Protocol of the Session on November 10, 2005

Nun wird Bedarfsplanung leider häufig rein quantitativ – sprich: habe ich soundso viele Plätze? – missverstanden. Der laut Bundesgesetz bestehende Anspruch der Eltern auf Wunsch- und Wahlrecht, auf Pluralität der Angebote und auf Subsidiarität, das heißt Vorrang des freien bzw. privaten Trägers, wird auf kommunaler Ebene schlicht und einfach nicht wahrgenommen. Dies gilt längst nicht in allen Fällen; das ist überhaupt keine Frage.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Aber einen Schlenker erlaube ich mir schon noch. Jetzt ist Herr Schmid leider nicht da.

(Abg. Fischer SPD: Wir sagen es ihm!)

Heute Vormittag, als wir über das Thema Subsidiarität diskutierten, wurde es plötzlich für ganz schlecht gehalten, dass der Private Vorrang haben soll. Aber wir sind uns, glaube ich, einig, dass gerade in diesem Bereich die Aufgabenwahrnehmung durch den privaten, den freien Träger mit besonderen pädagogischen Zielrichtungen Vorrang vor einer kommunalen Erbringung der Aufgaben haben soll. Leider ist es eben nicht in allen kommunalen Köpfen drin, dass eine private Erledigung auch im Interesse einer schlanken und sogar häufig einer kostengünstigeren Aufgabenwahrnehmung sein kann und die Kommune nicht unbedingt alles selbst machen muss. Die Wahlkreis-Kommune, aus der ich komme, erledigt fast zu 100 % alles kommunal. Es ist meiner Meinung nach ein Denken von gestern, zu glauben, das müsse auf alle Ewigkeit so bleiben. Wir setzen ja gerade darauf, dass sich subsidiär auch neue Dinge entwickeln können.

Dieser qualitative Bedarf – sprich die unterschiedlichen pädagogischen Einrichtungen und Konzepte, aber zunehmend auch die mit einem unterschiedlichen Wohnort oder einem unterschiedlichen Arbeitsplatz einhergehenden Fragen – betrifft insbesondere die betrieblichen Einrichtungen und hat die Probleme an dieser Stelle noch verschärft.

Jetzt muss ich leider auch noch einmal genau auf die Lösungsmöglichkeiten kommen. Viele haben diese Freiwilligkeit ernst genommen und im April noch einmal eine Empfehlung unterzeichnet. Kollege Haas hat ja alles gesagt. Daran haben wir alle miteinander heftig mitgewirkt. Daran haben sich sehr viele gehalten; auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hat mit unterzeichnet. Von daher hätte es ja auch funktionieren können. Es hat offensichtlich nicht funktioniert.

Jetzt stellt sich die Frage, ob wir in irgendeiner Form gesetzgeberisch eingreifen müssen, und es gibt die Drohung, in den Finanzausgleich einzugreifen. Da springen Ihre Entwürfe eben leider zu kurz.

Das muss ich jetzt noch einmal erklären: Es ist halt so, dass die Zahl der bestehenden Gruppen vor Ort die Basis der pauschalierten Zuwendungen im Jahr 2002 war. Ich gehe davon aus, dass schon im Jahr 2002 Kinder aus dem Um

land in Stuttgart in Gruppen untergebracht waren. Dieses Geld ist auch jetzt noch bei der Stadt Stuttgart. Bei der pauschalen Zuweisung hat Stuttgart schon einmal für die Kinder, die im Jahr 2002 von außerhalb kamen, Geld gekriegt.

Jetzt mag sich seit 2002 zwar etwas verändert haben, aber doch nicht so, dass wir sagen können: „Jetzt wollen wir aber für jedes Kind von außerhalb zusätzlich Geld.“ Das geht überhaupt nicht.

Jetzt wird es noch komplizierter, weil wir einen Anteil nach der Kopfzahl eingeführt haben, nämlich jährlich 10 % und in einer letzten Stufe 5 %, damit die Veränderung der Kinderzahl in der Kommune in die Umschichtung mit einfließt. Die Basis der Zuweisung wird also entsprechend der Kopfzahl verändert. Hier wird es dann besonders kompliziert.

(Zuruf des Abg. Rückert CDU)

Richtig, bis zu 65 %. – Jetzt kann es sein, dass die Stadt Stuttgart – wenn hier die Kinderzahlen zurückgehen und sie im Umland etwas steigen – etwas weniger Geld kriegt.

Sie ersehen daraus schon, dass es schlicht und einfach unmöglich ist, hier eine gerechte Verteilung hinzukriegen. Vor allem diese einfache Lösung, die Sie vorgeschlagen haben, würde zu neuen Ungerechtigkeiten und zu neuen Schwierigkeiten führen. Deswegen ist das leider kein gangbarer Weg.

Unser Weg sieht so aus: Wir wollen – ich hoffe, dass wir das gemeinsam hinkriegen; es steht eigentlich schon im Bundesgesetz, im Kinder- und Jugendhilfegesetz, drin –, dass der örtliche Träger zuständig ist für die Beachtung der Subsidiarität sowie des Wunsch- und Wahlrechts der Eltern und damit auch für die Bedarfsplanung derjenigen, bei denen es kommunal nicht funktioniert, nämlich den Landkreisen. Wir wollen, dass dies im Gesetz noch präzisiert und verbindlich gemacht wird. Denn im Gegensatz zu dem, was wir uns vorgestellt haben – dass das auch moderierend passiert –, ist das Ganze manchmal nicht über Kaffee und Kuchen für Gesprächsrunden hinausgegangen.

Deswegen werden wir dieses Gesetz vermutlich so präzisieren, dass der Landkreis dann einen Gesetzesauftrag hat, damit die Einigung auf einer einigermaßen fairen Ebene erzielt werden kann.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Daher bin ich sicher, dass wir noch in dieser Legislaturperiode Wort halten werden

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Super! Klasse! Wunderbar!)

und da, wo es nicht freiwillig funktioniert hat, das Gesetz noch präzisieren werden. Aber im Grunde genommen werden wir eine bundesgesetzliche Vorgabe noch konkreter ins Landesgesetz hineinschreiben. Damit, denke ich, werden wir die Probleme fair lösen können.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Rückert CDU)

Das Wort erteile ich Frau Staatssekretärin Dr. Stolz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist in der Tat fast nur Richtiges gesagt worden, und vielleicht kann ich zu einem versöhnlichen Ende beitragen. Ich werde auch die Redezeit, die ich habe, nicht voll ausnutzen, wie es vorhin mein Kollege, Herr Sieber, auch getan hat.

Als wir zu Beginn des vergangenen Jahres die Kindergartenfinanzierung auf die Gemeinden übertragen haben, war es unser ausdrücklicher Wunsch, hierdurch die Selbstverwaltung der Gemeinden zu stärken und die Förderung der Kindergärten am örtlichen Bedarf auszurichten – nicht mehr wie in der Vergangenheit; das wurde schon angesprochen, ich will es nicht ausführen. Zu dieser Stärkung der kommunalen Selbstverantwortung stehen wir weiterhin.

Natürlich ist es nicht in unserem Sinne, dass Eltern, die ihre Kinder in einem Kindergarten am Arbeitsort anmelden wollen, dort keinen Platz bekommen, weil sich die Wohngemeinde weigert, diesen Platz in der anderen Gemeinde zu bezuschussen, oder dass sie dafür mit den vollen Kosten zur Kasse gebeten werden. Das liegt nicht in unserem Interesse.

Es ist auch nicht in unserem Sinne, dass gemeindeübergreifende Einrichtungen, zum Beispiel Waldkindergärten, unter der strittigen Bezuschussung zwischen den betroffenen Gemeinden zu leiden haben. Auch das Wahlrecht der Eltern ist für uns ein hohes Gut, das hier an erster Stelle steht.

Die Probleme sind benannt, und die Probleme sind auch erkannt. Da sind wir uns alle einig. Die kommunalen Landesverbände und das seinerzeit zuständige Sozialministerium haben im April eine Vereinbarung getroffen. Darauf wurde schon mehrfach hingewiesen. Diese Empfehlungen wurden seither nicht umgesetzt. Auch das wurde schon gesagt.

Die kommunale Seite hat das bestehende Problem erkannt und sucht nach Lösungen. Auch die Landesregierung wünscht eine gesetzliche Regelung. Bei einem Gespräch mit den kommunalen Landesverbänden am vergangenen Freitag haben auch die Verbände erstmals anklingen lassen, dass ihnen an einer klaren gesetzlichen Regelung gelegen ist.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Es ist verständlich, dass die Geduld vieler hier in den Fraktionen – und ich darf ehrlich sagen: auch meine eigene – langsam an ihre Grenzen gekommen ist.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wir haben Verständnis!)

Aber dennoch sollten wir, gerade nach den positiven Gesprächsergebnissen der letzten Woche, nach diesem Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden, das uns bei dem Thema „Kinderbetreuung und Ganztagsbetreuung“ ein großes Stück weitergebracht hat,

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Ist das jetzt der ver- söhnliche Teil, oder was?)

die Chance einer einvernehmlichen Regelung mit den Kommunen nutzen.

Frau Sitzmann ist jetzt nicht mehr hier, aber ich erinnere mich, dass sie bei dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt sehr oft darauf verwiesen hat, dass man gegenüber den Kommunen in der Verpflichtung einer fairen Zusammenarbeit steht. Ich denke, wir sollten das ernst nehmen.

Schon in der nächsten Woche werden auf Arbeitsebene Gespräche zwischen dem Kultusministerium und den kommunalen Landesverbänden geführt, um über den Inhalt eines Gesetzes zu verhandeln.

Ihre Gesetzentwürfe stellen zwei Möglichkeiten unter mehreren dar. Ich denke, es würde heute wenig Sinn machen, wenn wir hier ins Detail gingen und dadurch vielleicht Präjudizierungen vornähmen, die möglicherweise eine einvernehmliche, gute Regelung verhindern. Wir haben ja im Bund nun einige Jahre lang erlebt, dass schnelle und schlampige Gesetzgebung uns nicht weiterbringt.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Sakellariou SPD: Erheiternd! – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Das wird sich jetzt ja ändern! – Lachen der Abg. Ursula Haußmann SPD – Zuruf der Abg. Ma- rianne Wonnay SPD)

Da hoffen wir alle gemeinsam, dass das jetzt besser wird. Aber hier im Land sollten wir gar nicht der Versuchung erliegen, Schnellschüsse zu produzieren. Wir würden damit vielleicht auch langfristig tragfähige Lösungen – gerade auch im Sinne der Kommunen tragfähig – verhindern. Denn auch hier gilt, was Herr Ministerpräsident Oettinger gestern in seiner Regierungserklärung gesagt hat: Wir verstehen unsere Politik so: Führung durch das Land, aber Einvernehmen mit den Kommunen. Ich darf hinzufügen: natürlich im Interesse der Eltern. Das ist uns ein wichtiges Gut.

Ich würde Sie einfach bitten, die Verhandlungen in der nächsten Woche abzuwarten. Es wird zu einer gesetzlichen Regelung kommen, und ich glaube, da werden wir gar nicht so weit auseinander liegen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Wonnay.

(Abg. Rückert CDU: Ha no! – Abg. Scheuermann CDU zu Abg. Marianne Wonnay SPD: Irgendwann kann man doch auf die Kollegen Rücksicht neh- men! Es ist schon fast sechs Uhr! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Es ist noch nicht mal sieben! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Der Fanklub meldet sich!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nach diesen freundlich-aufmunternden Worten möchte ich jetzt noch einmal in die Tiefe des Themas gehen.

(Heiterkeit – Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD und Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Dr. Noll (Marianne Wonnay)

FDP/DVP: Wir bitten darum! Wenn wir noch antworten dürfen! – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Das weiß ich, dass Sie eine fachlich tiefe Auseinandersetzung immer schätzen, Herr Kollege Noll.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)