Protocol of the Session on March 21, 2002

Lässt der Regierende Bürgermeister den Wirtschaftssenator zur Bruchlandung in Schönefeld ansetzen?

Bitte schön, Herr Kollege Schmidt!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Sind die Presseäußerungen des Regierenden Bürgermeisters oder die des Wirtschaftssenators zum BBI in Schönefeld maßgeblich, und wie stellt der Regierende Bürgermeister sicher, dass der Senat nur noch mit einer Stimme zum BBI in Schönefeld spricht?

Herr Regierender Bürgermeister, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schmidt! Erstens ist mir bekannt, das der Kollege Gysi einen Pilotenschein hat und deshalb überhaupt nicht zur Bruchlandung ansetzen könnte, weil er, anders als andere, eine Ausbildung dafür hat.

[Zurufe von den Grünen: Gerade!]

Zum Zweiten: Sie können sicher sein, dass der Berliner Senat zur Entscheidung Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg International steht. Dies hat die Koalition in der Koalitionsvereinbarung eindeutig beschlossen. Dies ist Position des Senats, und daran wird auch nicht gerüttelt.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Es gibt eine Nachfrage vom Kollegen Schmidt.

[Tumulte auf einer Zuhörertribüne – Trillergepfeife – Flugblätter werden geworfen.]

Wenn die Ordnungskräfte bitte tätig werden würden! – Herr Kollege Schmidt, haben Sie eine Nachfrage? – Nein.

[Zurufe und Trillergepfeife von einer Zuhörertribüne]

Gibt es weitere Nachfragen? – Herr Abgeordneter Cramer, Sie haben das Wort!

[Zurufe und Trillergepfeife von einer Zuhörertribüne]

Herr Cramer! Haben Sie eine Nachfrage oder haben Sie keine? – Bitte!

Natürlich habe ich eine Nachfrage, aber Sie werden verstehen, dass ich auch wissen will, was die Leute dort oben zu sagen haben.

Sie setzen sich mit dem Mikrofon immer durch.

Unabhängig – –

[Zurufe und Trillergepfeife von einer Zuhörertribüne]

Also, ich warte erst einmal.

Gut, dann gehen wir weiter, alles klar.

Dann rufe ich auf eine Nachfrage des Abgeordneten Pewestorff von der Fraktion der PDS. – Bitte schön, Herr Pewestorff! – Drücken Sie einmal auf den Knopf, Herr Pewestorff. Bitte schön!

So kann es auch sein, wenn Politik mit Wirklichkeit zusammen stößt.

[Gram (CDU): Das ist Ihre Wirklichkeit!]

Herr Regierender Bürgermeister! Wer denn nun zur Bruchlandung ansetzt, muss man durchaus strittig stellen. Aber wie bewerten denn Sie aus Ihrer Sicht die Anrufung des Brandenburgischen Verfassungsgerichts im Zusammenhang mit der Planung für den BBI am Standort Schönefeld und den weiteren Gang der Dinge? Sehen Sie nicht darin viel eher die Gefahr einer Bruchlandung als in Äußerungen von Dritten?

Herr Regierender Bürgermeister – bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wenn Sie sich auch mit „Dritten“ meinen, dann sehe ich darin keine Gefahr, da haben Sie vollkom

(A) (C)

(B) (D)

RBm Wowereit

men Recht, obwohl auch jeder Abgeordnete eine Verantwortung trägt für das wirtschaftlich Projekt Großflughafen Berlin Brandenburg International. Es ist für die Entwicklung der Region außerordentlich wichtig. Wenn wir über eine wirtschaftliche Strukturschwäche reden, dann müssen wir alles dafür tun, dass der Flughafen auch gebaut wird.

Es ist nicht meine Art, die Entscheidungen von Gerichten zu kommentieren. Die Entscheidung von gestern ist allerdings keine Überraschung. Sie hat sich abgezeichnet, weil es bereits ein Vorverfahren gegeben hat, wo in einem vergleichbaren Verfahren ein Brandenburger Gericht gesagt hat, die Rechtsverordnung sei nichtig. Insofern ist das eine Kontinuität. Hier ist offensichtlich in der Abwägung etwas falsch gelaufen, vor allem die Träger öffentlicher Belange, die Gemeinden, sind nicht gehört worden. Insofern gehe ich davon aus, dass die Planungsbehörden diesen Fehler heilen werden, indem sie ein neues rechtmäßiges Verfahren durchführen.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Cramer das Wort, wenn er die Sprache wiedergefunden hat. – Bitte!

Ja, es geht doch beides, Herr Parlamentspräsident, den Protestierenden zuzuhören und die Frage zu stellen. – Herr Wowereit! Sie haben vorhin gesagt, der Senat spräche mit einer Stimme. Sie wissen aber auch: Die Senatsregularien sind so, dass das nicht nur eine Absicht ist, sondern eine Tatsache. Und Sie wissen, dass Ihr Wirtschaftssenator sich nach Bildung des Senats eindeutig schriftlich gegen Schönefeld ausgesprochen hat, sich als Schönefeld-Gegner geoutet hat. Er konnte auch nicht seine Schadenfreude über das gestrige Urteil verhehlen, was Sie wiederum anders einschätzen. Dieses Chaos im Senat kennen wir. Wie wollen Sie denn das abstellen – außer, dass Sie Absichtserklärungen kund tun, die mit der Realität nichts zu tun haben? Wie wollen Sie Herrn Gysi daran hindern, seine Position öffentlich zu artikulieren?

[Pewestorff (PDS): Das wird schwierig!]

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses! Herr Cramer, Sie haben eine interessante Auffassung von Demokratie!

[Heiterkeit – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Gott sei Dank leben wir noch in einer Demokratie, wo auch ein Regierender Bürgermeister einem Senator nicht das Reden verbieten kann. Darauf lege ich auch Wert.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Entscheidend ist allerdings, dass die Position des Senats auch von den Mitgliedern des Senats vertreten wird.

[Wieland (Grüne): Das stimmt doch aber nicht!]

Das, was Sie zitiert haben, ist ein Brief des Bundestagsabgeordneten Gysi.

[Gelächter bei der CDU und den Grünen]

Er war damals noch nicht Senator. Das müssen Sie sich auch einmal anhören, wenn Sie etwas zitieren, ohne genau zu zitieren! Wenn dieser Brief heute immer wieder herausgeholt und so getan wird, als ob es ein neuer Brief sei, muss das hier einmal richtig gestellt werden.

[Niedergesäß (CDU): Wendehälse!]

Auch die Darstellung des Senators zum Urteil des OVG war keine Kritik, sondern das Zitat ist eindeutig.

Im Übrigen weise ich darauf hin – da braucht hier keiner ein großes Wort zu führen –, dass es in allen Fraktionen Mitglieder gibt, die eine differenzierte Meinung zum Ausbau des Großflughafens Berlin Brandenburg International in Schönefeld haben.

[Dr. Lindner (FDP): Sie meinen Regierungsmitglieder! – Doering (PDS): Nein, das war schon richtig formuliert!]