Protocol of the Session on August 31, 2006

Auch die Arbeitslosenstatistik kann man so interpretieren, wie es einige machen. Man kann auch die richtigen

Zahlen nehmen. Man muss dann erst einmal berücksichtigen, dass Hartz IV geschaffen worden ist, als viele Menschen aus der Sozialhilfe – Gott sei Dank, sage ich – in das Arbeitslosengeld II hineingekommen sind. Das müssen Sie wenigstens abziehen. Wir hatten im Juli 2006 2 % weniger Arbeitslose als im Juli des Jahres davor. Das bringt uns auch nicht weiter. Ich unterstelle erst einmal jeder Regierung – ich würde es sogar der CDU unterstellen, selbst der FDP –, dass sie – nicht nur, weil sie es programmatisch so will, sondern weil alle davon überzeugt sind – alles dafür tut, dass in dieser Stadt Arbeitsplätze geschaffen werden. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass eine Regierung das tut, und zwar mit bestem Wissen und Gewissen.

Herr Lindner! Über Methoden, wie man das schafft, kann man gern streiten. Sie haben eine ganz einfache Methode. Sie sagen: Arbeitslosigkeit hängt damit zusammen, dass die Menschen zu viel Geld verdienen,

Natürlich ist das ehrlich. Wer will das denn bezweifeln? Mich wundert, dass es hier nicht noch viel besser aufgegriffen wurde. Ich hätte es mir nicht entgehen lassen. Das hätte ich nachvollziehen können.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Wenn er in einem Interview sagt, dass er die Opposition macht, kann ich nur erwidern, dass es ihm heute gelungen ist. Das soll aber einmalig sein. Den heutigen Tag können wir zur Opposition rechnen, was die Presselage anbelangt. Morgen sieht es wieder anders aus.

Wenn der Finanzsenator realistisch deutlich macht, wie es um die Wirtschaftskraft dieser Stadt bestellt ist, wie sich die Finanzsituation dieser Stadt gestaltet, ist es nichts, was schlecht geredet wird, sondern etwas, was zur Realität dazu gehört. Das bestreiten wir auch gar nicht. Es ist völlig unergiebig, uns gegenseitig Zahlen vorzuwerfen, wer mehr Schulden gemacht hat. Selbst bei PISA muss von Seiten der CDU bekannt sein, dass bei 60 Milliarden € Schulden 20 Milliarden € nicht die Mehrheit sein kann. Es muss vorher noch ein anderer Schulden gemacht haben. Es waren auch Finanzsenatoren dabei, die Sie gestellt haben.

[Zimmer (CDU): In fünf Jahren! – Hoffmann (CDU): Mit einfachen Rechnungen sollten Sie sich vorsehen!]

Wieso in fünf Jahren? Wir haben vier Jahre mit der Linkspartei.PDS regiert. Auch dann sind es nur 18,5 Milliarden €. – Die ersten Schulden des Jahres 2001 sind noch von der großen Koalition beschlossen werden. Ich erinnere daran, dass der Haushalt schon verabschiedet war.

[Zimmer (CDU): Wer war Fraktionsvorsitzender?]

Deshalb müssen wir uns gar keine Vorwürfe machen.

Vergleichbares gilt für Kriminalitätsstatistiken, Unterrichtsausfall, entlaufene Gefangene. Bei Herrn Diepgen sind in einem Jahr 8 Gefangene weggerannt. Bei der Senatorin waren es in vier Jahren nur 7 Gefangene gewesen. Wollen wir sie uns alle um die Ohren hauen? Es ist doch lächerlich, was Sie versuchen, hier anzustellen.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Bei Herrn Schönbohm gab es 592 000 Kriminalitätsfälle. Heute gibt es knapp 500 000 Kriminalitätsfälle. Sie wollen uns noch vorwerfen, die SPD-Innenpolitik hätte versagt? Das ist doch auch lächerlich. 500 000 sind immer noch zu viel. Jeder einzelne ist zu viel. Das gilt auch für jede einzelne ausgefallene Unterrichtsstunde. In der großen Koalition waren es 1,2 Millionen, jetzt sind es 600 000. Jede einzelne ist zu viel, ob in Relation zu 25 Millionen Stunden oder nicht, das ist ganz egal, 2,5 %, 2,6 % sind zu viel. Wir können uns mit Zahlen alle totschlagen.

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

[Frau Senftleben (FDP): Quatsch!]

und damit, dass wir Mitbestimmung und Kündigungsschutz haben. Ich sage Ihnen klipp und klar: Das ist nicht der Grund. Wir haben auch Arbeitslosigkeit, weil es in Unternehmen Missmanagement gibt, weil nicht rechtzeitig investiert wird, sondern Geld aus Unternehmen herausgeholt wird.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Die Probleme von Samsung, JVC, Orenstein & Koppel und neuerdings auch von Bosch und Siemens Hausgeräte – sie waren gerade wieder vor meinem Rathaus,

[Pewestorff (Linkspartei.PDS): Vor unserem Rathaus!]

da werden bei der Produktion schwarze Zahlen geschrieben – liegen nicht darin, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kündigungsschutz haben oder dass es einen aktiven Betriebsrat gibt, sondern die Problematik liegt darin, dass ein Konzern entscheidet, Waschmaschinen werden in Berlin nicht mehr produziert, sondern in Nauen oder Polen oder sonst wo. Vielleicht ist das aus Konzernsicht richtig. Aber richtig wäre es auch, wenn die Gewinne, die vorher aus dem Unternehmen gezogen worden sind, rechtzeitig in neue Produktionslinien, in Innovationen, in Technologie investiert worden wären.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Dafür ist ein Unternehmen auch zuständig. Dieses Gedankengut muss sich in der Bundesrepublik Deutschland verfestigen, damit wir nicht immer wieder Bilanzkonferenzen erleben, auf denen Riesengewinne versprochen oder angekündigt werden und anschließend der Abbau von Arbeitsplätzen proklamiert wird. Das ist leider die Realität. Wir müssen daran arbeiten, damit sich das Bewusstsein der Unternehmen verändert. Das heißt nicht, dass wir den Unternehmen keine Gewinne gönnen.

Wir haben Strukturentscheidungen getroffen, die wichtig sind für eine wirtschaftliche Entwicklung der Region. – Wenn wir von Berlin reden, reden wir selbstver

Wir haben den Universitäten die Partnerschaft bei der Exzellenzinitiative zugesagt. Wir kommen für die Kofinanzierung bei der Exzellenzinitiative auf, und wir finan

zieren den weiteren Ausbau der Forschungslandschaft. Dafür wurde Vorsorge getroffen. Dafür steht dieser Senat.

In der inneren Sicherheit wurden riesige Erfolge erzielt, nicht nur durch die Arbeit des Senators. – Die Erfolge werden immer breit verteilt, die Misserfolge nur auf einer Person abgeladen. – Dank der Beharrlichkeit von Herrn Körting mit seinen vernünftigen Ideen zur inneren Sicherheit, die bundesweit gehört wurden, dank der Partnerschaft mit der Berliner Polizei, aber vor allen Dingen auch der Partizipation der Menschen vor Ort haben wir es im Laufe des Prozesses geschafft, dass der diesjährige 1. Mai noch nicht ganz friedlich, aber durch diese vernünftige Partnerschaft aller miteinander doch viel friedlicher verlief als in der Vergangenheit. Das ist ein riesiger Erfolg für die innere Sicherheit. Wer Plakate drucken lässt, durch die Menschen verunsichert werden, der versündigt sich an dem inneren Frieden in dieser Stadt.

Unsere Polizeibeamten schauen nicht weg, wenn jemand überfallen wird, schon gar nicht, wenn eine ältere Frau überfallen wird. Es ist menschenverachtend, wenn solche Plakate gedruckt werden. Sie versündigen sich auch an der Arbeit der Polizei. Die Polizei leistet gute Dienste und hat es nicht verdient, so auf Plakaten diffamiert zu werden.

ständlich immer auch von der Wirtschaftsregion BerlinBrandenburg. – Das sind Infrastrukturmaßnahmen wie der neue Hauptbahnhof. Er ist – Gott sei Dank – ein riesiger Erfolg für den Wirtschaftstandort in Berlin. Die Bundesregierung hat zusammen mit der Bahn viel Geld investiert. Wir haben darüber hinaus die Weichen gestellt, damit der Flughafen Berlin Brandenburg International in Schönefeld tatsächlich gebaut werden kann – in dieser Legislaturperiode ein riesiger Erfolg und ein hart erarbeiteter Erfolg auf Grund der Fehlentscheidung aus anderen Legislaturperioden.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Zuruf der Frau Abg. Senftleben (FDP)]

Sie zu korrigieren war ein hartes Stück Arbeit. Wir haben dadurch auch viel Zeit verloren. Jetzt können wir den Spatenstich setzen, und nicht nur symbolisch, sondern de facto. Der Bau kann beginnen. Wir werden im Zeit- und im Kostenrahmen bleiben. Das wird die Aufgabe für die nächste Legislaturperiode sein.

Wir haben Ansiedlungserfolge gehabt, Herr Müller und Herr Liebich haben darauf hingewiesen. Wir haben aber riesige Umstrukturierungen in der Industrie zu verzeichnen gehabt. Auch da ist es lächerlich, sich Zahlen „um die Ohren zu hauen“. Hunderttausende von Arbeitsplätzen sind nicht in dieser Legislaturperiode in der Industrie abgebaut worden, sondern zur Zeit der großen Koalition, als die Kombinate im ehemaligen Ostteil der Stadt und die Berlin-Förderung wegbrachen.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Das sind Zahlen! Wenn Sie von 15 000 weniger Arbeitsplätzen reden – gucken Sie sich doch einmal die Hunderttausenden aus der vorigen Regierung an! Dann haben Sie eine Relation. – Wir haben in zukunftsfähigen Branchen neue Arbeitsplätze geschaffen. Und auch die 97 000 industriellen Arbeitsplätze sind, wenn Unternehmen rechtzeitig investieren, zukunftsfähige Arbeitsplätze. Wir hoffen, dass durch die bessere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Forschung und Unternehmen auch zukünftige Entwicklungen von Berlin aus durchgeführt werden, die zu neuen Arbeitsplätzen führen.

Trotzdem ist es ein schwieriger Kampf, in der Diskussion heute wurde schon darauf hingewiesen. Wir müssen alles tun, damit die Ausbildung der jungen Menschen verbessert wird, damit hochqualifizierte Absolventen herauskommen. Wir müssen mehr Ingenieure ausbilden und die Universitäten fit machen für die Zukunft. Dieses haben wir unter anderem auch mit den Hochschulverträgen, mit einer weitestgehenden Autonomie der Hochschulen erreicht. Wir haben kräftig in den Hochschulausbau investiert. Wir haben in Adlershof die Naturwissenschaften errichtet. Wir haben den Universitäten Bibliotheken gegeben, jüngst den Spatenstich für die Humboldt-Universität gesetzt. Wir werden weiter investieren.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Zuruf der Frau Abg. Senftleben (FDP)]

[Anhaltender Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Zuruf der Frau Abg. Schultze-Berndt (CDU)]

Wir haben gesehen, dass wir mit vernünftigen Konzepten bei Großveranstaltungen wie der Fußballweltmeisterschaft ein ausgewogenes Maß finden. Lange Debatten über die Fragen der Sicherheit fanden statt. Was wurde nicht alles an Terrorismusmöglichkeiten, an Hooligankrawallen usw. an die Wand gemalt! Dank einer klugen Strategie der Sicherheitskräfte wurde im Vorfeld erreicht, dass vieles besser gestaltet werden konnte, ohne dass die Bürger bzw. die Bürgerinnen sich durch schikanöse Sicherheitsmaßnahmen drangsaliert fühlten. Aber viele Sicherheitsmaßnahmen, wie beispielsweise das Einzäunen der Fanmeile, stellten sich als sinnvoll heraus. Die Polizei hat mit all den Veranstaltern hervorragend zusammengearbeitet. Berlin konnte sich als eine Stadt präsentieren, in der wirklich die Welt zu Gast bei Freunden war. Auch in der Werbung, die wir durch die Fußballweltmeisterschaft bekommen haben, wurde zum Ausdruck gebracht, dass es in Berlin einen praktizierten Mentalitätswechsel gibt, dass wir die große Chance der weltweiten Präsentation als weltoffene, tolerante Stadt annehmen, in der Gäste willkommen sind und nicht Angst haben müssen, von Schlägern verfolgt zu werden. Wir haben es demonstriert, und von dieser Demonstration wird die Stadt profitieren. Wir profitieren heute schon durch steigende Tourismuszahlen. Es war eine einmalige Chance. Die Stadt hat bewiesen, dass sie sich zusammennehmen kann, dass sie nach vorne schauen kann und Probleme nicht nur herbeiredet, sondern sie löst – eine

Das ist unsere Aufgabe, deutlich zu machen, dass ein Klima in der Stadt sein muss, wo sie nicht Angst haben müssen, mit uns in der Stadt, in unserer Stadt, zu leben, gemeinsam mit uns die Zukunft zu gestalten in Freiheit und Frieden. Es ist unsere Aufgabe. Dazu ist es auch wichtig, zu gedenken und zu mahnen. Das ist für die junge, für künftige Generationen wichtig, weil es immer noch Ewiggestrige gibt. Ich werde zornig, wenn ich überall NPD-Plakate sehe.

Es gibt eine Möglichkeit, dass die Anständigen aufstehen, indem wir am 17. September deutlich machen, dass wir uns unsere freiheitliche Demokratie von Ewiggestrigen, von Menschen, die die Demokratie ausnutzen, um die Demokratie abzuschaffen, nicht kaputtmachen lassen. Es gibt eine einfache Methode, liebe Bürgerinnen und Bürger in ganz Berlin: Erteilen Sie den Rechten eine Absage! Wählen Sie am 17. September demokratisch!

wunderbare Stadt, die sich während der FußballWeltmeisterschaft präsentiert hat.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Zum inneren Frieden gehört auch, dass – bei allen Schwierigkeiten – investiert wird. Investition heißt bei uns nicht, dass gute Politik immer mit höheren Ausgaben verbunden ist. Wir haben viele Umstrukturierungen vorgenommen wie bei der Universitätsmedizin, die nicht zum Schaden der Medizin war, sondern zu einer verbesserten Qualität führen wird. Manchmal ist ein äußerer Druck wichtig für andere Dinge. Wir werden weiter in Bildung und Ausbildung investieren. Wenn Investitionen in die Bildung vorgenommen werden sollen – und Kindertagesstätten gehören für mich zur Bildung dazu –, sagen manche Parteien, die das früher immer wieder gefordert haben, heute auf einmal: April, April, der Finanzsenator muss da ein Stoppschild setzen; das ist nicht zu finanzieren. Das finde ich merkwürdig. Vielleicht ist das auch ein Mentalitätswechsel. Wenn wir die Kitas kostenfrei stellen wollen – und wir wollen es, und wir werden es tun –, dann finden wir auch die 38 Millionen Euro im Haushalt, und höchstwahrscheinlich mit Ihrer Unterstützung, da bin ich ganz sicher. Es ist ein Wahlversprechen, aber wir laufen Gefahr, es umzusetzen.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Gelächter bei der FDP]

Ich bin gespannt, ob dann zustimmt, wer heute so krakeelt. Sie können dann Nein sagen. Wir sagen, es ist richtig. Wir wollen damit erreichen, dass noch mehr Kinder die Kindertagesstätte besuchen. Wir haben Gott sei Dank schon 90 % in der Kita, aber es fehlen immer noch 10 %; und das sind 10 %, die es dringend nötig haben.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Wir wollen eine Entlastung für Familien schaffen, die es vom Einkommen her gebrauchen können, dass die Kitakosten frei sind. Das ist eine bundespolitische Debatte. Ich bin sicher, die Ministerpräsidenten, die heute meinen, Angst davor zu haben, werden mit uns im Boot sitzen, wenn wir es umsetzen, weil es einen bundespolitischen Druck geben wird. Und das ist richtig so.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wir sind auch eine Stadt, die sich ihrer historischen Tradition annimmt. Selbstverständlich gehört dazu, dass wir unsere Vergangenheit nicht leugnen, dass wir Schlüsse und Lehren für künftige Generationen aus unserer Vergangenheit ziehen. Deshalb ist es so wichtig, dass Einrichtungen wie das Holocaust-Mahnmal neu geschaffen wurden. Was gab es hier für eine unselige Debatte, auch in diesem Haus, ob das Mahnmal in der Dimension richtig ist, ob es überhaupt in die Innenstadt gehört. Da sage ich deutlich: Alle Kritiker sind noch nicht ganz verstummt, aber die meisten wurden überzeugt, weil dieses Holocaust-Mahnmal in der Mitte der Stadt – Gott sei Dank – als ein Ort der Mahnung, des Gedenkens und der Information angenommen wurde. Ich bin glücklich und stolz, dass so viele Menschen – mittlerweile Millionen von Menschen – dieses Mahnmal in der Mitte Berlins, das an die Gräueltaten der Nationalsozialisten

Gräueltaten der Nationalsozialisten erinnert, angenommen haben.