan. Denn da werden immer Dinge in die Welt gesetzt, die man dann als Annahmen weiter vor sich her trägt. Damit wird die Gerechtigkeitsfrage überhaupt nicht beantwortet. Ist es denn wirklich gerecht, einer bildungspolitischen Debatte zugrunde zu legen, dass die Menschen erst dann ihre Bildungschancen wahrnehmen, wenn sie alle auf das Gymnasium gehen?
Ist es gerecht, alle in eine Schule zu schicken, oder ist es gerechter, jedem eine passende Förderung im Bildungswesen zur Verfügung zu stellen?
Den Übergang auf das Gymnasium zum Maß der Menschen zu machen oder der Vielfalt Wege zu schaffen – was ist denn gerechter? Ist es gerechter, jedem das Gleiche zu geben oder jedem seine Chance zu geben? Auf all diese Themen gehen Sie doch hier überhaupt nicht ein.
Was wird als Beleg dafür angeführt, dass Sie sagen, bei uns seien die Bildungschancen ungleich verteilt? PISA 2000 und PISA 2003.