Noch etwas: Wann ist eigentlich der Impfschutz gegeben? – Er ist erst nach der zweiten Impfung wirklich gegeben. Das heißt also, nach Ihrem Antrag können Sie kein Kind in die Kindertagesstätte lassen, dessen Eltern nicht nachweisen, dass es zwei Mal geimpft worden ist. – Das ist auch Quatsch. Sie wissen, dass das Hauptproblem nicht die Kinder sind, sondern die Menschen, die nach dem Jahrgang 1970 geboren sind.
Sie fordern eine verpflichtende Impfung für alle Kinder, die Sie dann noch durch das Bußgeld erzwingen wollen, und beziehen sich dabei auf das Infektionsschutzgesetz, § 20. Genau dieser Paragraf schließt die generelle Impfung aus, weil er nämlich spezifiziert eine akute konkrete epidemiologische Bedrohung voraussetzt. Und dann können Sie auch nicht alle, sondern nur bestimmte, bedrohte Teile der Bevölkerung impfen. Das ist die Grundlage dieses Gesetzes, weil das Gesetz ganz genau weiß, dass man möglicherweise in einen Konflikt mit anderen Rechten kommt. Das begrenzt den Eingriff, von dem Sie hier reden.
Warum Sie nun ausgerechnet bei den Altenpflegeschülerinnen und -schülern mit Ihrer Mission beginnen und dann auch nur mit der Hepatitis, erschließt sich keinem Menschen. Dann müssten Sie auch die Grippeimpfung einbeziehen, denn in jeder Grippesaison sterben Tausende von alten Menschen an Grippe. Sie wissen dort selbst nicht, was Sie wollen. In Ihrem Antrag schreiben Sie: Impfberatung und Vorsorge. In Ihrem Begründungstext sprechen Sie von einer „verpflichtenden Regelung“ und wollen den Leuten dann sogar die Arbeit verbieten, indem Sie sagen, die sollten, wenn sie nicht geimpft sind, in dem Bereich nicht tätig werden. Das kommt an ein Berufsverbot. Das werden Sie mit Ihren Handhabungen so nicht durchsetzen können. Im Grunde zeigt das nur, wie weit Sie von der Arbeitswelt weg sind.
Seit 1982 wird die Hepatitis-Impfung für medizinisches Personal grundsätzlich empfohlen, und die entsprechende Beratung und Durchführung ist Bestandteil einer jeden betriebsärztlichen Erstuntersuchung. Bei jeder Kontrolluntersuchung wird das Impfbuch kontrolliert und wird erneut eine Beratung durchgeführt. Dann verpflichtet, so komisch das klingt, die Biostoffverordnung den Arbeitgeber medizinischer Einrichtungen, Beschäftigte, die bei ihren Tätigkeiten regelmäßig in Kontakt mit Körperflüssigkeiten kommen, entsprechend zu schützen und ihnen z. B. eine Impfung gegen Hepatitis B im Rahmen der Fürsorgepflicht anzubieten. Wenn sie die nicht wollen, dann müssen sie unterschreiben, dass sie beraten worden sind, weil der Arbeitgeber ein elementares Interesse daran hat. Dann kann er z. B. nicht in Regress genommen werden, wenn eine Infektion durch die Arbeit tatsächlich zu Folgen führt.
Letztlich gibt es seit 1996 ein Arbeitsschutzgesetz. Danach müssen Sie in jedem medizinischen Arbeitsplatz eine Gefährdungsanalyse zusammen mit einem Arbeitsmediziner oder einem Betriebsarzt durchführen lassen. Aufgrund dieser Gefährdungsanalyse wird dann konkret festgelegt, ob an diesem Arbeitsplatz z. B. eine Schutzimpfung angeraten wäre. Dann können Sie diese Schutzimpfung anbieten, aber Sie können sie nicht durchsetzen. Sie haben keinerlei Handhabe, eine Impfpflicht durchzusetzen. Das wissen Sie auch. Ganz konsequent zu Ende gedacht, würde das in der Tat so enden, dass, wenn Sie die Geldstrafe nicht bezahlen, andere Zwangsmittel angeführt werden müssen. Und wenn Sie sich diesen anderen Zwangsmitteln entziehen, müsste man Sie dann möglicherweise, weil eine Pflicht, die man nicht durchsetzt, keine Pflicht ist, mit Gewalt durchsetzen. Das wollen Sie nicht, weil Sie es für absurd halten. Aber dann gehen Sie auch nicht mit solchen Anträgen in die Öffentlichkeit! – Und auf die Ausschusssitzung freue ich mich überhaupt nicht, weil ich den ganzen Kokolores da erneut hören werde. – Danke!
[Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Florian Kluckert (FDP): Bleib doch zu Hause! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Kann ich doch nicht!]
Herr Dr. Albers! Das mit dem Infektionsschutzrecht, das kann ich so nicht stehenlassen. Deswegen möchte ich daraus zitieren, denn, wie gesagt, sogar ich als Nichtjurist verstehe das:
Zwar besteht kein genereller Impfzwang, § 20 Abs. 6 und 7 … sehen jedoch unter näher bezeichneten Voraussetzungen die Möglichkeit vor, Schutzimpfungen durch Rechtsverordnung anzuordnen.
… durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist.
berechtigte weigern, die Impfung in die Wege zu leiten. Jugendämter und Familiengerichte müssten eingeschaltet werden, um die Einwilligung zu erzwingen …
Dann haben Sie noch ein ganz anderes Problem. Wenn der Sechzehnjährige sagt, nein, ich lasse mich nicht impfen –, Mutter und Vater sagen aber: Geh zum Impfen! –, dann können Sie den Sechzehnjährigen nicht belangen. Da gibt es keine Volljährigkeit. In den medizinischen Bereichen zählt die Einsichtsfähigkeit, das heißt, da können die Eltern das Recht des Jungen nicht aushebeln. Wollen Sie dann die Eltern dafür bestrafen, dass sie einen Dickkopf erzogen haben? Ihr ganzer Antrag passt vorne und hinten nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Wir beraten heute wieder das Thema, bei dem ich vor ziemlich genau einem Jahr das erste Mal hier in diesem Hohen Hause, hier im Abgeordnetenhaus, reden durfte, damals auf Antrag der CDU, heute auf Initiative der FDP.
Das Thema Impfen ist für viele besonders greifbar, besonders für Familien mit kleinen Kindern. Es hat eine praktische Relevanz.
Aber beginnen wir doch einfach mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den wir uns alle hier im Hause einigen können. Impfen ist eine gute Sache. Das sollte unstrittig sein. Ich bin heilfroh, dass wir uns gegen verschiedenste Krankheiten aller Art impfen lassen können, das sollte jeder sein, ob nun Hepatitis A oder B oder gegen Masern. Ich gehe da fast schon ein wenig ins Detail. Wenn wir ins Detail gehen, sollten wir dazu auch die Meinung von Experten hinzuziehen, wie wir es auch im Gesundheitsausschuss schon getan haben.
Wie schön, dass wir uns hier eben nicht über Glaubensfragen unterhalten, sondern empirisch nachweisbare Erkenntnisse haben, auf die wir uns berufen können. Dazu habe ich bereits schon vor einiger Zeit eine Schriftliche Anfrage eingebracht, die auch im RBB aufgegriffen wurde.
Quintessenz ist die Aussage, dass gerade in den mehrheitlich grün wählenden Bezirken wie Kreuzberg und Prenzlauer Berg und Mitte die Impfskepsis besonders hoch ist.
Hier gilt es, weiter Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber ist das ein Grund zur Beunruhigung? – Mitnichten. Ja, im Jahr 2015 hatten wir ein absolutes Hoch zu verzeichnen, was die Maserninfektion betrifft. Diese Hoch von 1 243 registrierten Fällen ist 2016 auf nur noch 75 Fälle zurückgegangen, mithin ein Rückgang von über 90 Prozent.
Es besteht überhaupt kein Grund zur Panik. Fakt ist, die Berliner sind im Großen und Ganzen gut durchgeimpft. Das renommierte Robert-Koch-Institut und die Ständige Impfkommission bestätigen dieses. Dementsprechend sehen wir es als AfD-Fraktion derzeit überhaupt keinerlei Veranlassung für jegliche Zwangsmaßnahme hinsichtlich Impfung oder auch Bußgeldbescheide, falls einer empfohlenen Impfung nicht nachgekommen wird.
Ja, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Die ach so freiheitsliebende FDP fordert verpflichtende Impfungen für Kinder und will Bußgelder verhängen! Ich dachte, Sie wären die Liberalen. Einen solchen Vorschlag von staatlichen Maßnahmen hätte ich eher von der Linken erwartet, aber doch nicht von der FDP.
Eine Zwangsimpfung von Amts wegen zu veranlassen, halten wir jedenfalls für überzogen. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Druckerhöhung seitens des Staates im Epidemiefall sind bereits völlig ausreichend in § 20 Abs. 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes, von dem hier schon die Rede war, geregelt. Jetzt wollte ich das Gesetz zitieren, da hat Herr Dr. Albers mir das vorweggenommen.
Solange das Bundesministerium für Gesundheit von der Ermächtigung … 6 keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen zum Erlass einer Rechtsverordnung … ermächtigt.
Das ist die Ultima Ratio und für den Epidemiefall gedacht. Der liegt hier zum Glück überhaupt nicht vor. Also immer schön die Kirche im Dorf lassen! Einer Änderung der Rechtsgrundlage bedarf es jedenfalls nicht. Wieso auch, wenn erfreulicherweise schon die übergroße Mehrheit – die Zahlen wurden schon genannt – der Bevölkerung sich durch Aufklärung und Empfehlung freiwillig einer Impfung unterziehen. Einsicht ist eben immer besser als Zwang!
Formal können wir dem Antrag 18/0770 über die Einführung einer Impfpflicht leider nicht zustimmen. Begrüßenswert finden wir jedoch die Aufklärung und Empfehlung, auf die der Antrag 18/0769 abzielt. Eine Impfberatung und Vorsorgeuntersuchung für alle Gesundheitsfachberufe ist schlichtweg sinnvoll und eben nicht nur bei