Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 13. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, die Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreterinnen und Medienvertreter sehr herzlich.
Meine Damen und Herren! Es ist Frühsommer in Berlin, und wir alle nehmen in unserer Stadt gerade jeden Tag wahr: Es sind Hunderte Gruppen junger Menschen unterwegs, auch hier um das und im Abgeordnetenhaus, von der Grundschulklasse bis zum Abschlussjahrgang. Unzählige Schulen holen endlich das nach, was während der Pandemie unmöglich war. Endlich kehrt ein Stück Jugend und Freiheit zurück – für die Kinder und Jugendlichen selbst, aber auch nach Berlin, in unsere Stadt, die für so viele Menschen und insbesondere Jugendliche ein Sehnsuchtsort ist, auch für die Klassenfahrt, für die Kursfahrt oder für ein paar unbeschwerte Tage mit Freundinnen und Freunden, Tage, die auch eine 10. Klasse mit ihren Lehrinnen und Lehrern aus Nordhessen bei uns verbringen wollte.
Meine Damen und Herren! Es ist vielleicht die größte Angst, die uns allen innewohnt, plötzlich und unerwartet vom Unglück, im schlimmsten Fall sogar vom Tode, eines geliebten Menschen zu erfahren. Für viele Familien ist diese Angst gestern bittere Realität geworden. Wir sind in unseren Gedanken bei den Angehörigen der getöteten Lehrerin. Ein geliebter Mensch wird nicht mehr zurückkommen. Wir bangen und hoffen mit dem schwer verletzten Kollegen, den verletzten Schülerinnen, Schülern und den weiteren Verletzten. Wir denken und fühlen jedoch auch mit all denen, die am gestrigen Tag direkte Zeuginnen und Zeugen dieser Tat sein mussten, denn wir alle wissen: Es sind nicht nur die körperlichen Wunden, die heilen müssen.
Es tut mir leid, dass wir sie selbst und dass wir die von ihnen geliebten Menschen in unserer Stadt nicht vor dieser Tat schützen konnten. Es lässt viele von uns mit einem Gefühl von Ohnmacht zurück, denn wir wissen, dass es auch in Zukunft in einer freien Gesellschaft keine hundertprozentige Sicherheit geben kann. Doch gerade diese freie Gesellschaft allein kann uns den Halt geben, den wir in diesen schweren Momenten benötigen. Nur wenn wir zusammenhalten, nur wenn wir uns solidarisch verhalten, dann können wir das große Leid etwas erträglicher machen. Das Mitgefühl, das tröstende Wort, die helfende Hand und vielleicht auch die materielle Unterstützung in der Not: Das ist der Kitt für eine Gesellschaft, die zusammenhält.
Im Namen des Abgeordnetenhauses von Berlin danke ich allen, die gestern in kürzester Zeit am Einsatzort waren
und geholfen haben: den Ersthelferinnen und Ersthelfern, den Sanitätskräften, den Ärztinnen und Ärzten, der Feuerwehr, der Polizei, den Seelsorgerinnen und Seelsorgern und auch der Gedächtniskirche und ihrer Gemeinde, die den ganzen Tag Zufluchtsort war und eine gemeinsame ökumenische Andacht organisiert hat.
Ich danke auch den Verantwortlichen im Senat, die alles getan haben, um die Lage zügig und besonnen zu evaluieren und gezielte Hilfen zu organisieren. Insbesondere bedanke ich mich, dass viele Kinder und ihre Eltern noch gestern zusammengebracht werden konnten und auch für eine erste psychologische Betreuung der Jugendlichen durch unsere Schulpsychologinnen und -psychologen gesorgt wurde. Es zeigt sich, durch die Konsequenzen, die wir als Parlament und Regierung aus den Geschehnissen vor fünfeinhalb Jahren gezogen haben, und die Vorbereitungen, die wir getroffen haben und von denen wir uns gewünscht hätten, dass wir sie nicht brauchen, dass es gestern funktioniert hat.
Meine Damen und Herren! Vieles spricht knapp 24 Stunden nach der Tat für einen Akt sinnloser Gewalt eines psychisch Erkrankten, aber noch wissen wir nichts Genaueres. Spekulationen und Analysen ohne eine solide Faktenlage bringen uns nicht weiter, erst recht nicht in einer solchen Situation. Deshalb ist heute und hier im Parlament die Stunde der Anteilnahme und nicht die Stunde der politischen Debatte. Wir haben jedoch mit allen Fraktionen dieses Hauses verabredet, dass Frau Senatorin Spranger uns im Rahmen der Fragestunde ausführlich zu den aktuellsten Erkenntnissen informieren wird.
Viele von uns erinnert das Geschehen vom gestrigen Vormittag an die Tat, die Berlin vor fünfeinhalb Jahren so hart getroffen hat. Auch wenn das Motiv des Attentäters vom Breitscheidplatz, der 13 friedliche Menschen auf dem Weihnachtsmarkt ermordete und fast 70 weitere verletzte, ein anderes zu sein scheint. Diese Bilder sind gestern in vielen von uns wieder wachgeworden. Diese Geschehnisse bewegen uns bis heute.
Andere Menschen mussten gestern Dinge erleben und beobachten, die sie nicht vergessen werden. Sie haben Verletzungen erlitten, von denen sie sich vielleicht nicht oder nur langsam wieder erholen werden. Eine Frau hat ihr Leben verloren, und auch, wo körperliche Wunden heilen, werden Narben auf der Seele bleiben. Sie alle sollen wissen: Sie sind nicht allein! Das Parlament, die Regierung und die Menschen in unserer Stadt sind für Sie da, nicht nur mit Gedanken und Gebeten, sondern mit tatkräftiger Unterstützung. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute auf der Tribüne besonders einige junge Unternehmerinnen und Unternehmer begrüßen, die seit gestern im Rahmen des
Brandenburg e. V. veranstalteten ersten Know-howTransfers im Austausch mit den Abgeordneten aller Fraktionen sind. Ich freue mich sehr über diese Gelegenheit, das wechselseitige Verständnis zwischen Politik auf der einen Seite und Unternehmerinnen und Unternehmern auf der anderen Seite zu stärken.
Ganz besonders möchte ich auf der Tribüne heute auch Gabriele Husner von der BVG begrüßen. Viele Kolleginnen und Kollegen kennen sie. Frau Husner ist heute das letzte Mal offiziell für die BVG im Haus, bevor sie sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Sie kam von der Nachrichtenagentur dpa zur BVG und war das Ohr des landeseigenen Unternehmens im Parlament und stets die Ansprechpartnerin für die Abgeordneten zu fast allen Fragen der BVG. Sie haben geduldig die Fragen zu Linien, Haltestellen und Takten beantwortet, Besuche in Tunneln und Werkstätten organisiert und kurz in alle Ecken der BVG vermittelt. – Liebe Frau Husner! Vielen Dank für zwei Jahrzehnte Unterstützung des Parlaments und Ihnen alles Gute für die Zukunft!
Dann komme ich zum Geschäftlichen: Zunächst möchte ich Sie auf den Entwurf eines Terminplans für die Plenarsitzungen im nächsten Jahr hinweisen, der Ihnen als Tischvorlage zur Verfügung gestellt wurde und zu dem im Ältestenrat Einvernehmen bestand. Wer also dem Vorschlag des Ältestenrats für diesen Terminplan zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Terminplan für das Jahr 2023 so beschlossen.
In der nächsten Plenarsitzung am 23. Juni 2022 wird das Haushaltsgesetz 2022/2023 mit dem Haushaltsplan für das Land Berlin in zweiter Lesung beraten. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, dass diese Plenarsitzung wie üblich – also wie üblich für Haushaltsberatungen – bereits um 9 Uhr beginnt. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Dann darf ich hierzu das Einvernehmen des Hauses feststellen.
Nun aber zur heutigen Sitzung. Am Dienstag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
Thema: „Armutswelle droht durch Preissteigerungen – sozialen Zusammenhalt bewahren, Berlin bleibt solidarisch“
trifft die Berliner, Senat schraubt Gebühren hoch, vergisst aber Rentner und Studenten bei der Energiekostenpauschale“
mutswelle droht durch Preissteigerungen – sozialen Zusammenhalt bewahren, Berlin bleibt solidarisch“
versinkt im Müll, der einzige Staubsaugerzug defekt – wann schafft Berlin Sauberkeit im öffentlichen Raum?“
Die Fraktionen haben sich auf das Thema der Fraktion der CDU „Inflation trifft die Berliner, Senat schraubt Gebühren hoch, vergisst aber Rentner und Studenten bei der Energiekostenpauschale“ verständigt. Somit werde ich gleich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Die anderen Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Dann darf ich auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Dringlichkeitsliste verweisen. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 2 A, 12 A, 17 A, 26 und 27 in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch zur Dringlichkeitsliste höre ich nicht. Damit ist die dringliche Behandlung dieser Vorgänge beschlossen.
Zum Tagesordnungspunkt 12 A, dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 2. Juni 2022 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 8. Juni 2022, Drucksache 19/0389 zur Vorlage – zur Beschlussfassung – auf Drucksache 19/0309 „Gesetz zur Änderung des Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetzes“, darf ich feststellen, dass einvernehmlich von der in § 33 Abs. 1 Satz 2 unserer Geschäftsordnung vorgesehenen Zweitagesfrist abgewichen wird.
Zum Tagesordnungspunkt 17 A, dringlicher Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/0390 „Gesetz zur Wiederherstellung der Parität in der Schulkonferenz“, darf ich feststellen, dass die Dringlichkeit einvernehmlich beschlossen wurde, sodass die nach § 59 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Abgeordnetenhauses vorliegt. Unsere heutige Tagesordnung ist damit so beschlossen.
Auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen – und stelle fest, dass auch dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit angenommen.
Inflation trifft die Berliner, Senat schraubt Gebühren hoch, vergisst aber Rentner und Studenten bei der Energiekostenpauschale
Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. In der Runde der Fraktionen beginnt die Fraktion der CDU, und für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Wohlert das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen im Berliner Abgeordnetenhaus! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 27. Februar 2022 trat der Bundeskanzler vor den Deutschen Bundestag, um drei Tage nach dem Überfall des Kremls auf die Ukraine eine Zeitenwende der deutschen Politik zu verkünden. Zwar traf die Zeitenwende in erster Linie die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, doch eines ist jetzt schon sicher: Die Zeitenwende kann, darf und wird dort nicht aufhören, denn eine Zeitenwende kündigt sich heute schon deutlich an, und zwar auch in der Finanz-, Energie- und Sozialpolitik. Diese Entwicklung wird nicht an den Toren unserer Stadt haltmachen. Die Rede ist von einer immer stärker anziehenden Inflation, höheren Energiekosten, die immer mehr Bürger unserer Stadt in tiefste Existenznöte treibt. Hier steht der Senat, hier steht das Land Berlin insgesamt vor einer besonderen Herausforderung.
Berlin hat im Vergleich zu den meisten deutschen Großstädten einen besonders hohen Anteil an Leistungsempfängern. Allein mehr als eine Million Rentner und Studenten leben in der Hauptstadt. Genau die sind es aber, die von der sich beschleunigenden Entwertung des Geldes in besonderer Weise betroffen sind. Besonders hart trifft es Rentner und Sparer, wenn ihr sauer Erspartes Jahr um Jahr für 7, 8 oder mehr Prozent schrumpft, ohne dass sie auch nur einen einzigen Cent ausgegeben haben.
Wir müssen uns, so schwer es auch manchen fallen mag, darauf einstellen, dass die höhere Inflation uns noch länger begleiten wird. Alle vorangegangenen Versicherungen der Europäischen Zentralbank, dass es sich hier nur um ein vorübergehendes Phänomen handeln könnte, haben sich mehrfach als falsch erwiesen.
Wenn also die Inflation nicht so schnell vorübergeht, und das ist die Überzeugung der überwiegenden Mehrheit der