Protocol of the Session on November 21, 2024

Deswegen kommen wir jetzt zur

lfd. Nr. 3:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 22

Kiezparkhäuser für lebenswerte und verkehrssichere Kieze

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Mobilität und Verkehr vom 6. November 2024 Drucksache 19/2018

zum Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD Drucksache 19/1757

In der Beratung beginnt die SPD-Fraktion und das mit dem Kollegen Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit, weniger Staus und Luftverschmutzung, Klimaschutz und eine gerechte Verteilung des öffentlichen Raums – das sind die Ziele des Mobilitätsgesetzes in Berlin. Dieses Gesetz braucht es heute und morgen für eine erfolgreiche Mobilitätswende. – Mit diesen Sätzen habe ich im Sommer dieses Jahres die letzte Rede zu diesem Thema im Plenum begonnen. Ich wiederhole sie heute, um noch mal für uns herauszustellen, gerade auch in dieser Woche, wie wichtig uns als SPD-Fraktion dieses Gesetz und die Ziele weiterhin sind. Um diese Ziele zu erreichen, brauchen wir den Ausbau von Fahrradwegen und insbesondere den öffentlichen Nahverkehr in der gesamten Stadt. Wir brauchen dafür aber auch weniger motorisierten Individualverkehr. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass in ganz Berlin immer mehr Menschen immer weniger auf ein Auto angewiesen sind.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir brauchen aber auch eine Lösung für diejenigen, die heute ein Auto haben und auch noch morgen eins brauchen werden, denn die Nutzungskonkurrenz im öffentlichen Raum wächst weiterhin, einerseits, weil der absurde Trend zu immer größeren Autos ungebrochen ist, andererseits verringern sich die Flächen für Parkplätze durch den überfälligen Ausbau von Fahrradwegen, durch notwendige Entsiegelung von versiegelten Flächen und durch die Steigerung der Verkehrssicherheit in den Kiezen und Kreuzungsbereichen. Um an die Debatte von heute Morgen anzuknüpfen: Wir werden uns trotz der immensen und auch schmerzhaften Einschnitte im Verkehrsbereich, die hier Montagabend vereinbart wurden, weiterhin dafür einsetzen, dass es passiert. Wir werden auch noch mal im Detail über die Prioritätensetzung der Verkehrsverwaltung nachdenken und reden müssen. Das haben wir aber auch schon angekündigt. Bei diesem notwendigen Weiterbau der Stadt werden wir aber auch

künftig neue Verkehrsflächen neu verteilen müssen. Das kann mit örtlich mehr Verkehr durch die Suche nach Parkplätzen einhergehen, die mehr Emissionen schaffen und noch mal die Verkehrsbelastung in den Kiezen erhöhen.

Deswegen haben wir uns als Koalition darauf verständigt, dass wir die Quartiersgaragen in Berlin fördern wollen, die sogenannten Kiezparkhäuser. Hier kann den Bewohnerinnen und Bewohnern Dauerparken für ihre Fahrzeuge ermöglicht werden. So können wir den öffentlichen Raum davon entlasten und zukünftig Menschen andere Nutzungen zur Verfügung stellen oder auch der Natur nach der Entsiegelung.

Um es mal in Zahlen zu gießen: Für ein mittelgroßes Auto, das meist nur von einer Person und für eine Stunde am Tag bewegt wird, werden im Schnitt 12,5 Quadratmeter Parkplatzfläche im öffentlichen Raum verbraucht. Das entspricht ungefähr der Größe eines Kinderzimmers. In Berlin gibt es rund zehnmal so viel Fläche für Parkplätze wie für Spielplätze. Nach Angaben der Verkehrsverwaltung sind das derzeit 14,6 Millionen Quadratmeter im öffentlichen Raum. Dieser Verbrauch ist viel zu hoch, zumal die Zahl der Autos in Berlin pro Kopf rückläufig ist.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wer einmal sehen und erleben möchte, was alles möglich sein kann, dem empfehle ich den Besuch eines Der PARK(ing) Day, wie er zuletzt am 20. September dieses Jahr stattgefunden hat. Jedes Jahr am dritten Freitag im September verwandeln Menschen Parkplätze in lebendige Orte für Menschen, von der grünen Oase zum Verweilen bis zur kreativen Bühne für Musikerinnen und Musiker. Dieses Engagement ist so wichtig, da es uns vor Augen führt, wofür und wieviel besser wir den öffentlichen Raum zwischen den Wohnhäusern nutzen können. Es braucht dazu nur mehr Mut, und zwar von allen hier in diesem Haus.

Eine Mobilitätswende in der Stadt braucht auch ein Konzept für Kiezparkhäuser in der ganzen Stadt. Die Mittel dafür stehen weiterhin im Haushalt, und der Senat ist auch damit beauftragt, das zu tun, und sollte die Arbeit zügig aufnehmen. Die Erfahrungen zeigen, dass Kiezparkhäuser von Anwohnerinnen und Anwohnern gut aufgenommen werden und im Idealfall Mobilitätsangebote und Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Sie werden daher auch in den Wohngebieten, die wir neu bauen, mitgeplant, wie im Schumacher Quartier in Tegel. Wir als Koalition wollen sie aber auch im Bestand und wegen der Möglichkeiten zum Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel insbesondere in der Nähe von ÖPNVStationen fördern. Darin waren sich alle demokratischen Fraktionen auch in den Fachberatungen im Ausschuss sehr einig. Dafür nochmal vielen Dank!

(Vizepräsident Dennis Buchner)

Zum Schluss möchte ich aber noch Folgendes zu bedenken geben: Kiezparkhäuser sind kein Selbstläufer. Teilweise werden diese Angebote nicht angenommen, weil die Zahlungsbereitschaft der Nutzerinnen und Nutzer fehlt. Dies hängt auch mit dem hohen Anteil an kostenlosem oder kostengünstigem Parkraum zusammen. Der Anwohnerinnen- beziehungsweise Anwohnerparkausweis kostet heute in der ganzen Stadt 10,20 Euro – das wurde heute Morgen auch schon mal erwähnt –, und zwar nicht pro Monat, sondern pro Jahr.

[Anne Helm (LINKE): Unglaublich, oder?]

Dieser Satz wurde auch seit 30 Jahren nicht mehr verändert. Das Mindeste wäre aus Sicht der SPD, dass sich das auf einem Niveau befinden muss, wo das Land Berlin keine Verluste macht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Aktuell decken die Parkgebühren nicht einmal die Kosten durch die Bearbeitung der anfallenden Kosten in der Verwaltung. Im Land Berlin entstehen dadurch jährlich 5,2 Millionen Euro Verlust. In dieser Lage ist das grotesk.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der Ball liegt bei euch. Wir sind dazu bereit, da ranzugehen.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Mit diesem Antrag machen wir heute als Koalition gemeinsam einen Schritt hin zu mehr Kiezparkhäusern für Menschen in der Stadt. Ich setze darauf, dass wir auch den nächsten gemeinsamen Schritt als Koalition gehen werden, so, wie wir es heute auch bewiesen haben. Wir wollen eine gerechte Verteilung des öffentlichen Raums in der Stadt und mehr Verkehrsentlastung für alle. Deswegen wollen wir auch Kiezparkhäuser für alle. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Die nächsten Schritte geht jetzt Frau Kollegin Kapek aus der Grünenfraktion, und zwar zum Rednerpult. – Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Schulz! Ich kann es nur noch mal sagen: Vielen Dank für diesen wirklich schönen Antrag! Vielleicht interessiert es auch unsere Gäste im Parlament: Tatsächlich ist das mal ein gutes Beispiel dafür, dass sich Parlament auch gemeinsam mit Problemen und Fragestel

lungen in unserer Stadt beschäftigen kann und dann gemeinsam Lösungen entwickelt. In diesem Fall waren wir nämlich als Ausschuss für Mobilität zusammen in Wien, und Wien macht es bereits vor, sowohl die Kiez- als auch die Quartiersgaragen. Insofern bin ich hier vor allem der SPD sehr dankbar, dass Sie diesen wirklich guten Vorstoß aus Wien aufgegriffen haben und zu einem parlamentarischen Antrag umgesetzt haben.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir haben dann auch in Ergänzung der Debatte im Ausschuss als Grünenfraktion noch einmal einen Änderungs- oder vielmehr einen Ergänzungsantrag gestellt, in dem wir vorgeschlagen haben, dass man versucht, diese Kiezparkhäuser, diese Quartiersgaragen doch vor allem an ÖPNV-Stationen verstärkt zu fördern. Auch das hat die Koalition aufgegriffen. Auch hierfür unser ausdrückliches Dankeschön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es gibt noch einen weiteren Punkt, den wir vorgeschlagen haben, nämlich, dass man, um auch Anreize zu schaffen, von diesem Angebot Gebrauch zu machen, mit den privaten Betreibern von Parkhäusern darüber verhandelt, ob man nicht zum Beispiel den Menschen, die zusätzlich zu ihrem privaten Kfz auch ein Umweltticket oder ein Deutschlandticket besitzen, eine vergünstigte Parkmöglichkeit einräumt, um den Umstieg zu erleichtern, oder umgekehrt, man das Parkticket vielleicht auch als Nahverkehrsticket einsetzen kann. Das war der Koalition dann aber doch zu teuer. Schade!

Ich glaube, am Ende des Tages sind wir uns alle einig, dass es eine gute Idee ist. Die Frage ist jetzt nur: Wie setzen wir sie um? An der Stelle fand ich sehr interessant, in der letzten Woche gelesen zu haben: Es gab eine Zählung der Parkplätze in Berlin, und – oh Wunder! – es gibt mehr Parkplätze als Autos. Die gesamte Debatte um: Oh, die Parkplätze fallen weg! – ist tatsächlich oft stark übertrieben. Selbst visitBerlin hat hier noch mal eine Zählung vorgenommen, und in Berliner Parkhäusern stehen mindestens 35 000 Parkplätze zur Verfügung. Die meisten von uns werden aus eigener Erfahrung wissen: Diese werden fast nie genutzt. Die Parkhäuser stehen oft leer. Umso wichtiger ist es also zu sagen: Lasst uns doch den öffentlichen Raum freikriegen für die Busspur, für die Rettungsgasse, für die Feuerwehr, für die BSR, die die Mülltonne bei mir zu Hause abholt, oder vielleicht auch einfach mal für den Handwerksbetrieb, der meine Toilette reparieren muss.

Warum sollte ich das aber tun – der Kollege Schulz hat schon darauf hingewiesen –, wenn Parken auf öffentlichem Straßenland ja quasi kostenlos ist? Ein paar Cent pro Tag sind umgerechnet die 10 Euro, die ich im Jahr für das Anwohnerparken zahlen muss. Das ist nicht nur lächerlich, das deckt bei Weitem nicht einmal die Ver

(Mathias Schulz)

waltungskosten. Insofern kann ich hier den Vorstoß des Kollegen Schopf von der SPD auch nur unterstützen, der sagt: Hier muss sich etwas ändern. – Die Kosten für das Parken im öffentlichen Straßenland müssen die tatsächlichen Gegebenheiten widerspiegeln.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vor allem: Wenn ich mehr Parkplätze habe als Autos, dann muss ich ja irgendwie einen Anreiz dafür schaffen, dass Menschen an der richtigen Stelle parken. Wenn ich das tun will, dann brauche ich Push- und Pullfaktoren. Der Pushfaktor würde hier natürlich darin bestehen, dass ich die Parkgebühren anhebe – und zwar so, wie gerade gesagt, auf ein angemessenes Niveau.

Wir sprechen heute den ganzen Tag über die gravierenden Auswirkungen, die Ihr Kahlschlag im Haushalt hat, explizit im Verkehrsbereich. Wenn wir wie die Stadt Wien flächendeckende Parkraumbewirtschaftung mit angemessenen Gebühren einführen würden, dann würden nicht nur die privaten Parkhausbesitzer davon profitieren, sondern dann hätten Sie auch Einnahmen, die Sie gleichzeitig als Reinvestitionen in den öffentlichen Nahverkehr nutzen könnten. Damit wäre der ganzen Stadt gedient.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Gönnen Sie mir diesen Schlusssatz: Da dieser Antrag in der Tat kein Selbstläufer ist, sondern ein Appell an den Senat, jetzt ein Konzept vorzulegen, kann ich nur hoffen, dass dies tatsächlich im besten Sinne zeitnah geschieht. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Dann hat als Nächstes für die CDU-Fraktion der Kollege Kraft das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kapek! Lieber Herr Schulz! Ich freue mich sehr, dass wir diesen Antrag jetzt hier in zweiter Lesung besprechen können. Am Inhalt des Antrags hat sich nicht viel getan, aber wir haben im Ausschuss eine interessante Diskussion geführt und haben eine kleine Ergänzung gemacht – da ging es um die ÖPNV-Stationen und die Nähe der Kiezparkhäuser zu diesen. Das hat den ohnehin schon guten Antrag sicherlich noch einmal ein Stück klarer gemacht und deutlich verbessert.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Mathias Schulz (SPD)]