Protocol of the Session on September 3, 2020

[Zuruf von der FDP]

Sehr geehrter Herr Kollege Schneider! Vielen Dank, dass Sie noch einmal nachfragen, weil Sie offenbar – ich glaube, Sie sind auch im Hauptausschuss tätig, wenn ich das richtig verfolgt habe – die Haushaltsberatung im letzten Jahr mitbekommen haben, zumindest am Rande, wenn Sie das Thema Bildung interessiert hat. Sie werden festgestellt haben, dass die CDU-Fraktion zu all diesen Punkten differenziert und einzelne entsprechende Anträge gestellt und sie sogar gegenfinanziert hat. Sie haben sie nur sämtlich alle abgelehnt. Das ist das Problem. Das ist die Realität.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Das können wir Ihnen gerne nachweisen. Wir müssen hier keine Märchen erzählen. Sie wissen offenbar nicht, wie es geht. Lassen Sie es doch bitte jemanden machen, der weiß, wie es geht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wenn wir auf eine Pandemie oder andere Krisen in der Zukunft vorbereitet sein wollen, wenn wir für gute technisch ausgestattete Schulen sorgen wollen, wenn wir nicht wieder Unterrichtsausfall in massiver Größenordnung haben wollen, wenn wir Präsenzunterricht durch digitales Lehren und Lernen ergänzen wollen, wenn wir das alles wollen, müssen Sie endlich anfangen erstens jetzt neu – ich sage es zum dritten Mal –, die Erkenntnis zu gewinnen und zweitens auch einmal umzusetzen. Das fängt damit an, dass Sie einen Breitbandanschluss an die Schulen legen. Auch das haben wir in den letzten Haushaltsberatungen beantragt. Sie wollen sich von jetzt an vier Jahre Zeit lassen. Vier Jahre! Ohne einen Breitbandanschluss bekommen Sie kein funktionierendes WLAN an die Schule. Ich kann Ihnen das gerne technisch noch ein bisschen erläutern, wenn Sie auch da ein Erkenntnisproblem haben. Erst dann können wir zugreifen auf eine Cloud. Ansonsten geht das nämlich aus der Schule heraus

nicht. Erst dann können wir sicherstellen, dass wir überhaupt auf Krisen reagieren können.

Dass Sie im März dieses Jahres nicht vorbereitet waren, nehme ich niemandem übel. Ich glaube, das waren wir alle nicht. Dass Sie unseren Antrag vor den Osterferien abgelehnt haben, die digitale Ausstattung in den Schulen zu ertüchtigen, nehme ich Ihnen übel. Dass Sie vor der Sommerpause unseren Antrag abgelehnt haben, die digitale Ausstattung zu ertüchtigen, nehme ich Ihnen übel. Dass Sie sich hinstellen und sagen: Aber ich habe doch 9 600 Pads gekauft; ich habe zwar die Frage nicht beantwortet, welche Software darauf ist, welche Apps darauf sind, ob es eine homogene Struktur ist und ob die Datenschutzbeauftragte eingebunden ist, das weiß ich alles nicht, aber ich habe 9 600 Pads gekauft für 370 000 Schüler und 33 000 Lehrer – das nehme ich Ihnen übel. Entschuldigen Sie, das ist wirklich eine Bankrotterklärung. Ich bitte Sie jetzt, nehmen Sie die Erkenntnisse mit – ich biete es Ihnen gern an – nehmen Sie diesen Antrag mit, und dann setzen Sie bitte um.

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Nein, nicht mehr! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Torsten Schneider (SPD): Sehr, sehr billig! – Paul Fresdorf (FDP): Eure Bildungspolitik! – Torsten Schneider (SPD): Ich sage: Klar geschwindelt! – Paul Fresdorf (FDP): Beweis mal das Gegenteil!]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Kollegin Brychcy jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Frau Dr. Jasper-Winter! Die Zeit der Coronaschulschließung hat uns in Berlin unmissverständlich deutlich gemacht, dass wir bezüglich der Digitalisierung im Bildungsbereich riesigen Nachholbedarf haben. Darin gibt es auch nichts zu beschönigen.

In Bildungsausschuss letzte Woche haben wir unter anderem über die Beschaffung von Endgeräten für Schüler und Schülerinnen diskutiert. Es ist klar geworden, dass die Digitalisierung von Bildungsangeboten ein sehr komplexer Prozess ist und vor allem ein tragfähiges Konzept braucht. Dass die Bildungsverwaltung ad hoc während der Schulschließung knapp 10 000 Endgeräte für Schüler und Schülerinnen, die einen dringenden Bedarf haben, angeschafft hat, um ihnen Teilhabe am digitalen Lernen

zu ermöglichen, wurde fraktionsübergreifend unterstützt. Nun stehen wir vor der Ausschreibung für 40 000 weitere Schüler- und Schülerinnen-Endgeräte, für die ein Bedarf erhoben wurde, und es stellen sich jetzt viele Fragen zum Betriebssystem, wie man absichert, dass die Geräte langlebig, nachhaltig, gut administrierbar und datenschutzkonform sind, wie sie versichert sind und wie die Schulen auch über die Auswahl mitbestimmen können.

Sie, liebe Frau Jasper-Winter, fordern dafür in Ihrem Antrag pauschal 14 Millionen Euro mehr, als die 51 Millionen Euro, die von Land und Bund jetzt gerade schon zur Verfügung stehen. Fordern kann man natürlich auch immer alles, aber die Herausforderung liegt momentan nicht in den Finanzen, sondern, wie gesagt, bei der Konzeption und der konkreten Ausgestaltung der Ausschreibung. Mitte August einigten sich Bund und Länder auf ein weiteres 500-Millionen-Euro-Paket, das ermöglicht, dass auch alle Berliner Lehrkräfte einen Dienst-Laptop erhalten werden. Auch hier hat die Bildungsverwaltung die Aufgabe, Konzept, Ausschreibung und Umsetzung für die Gerätebeschaffung zügig auf den Weg zu bringen. An Geld fehlt es momentan nicht.

Weiterhin fordern Sie in Ihrem Antrag, liebe FDP, dass weitere 7,5 Millionen Euro für den Lernraum Berlin zur Verfügung gestellt werden. Und auch wir als Linke halten diese öffentliche Lernplattform für unterstützenswert und ausbaufähig. Aber wenn man als Land so viel Geld investieren würde, stellt sich natürlich die Frage, inwieweit die Lernplattform von den Schulen auch genutzt wird. Aktuell nutzen viele Schulen eigenverantwortlich sehr diverse Lernmanagementsysteme.

[Paul Fresdorf (FDP): Ist ja Quark!]

Etwa 5 bis 10 Prozent der Berliner Schüler und Schülerinnen nutzen derzeit nur den Lernraum. Wenn man jetzt solche Investitionen in dieser Größenordnung tätigt, wäre es nur sinnvoll, wenn der Lernraum dann auch als verpflichtende Plattform für alle Berliner Schulen festgelegt würde.

Wir sind gerne bereit, darüber zu diskutieren, weil aus unserer Sicht natürlich ein landeseigenes und für die Schulen auch kostenfreies Angebot deutlich vorteilhafter ist und würden uns natürlich freuen, wenn die FDP hier an unserer Seite wäre, den Wildwuchs der privaten Lernplattformen in Berlin zu beenden.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Jasper-Winter?

Okay. Ja.

(Dirk Stettner)

Bitte schön!

Liebe Frau Kollegin! Stimmen Sie mit mir denn darin überein, dass man gerade diese Mittel, die wir im Antrag für den Lernraum Berlin fordern, braucht, um diese Plattform praktikabler und attraktiver zu machen, damit die Schulen sie dann noch alle möglichst freiwillig und mit Freude benutzen und sich auch untereinander vernetzen können?

Es ist so, dass wir die Mittel für den Lernraum auch noch einmal aufgestockt haben, auch noch einmal mehr Lehrkräfte eingestellt worden sind, um den Lernraum gut aufzustellen und eine Teilung der einzelnen Partitionen vorgenommen wurde, um den leistungsfähiger zu machen. Dass er jetzt aktuell nicht so gut benutzbar ist, dem würde ich zustimmen, dass es von der Oberfläche her noch Verbesserungsbedarf gibt. Aber 7,5 Millionen Euro sind eine Menge Geld. Wenn man das macht, muss man eben auch sagen, dass es das Angebot ist, mit dem wir die Schulen versorgen wollen. Man muss eben eine Richtungsentscheidung treffen. Darum geht es. Ob das mit eigenverantwortlicher Schule vereinbar ist, muss man dann diskutieren. Dazu sind wir bereit. Das habe ich gesagt.

Jetzt setze ich einmal fort. Dass es selbstverständlich ein gutes Fortbildungsangebot für das pädagogische Personal braucht, ist absoluter Konsens. Auch hier hat die Senatorin auch von dem breiten Angebot im Ausschuss schon berichtet. In Ihrer Begründung, Frau Dr. Jasper-Winter, schreiben Sie, dass es neben der IT-Infrastruktur auch Geräte und Fortbildungen braucht. Da stimme ich Ihnen absolut zu. Aber ohne ausreichenden Breitbandanschluss, Verkabelung und WLAN wird es im Lehrerzimmer schwer werden, wenn 30 Kollegen und Kolleginnen, die vielleicht auch schon mit neuen Dienst-Laptops ausgestattet sind, gleichzeitig ins Internet wollen, weil mit einem 16 MBit/s-Anschluss kämen bei jeder Lehrkraft ungefähr 500 KBit/s an, und das wäre eben Internet auf dem Niveau von 1999, nur dass heute die Internetseiten sehr viel mehr Daten übertragen.

Deswegen ist es wichtig, dass das Hauptaugenmerk des Senats auch auf Breitband ausgelegt wird und, wie wir bei den OSZ gesehen haben, die nun bis Ende des Jahres endlich alle angeschlossen sein werden, liegt es auch nicht zuvorderst am Geld, sondern an der Koordination, an den Kapazitäten des ITDZ, an Genehmigungsprozessen und natürlich auch an der Bautätigkeit, die natürlich auch begrenzt ist. Insofern bin ich Ihnen schon dankbar, dass Sie Digitalisierung im Bildungsbereich heute wieder auf die Tagesordnung gesetzt haben. Das finde ich sehr

gut und wichtig. Die Herausforderung ist diesmal jedoch nicht die Finanzierung, sondern die Verausgabung der zur Verfügung stehenden Mittel. Das müssen wir jetzt engagiert wie nie umsetzen, denn es geht um digitale Teilhabe für alle Schülerinnen und Schüler und gute Arbeitsbedingungen für alle Pädagoginnen und Pädagogen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe auch als Parlament, genau dafür zu sorgen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Die FDP springt im Bummelzug auf das Thema auf!]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Kerker das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Berliner! Gemäß Artikel 21 unseres Grundgesetzes wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Das ist eigentlich eine Selbstständigkeit für jede Partei. Wenn man allerdings über mehrere Jahrzehnte nur als Mehrheitsbeschaffer fungierte, tut man sich bei der Findung politischer Themen offenbar schwer.

Nachdem ihnen nach vier Jahren das Thema Tegel quasi davongeflogen ist, bemühen sich die Kollegen der FDP offenbar krampfhaft um ein neues Kernthema. Nun soll es offenbar die Digitalisierung der Schulen sein.

Der Antrag der FDP fordert im Kern ja nichts anderes, als eine Erhöhung der Mittel für die zukünftige Digitalisierung der Schulen. Hätten Sie sich mit der Thematik mal ernsthaft beschäftigt, wüssten Sie, dass das Kernproblem nicht die Finanzierung ist. Etliche Mittel aus dem Digitalpakt wurden bislang nicht abgerufen. Es fehlt an Firmen und Fachkräften, die die Digitalisierung umsetzen können. Dazu liefern Sie in ihrem Antrag allerdings keinerlei Lösungen. Sie folgen vielmehr dem Duktus Ihres Bundesvorsitzenden mit den Forderungen, ohne sinnvolle, konstruktive Vorschläge.

Eine pädagogische Binsenweisheit scheint verlorengegangen zu sein. Wir dürfen nicht vergessen, dass trotz der Herausforderung eines digitalen Zeitalters Lernprozesse vor allem durch das Schüler-Lehrer-Verhältnis und die Kommunikation im Klassenzimmer gestaltet werden. Trotz des reflexhaften Rufs nach einer digitalen Schule, kann Unterricht nur so gut sein, wie ihn der Lehrer gestaltet. Daran halten wir fest. Den Mangel an Lehrkräften wird man nicht durch Digitalisierung ausgleichen können, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der AfD]

Digitalisierung ist für einige Menschen geradezu ein Synonym für Bildung geworden. Das ist eine fatale Verwechselung. Die Forderung nach Digitalisierung im Unterricht korrespondiert einem mechanistischen, enthumanisierten Bildungskonzept. Da machen wir nicht mit! Durch Digitalisierung allein ist eine Hebung des Bildungsniveaus nicht zu erreichen. Selbst wenn morgen jeder Schüler in Deutschland wie durch Zauberhand ein iPad vor sich auf dem Tisch hätte, würde sich am Bildungsstand dieser Nation überhaupt nichts ändern.

[Ronald Gläser (AfD): So ist es!]

Kurzum – wenn die FDP plakatiert: Digitalisierung first, Bedenken second –, dann wird mit dem Verzicht auf das Nachdenken der Exitus der Bildung eingeläutet. Die Bildungspartei AfD setzt auf Nachdenken first.

[Beifall bei der AfD – Heiterkeit bei der SPD, der CDU, der Linken, den Grünen und der FDP]

Ja! Ist doch so!

[Heiko Melzer (CDU) Da müssen Sie ja selber lachen!]

Nein, ich muss da nicht lachen! Wir haben hier einen Antrag auf der Unerledigtenliste liegen. Sie verhindern ja leider, dass der auf die TO kommt. Wenn es wirklich mal um konkrete Umsetzung geht, Herr Melzer, da passiert doch bei Ihnen nichts.

[Paul Fresdorf (FDP): Wann haben Sie denn mal ver- sucht, einen Antrag durchzubringen? – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Wir versuchen das ständig, Herr Fresdorf!

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Sie brauchen keine Legenden hier erzeugen, das ist Quatsch, Herr Fresdorf. Das ist eher die Angst vor der Fünf-Prozent-Hürde, die Sie derzeit treibt.

[Paul Fresdorf (FDP): Ist das peinlich, wirklich!]

Also: Wir wollen nicht, dass durch die Unfähigkeit dieses Senats wegen unkoordinierten Handelns wieder einmal Steuergeld verbrannt wird. Wir wollen eine Gesamtstrategie zur Digitalisierung an Schulen sehen und keinen aktionistischen Digitalhype.

[Heiko Melzer (CDU): Wie sieht die denn aus?]

Wir können uns gerne im Anschluss mal zusammensetzen und gucken, ob da nicht vielleicht doch eine Möglichkeit besteht.