Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schäfer! Sie müssen unterscheiden zwischen Gutachten, die in Auftrag gegeben werden, um Sachverhalte aufzuklären, die öffentlich diskutiert werden, und Gutachten, die zur verwaltungsinternen Beratung da sind.
Ja, natürlich! – Und dann gelten – auch bei internen Vorgängen, wie Sie alle wissen – all die wunderbaren Gesetze, die wir im Abgeordnetenhaus verabschiedet haben. Und da ist aus meiner Sicht fast lückenlos Transparenz sichergestellt.
Kein Übergangsgeld bei Ausscheiden aus eigenem Wunsch: Senator a. D. Braun muss auf weiche Landung verzichten
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. – Herr Dr. Lederer! Bitte, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir machen quasi im neuen Jahr weiter, wo wir im alten aufgehört haben – mit einer Senatorenvereidigung. – Lieber Herr Heilmann! Herzlichen Glückwunsch und gute Zusammenarbeit! – Ich hoffe, die Senatorenvereidigungen werden keine Aktuelle Stunde im Plenum. Aber das wird man sehen.
Der Senat wurde am 1. Dezember 2011 gebildet. Die Vereidigung ist erfolgt. Danach gab es eine Debatte um die Beteiligung des damaligen Justizsenators als Notar bei der Verscherbelung von Schrottimmobilien an Unerfahrene. Am 8. Dezember habe ich im Abgeordnetenhaus eine Anfrage an den Regierenden Bürgermeister gestellt, nachdem Herr Braun im Rechtsausschuss gelogen hat. Der Regierende Bürgermeister hat mir geantwortet, er sehe keine Veranlassung, den Senator zum Rücktritt zu bewegen oder aus seinem Amt zu entlassen. Vier Tage später war Senator Braun weg.
Und da liest man in der Presse, Herr Wowereit habe ihn nicht etwa entlassen, weil es ihm zu bunt geworden sei – nein, Senator Braun hab um seine Entlassung gebeten. Für den unbefangenen Zuhörer bzw. die unbefangene Zuhörerin hört sich das an wie: Ich will das Amt loswerden. Für den Unbefangenen hört sich das an wie: Der Mann hat seine Sachen gepackt und ist zurückgetreten. Andere würden hinzufügen, auch ich: Ein Glück, es wurde auch Zeit!
Und dann stellt sich heraus: Nein, er will gar nicht zurückgetreten sein, er wurde auf seinen eigenen Wunsch hin vom Regierenden Bürgermeister entlassen. Um die Aussage des Kollegen Saleh von vorhin zu zitieren: Diese Koalition hat gute Lösungen gefunden, pragmatisch und bodenständig.
Das Senatorengesetz kennt beides, Rücktritt und Entlassung. Beim Rücktritt gibt es kein Übergangsgeld, beim
Entlassen gibt es Übergangsgeld. Ich finde, es liegt auf der Hand: Rücktritt ist Rücktritt, und Entlassung ist Entlassung. Die einzige sinnvolle Differenzierung zwischen beiden kann sein, auf wessen Veranlassung die Amtsbeendigung erfolgt. Erfolgt sie auf Veranlassung der Person selbst, handelt es sich um einen Rücktritt, erfolgt sie auf Veranlassung des Regierenden Bürgermeisters, handelt es sich um eine Entlassung.
Nicht so sieht das die Koalition, nicht so dieser Senat, nicht so der Regierende Bürgermeister. Diese Koalition, dieser Regierende Bürgermeister räumen ihren Senatsmitgliedern gewissermaßen ein Wahlrecht ein: Du bist als Senator nicht mehr tragbar, du willst also gehen. Willst du noch ein bisschen Kohle mitnehmen, oder willst du es eher nicht? Entscheide du! Berlin hat’s ja. – Meine Damen und Herren! Das ist eine Unverschämtheit.
Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer, die einen kleinen Löffel klauen oder auch nur unter dem Verdacht stehen, einen Löffel geklaut zu haben, werden davongejagt und sehen keinen Cent. Eine Agentur hat nach dem Rücktritt Brauns gemeldet: Akzente konnte er in seiner kurzen Amtszeit nicht setzen. – Ich widerspreche, er konnte Akzente setzen. Er hat in einer Weise, die erbärmlich ist, nach zwölf Tagen Rückzugsgefechten, die seinen Alltag mehr als ausgefüllt haben dürften, nicht einmal den Anstand, einfach zu gehen. Er sitzt hier gemeinsam mit seinem Bürokollegen und Notarskumpel LehmannBrauns in den Reihen der CDU-Fraktion, anstatt sein Mandat zurückzugeben. Aber gut, das muss die CDUFraktion aushalten, das ist ihre Hypothek, die zeigt, dass Frank Henkels Frischzellenkur eigentlich nur eine schäbige Fassadenkosmetik war. Und es bröckelt schon.
Herr Kurzzeitsenator a. D. hat nicht den gutbürgerlichen Anstand, selbst sofort klarzustellen, dass ein goldener Handschlag nach nur zwölf Amtstagen nicht in Betracht kommt. Nein, da wird abgegriffen ohne Scham. Da wird in das Portemonnaie gespült, was die Steuerkasse hergibt. Gut, das kennen wir von der Bakschisch-Union, und auf dem CDU-Parteitag ist er wohl auch noch gelobt worden, für seine Widerständigkeit und seine großartigen Leistungen.
Aber dass die liebe SPD-Fraktion das mitmacht, vor zehn Jahren noch das Wort des Mentalitätswechsels groß im Mund, das halte ich für eine Schande, meine Damen und Herrn von der SPD. Der Selbstbedienungs- und Versorgungsladen, der das Land Berlin in den 90er-Jahren war, scheint wiederauferstanden zu sein. Aber Sie sollten es sich nicht so leicht machen, denn möglicherweise wird das noch ein Fall für den Rechnungshof oder vielleicht auch ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Untreuetatbestände solle man sich genau angucken.
Ich finde, der Fall Braun droht ein Fall Wowereit zu werden, denn die SPD, der Regierende Bürgermeister haben in der Hand, diesem Treiben ein Ende zu bereiten, indem das Gesetz so ausgelegt wird, wie Dr. Gero Pfennig, der Verfassungskommentator, oder Percy McLean es sehen oder eben auch ich – wofür es gute Gründe gibt. Wir haben vorhin gehört, wie Herr Senator Henkel die Sache sieht.
Wir geben Ihnen noch eine Chance, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Ich hoffe, dass Sie den Anstand und das Rückgrat haben, dementsprechend abzustimmen. Wir werden für unseren Antrag eine namentliche Abstimmung beantragen. Dann können Sie sich entscheiden, ob Sie meinen, dass Herr Braun 50 000 Euro Übergangsgeld minus laufende Kosten verdient hat oder nicht. Überlegen Sie es sich genau!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lederer! Das war eine engagiert vorgetragene Rede, eher auf einem populistischen Niveau. Das passt aber durchaus zu der öffentlichen Debatte, die wir dazu haben, die eigentlich von dem Grundgedanken geprägt ist: Dass Politiker überhaupt Geld für ihre Tätigkeit bekommen, ist schon pfui.
Das sehen wir allerdings anders. Richtig ist, dass sich viele Menschen in dieser Stadt fragen, ob es gerecht ist, wenn sie hören, dass da jemand relativ kurze Zeit – man kann ja durchaus den Begriff „Kurzzeitsenator“ verwenden – als Senator gearbeitet hat und ein Übergangsgeld bekommt. Das ist für viele sicher nicht einfach nachvollziehbar. Die Fragestellung ist auch gerechtfertigt, jedenfalls für Menschen, die hier nicht im Alltag ihrer Arbeit nachgehen.
Ich glaube auch, dass es richtig ist, dass wir diesen Fall zum Anlass nehmen, die bestehende Gesetzgebung zu überprüfen. Die Grünen haben schon angekündigt, einen entsprechenden Antrag einzubringen, ob man etwa eine Mindestamtszeit als Voraussetzung definiert, die für ein Übergangsgeld vorliegen muss. Darüber kann man trefflich streiten. Ich kann mir durchaus auch Fälle vorstellen, wo ein Übergangsgeld nach einer kurzen Zeit angemessen ist. Aber das müssen wir in Ruhe gemeinsam miteinander diskutieren, wofür ein Übergangsgeld da sein soll und entsprechend eine gesetzliche Regelung erarbeiten.
Nur kann das nur für die Zukunft gelten, nicht für die Vergangenheit. Da ist darauf abzustellen, wie die Rechtslage war. Jetzt kommen der Kollege Lederer und einige namhafte Juristen dieser Stadt und sagen, auf den rein formalen Akt – das dürfte ja unstrittig sein, dass es eine Entlassung war – ist nicht abzustellen, wir müssen auslegen, welche Motive dahinterstanden. Herr Kollege Lederer! Ich bin verwundert, dass Sie so ein reines SchwarzWeiß-Denken haben. Die Welt ist zum Glück bunter, und selbst Schwarz-Weiß-Bilder haben Schattierungen. Sie haben nur zwei Varianten: Entweder geht die Initiative vom Amtsinhaber oder der Amtsinhaberin aus, dann muss es ein Rücktritt sein, oder sie geht vom Regierenden Bürgermeister aus, dann kann es eine Entlassung sein.
Ja. – Ich kann mir durchaus Fälle vorstellen, ich will nur einen nennen, wenn etwa jemand erkrankt. Rücktritt hat immer so etwas wie ein Schuldeingeständnis. Ich kann mir Fälle vorstellen, wo sich ein Amtsinhaber nichts hat zuschulden kommen lassen, wo es nicht einmal den Verdacht gibt, und er trotzdem die Erkenntnis gewinnt, es wäre besser, wenn seine Amtszeit ende, weil er zum Beispiel schwer erkrankt ist. Warum soll derjenige dann nicht seine Entlassung anregen? Das ist ja nichts anderes. Er entscheidet ja nicht, er bittet in diesem Fall den Regierenden Bürgermeister um eine Entlassung. Die Entscheidung liegt dann beim Regierenden Bürgermeister. Man kann darüber streiten, ob die Entscheidung richtig war. Das wäre eine politische Diskussion. Ich hätte allerdings gerne einmal erlebt, was die Linken oder die Grünen gesagt hätten, wenn der Regierende Bürgermeister gesagt hätte, eine Entlassung kommt hier nicht in Frage. Da wäre ich echt gespannt gewesen. Ich glaube nicht, dass das in gleicher Intention gelaufen wäre, wie Sie jetzt hier argumentieren.
Nach meiner festen Überzeugung muss man, da auch Zwischenfälle denkbar sind, auf den formalen Akt abstellen. Der war hier eine Entlassung, dann ist die Rechtsfolge eindeutig.
Eine letzte Bemerkung möchte ich machen, wenn hier immer von „Belohnung“ von „goldenem Handschlag“ von 50 000 Euro die Rede ist: Wir haben vor vielen Jahren in Berlin gesetzliche Regelungen für den Übergang gehabt, die kritikwürdig waren. Die haben wir zum größten Teil geändert. Heute ist es so, dass andere Einkommen auf das Übergangsgeld angerechnet werden.
Damit ist der Tatbestand von ungerechtfertigter Bereicherung, den man früher kritisieren konnte, gedeckelt. Da haben wir Gegenmaßnahmen.
Insofern sehe ich keine Grundlage, hier Ihrem Antrag zuzustimmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Lieber Kollege Kleineidam! Was ist denn passiert? Wir hatten hier eine Debatte im Parlament. Dann gab es einen drei Tage dauernden, relativ zähen Vorgang, dann gab es den Montag, wo die Präsidiumssitzung der CDU war, und danach wurde schriftlich durch Herrn Braun mitgeteilt, dass er den Regierenden Bürgermeister um seine Entlassung bittet. Ich meine, das ist auf eigene Veranlassung, und das ist ein Rücktritt.