Protocol of the Session on June 28, 2001

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Hillenberg das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Apelt, Sie haben eine gute Rede gehalten, nur leider zum falschen Tagesordnungspunkt. Nicht um den TOP 16 ging es hier, sondern darum, Herrn Martin Gutzeit und seiner Behörde – das, was Sie in Ihrem Antrag wollen – eine Zukunftsperspektive über das Jahr 2002 hinaus zu geben. Der Wahlkampf hat zwar begonnen. Ich glaube allerdings, das dieses Thema viel zu ernst ist, als es zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen. Es tut mir leid, Herr Apelt, da war Ihre Rede leider daneben.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Apelt?

Nein! Herr Apelt, tun Sie mir einen Gefallen, ich habe auch nur 5 Minuten Redezeit, und es gibt so viel dazu zu sagen, dass ich das leider nicht zulassen kann.

Weil Sie das Thema Entschädigung ansprechen: Vielleicht haben Sie meine Rede vor 6 Wochen vergessen. Auch da habe ich etwas zu diesem Punkt gesagt. Sie waren 8 Jahre lang in der Bundesregierung. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, Entschädigung ohne Ende auf den Weg zu bringen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Das haben Sie nicht getan. Nun tun Sie nicht so, dass wir der Nabel der Welt sind. Wir sind hier das Land Berlin und nicht die Bundesregierung.

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Eyck (CDU): Dann brauchen Sie es jetzt auch nicht zu tun!] ]

Ich sage mal etwas in Ihre Richtung: Vor Herrn Apelt habe ich hohen Respekt, und die Rede, die er am 16. Juni gehalten hat, ist mir sehr nahe gegangen, auch die meiner Kollegin Frau Neef.

[Zuruf des Abg. Eyck (CDU)]

Doch! Ich sage: Zu einer Zeit, wo wir gegen die SED etwas getan haben, auch Herr Niedergesäß, Leute aus Ihrer Fraktion, in dieser Zeit haben Sie in Mallorca Urlaub gemacht und sind politisch mit der Trommel um den Weihnachtsbaum gerannt, aber gegen die SED haben Sie nichts gemacht, gar nichts.

[Beifall links – Eyck (CDU): Das ist eine Unverschämtheit! Ich habe die DDR verlassen, ich bin abgehauen! Eine Frechheit ist das!]

Vielleicht versuchen wir, das Thema wieder auf das Normale zurückzubringen.

[Eyck (CDU): Du Spinner!]

Meine Damen und Herren! Herr Hillenberg hat das Wort.

Wir haben seit dem 10. Mai – im Gegensatz zu Ihnen – versucht, dieses Thema voranzubringen. Wir haben Herrn Gutzeit in die SPD-Fraktion eingeladen und haben im Arbeitskreis über seine Arbeit und seine Aufgabenverteilung gesprochen. Und wir sehen schon, dass es eventuell eine Doppelung im Aufgabenbereich mit der Birthler-Behörde gibt. Wir wollen schauen, weil wir bei 14 Milliarden DM Personalkosten angekommen sind, ob wir bestimmte Bereiche zu sehr finanzieren. Aber dazu sage ich auch ganz deutlich, die Behörde von Martin Gutzeit besteht aus 10 Leuten. Ich glaube, dass die Arbeit noch lange nicht beendet ist, dass es in diesem Bereich noch viel zu tun gibt. Wir werden das heute nicht entscheiden.

Noch etwas, weil vielleicht nicht viele wissen, dass Martin Gutzeit Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei der DDR war. Da kommt man schnell auf den Gedanken, dass es hier um eine Personalversorgung geht. Da sage ich Ihnen auch, der Martin Gutzeit als Mitbegründer der SDP hat auf Grund seiner Biografie nicht nur verdient, sondern er hat auch Anspruch darauf, genau diesen Bereich weiter zu betreuen. Mit dem Bereich Weiterbildung, wie wir im Bericht gelesen haben – auch habe ich das letztes Mal angesprochen –, gibt es ein neues Thema. Die Weiterbildung von den Lehrkörpern, die das System der DDR nicht erlebt haben, weiter auszubauen, halte ich für sehr wichtig. Herr Apelt, im Gegensatz zu Ihnen haben wir Herrn Gutzeit zu uns in die Fraktion geholt und haben darüber gesprochen.

Wir werden diesen Antrag in den Ausschuss überweisen und darüber reden. Wir wissen, dass der Bereich noch lange nicht abgearbeitet ist. Aber daraus ein Wahlkampfthema zu machen – tut mir leid, dafür haben wir kein Verständnis, und das ist der Sache auch nicht dienlich. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen]

Vielen Dank, Herr Hillenberg! – Herr Eyck hat das Wort zu einer Kurzintervention. Ich weise bei der Gelegenheit darauf hin, dass die Formulierungen von vorhin zu rügen sind, und ich bitte Sie, sie nicht zu wiederholen. – Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir meinen ersten Auftritt vor diesem Gremium nicht so vorgestellt.

Es tut mir leid, wenn ich sehr unsachlich dazwischen gerufen habe, aber die Art und Weise, mit der ich hier angegriffen wurde, geht mir leider doch ein bisschen unter die Haut.

Ich habe – im Gegensatz vielleicht zu vielen anderen – die DDR verlassen, bin an der Grenze fast erschossen worden und empfinde es als eine Unverschämtheit, wie ich hier von diesem Abgeordneten behandelt werde. Sie sollten sich schämen, wenn Sie mit Leuten wie mir so reden. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Herr Hillenberg erwidert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter, es tut mit Leid, dass ich in Rage etwas zu Ihnen gesagt habe und Sie vielleicht persönlich diffamiert habe. Doch das, was ich gemeint habe, war, dass wesentliche Teile auch Ihrer Fraktion damals in einem wohlbehüteten System aufgewachsen sind und dass es vorrangig die Aufgabe von denen ist, die unter dem System wirklich gelitten und und in dem System gelebt haben, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, ob wir diese Behörde brauchen oder nicht. Das war der Ansatz, den ich gemeint habe.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Nun sind wir bei der nächsten Wortmeldung. Für die Fraktion der PDS hat Frau Seelig das Wort.

[Wansner (CDU): Sie sollte lieber schweigen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU beglückt uns heute mit ganzen Stapeln von Anträgen. Diesen Eifer war man von ihr über viele Jahre nicht gewöhnt. Es sind auch sehr unterschiedliche und teilweise sehr eigenartige Anträge, zu denen sie auch noch Redebedarf angemeldet hat. interjection: [Unruhe bei der CDU]

(A) (C)

(B) (D)

Das ist völlig neu. Wenn wir das vorher getan haben, hat man in der Regel ziemlich massiv versucht, uns davon abzuhalten. Es gibt auch eigentlich nicht zu allem Redebedarf. Zum Teil haben Sie die Anträge zudem von uns abgeschrieben. Es ist schon recht erstaunlich.

[Doering (PDS): Das stimmt! Sie sind auch noch faul!]

Der Antrag, den Sie uns hier vorgelegt haben, ist zu diesem Zeitpunkt schlicht überflüssig. Ich stehe selbstverständlich zu dem, was ich in der Rederunde gesagt habe, als es um den Bericht des Landesbeauftragten ging, aber der Termin seiner Amtszeit ist bis zum 30. November 2002 festgesetzt. Warum müssen Sie das gerade heute einbringen? Kann es sein, dass das tatsächlich nur mit Wahlkampf zu tun hat?

Sie haben mich ja schon zitiert, und ich kann mich nur wieder zitieren. Alle Fraktionen in diesem Hause haben dieselbe Position vertreten:

Ich gehe nicht davon aus, dass die Behörde des Landesbeauftragten im kommenden Jahr bereits ihre Tätigkeit einstellen kann, wie es die derzeitige Befristung vorsieht. Schadenausgleich und Wiedergutmachung für die Opfer staatlicher und geheimdienstlicher Willkür in der DDR sind nicht an einem Punkt angelangt, wo man sagen kann, dass dieses Kapitel abgeschlossen werden könnte.

Dazu stehen wir nach wie vor. Wir können diesen Antrag jetzt in Ausschüsse überweisen und darüber diskutieren. Wir können uns sachlich damit auseinandersetzen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Apelt, Frau Seelig?

Aber selbstverständlich!

Bitte schön, Herr Apelt!

Frau Seelig! Wenn Sie gerade sagen, Sie stehen noch zu dem, was Sie gesagt haben, Sie sind für Wiedergutmachung – wie bewerten Sie, Ihre Fraktion und die mit Ihnen verbündeten Fraktionen, dass Sie gestern gemeinsam gegen einen Antrag stimmten, in dem an Verfolgte Wiedergutmachung geleistet werden sollte?

Ich lese Ihnen den Titel des Antrags vor. Ich glaube, das spricht für sich selbst: Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus. Unter diesem Titel sollte der Änderungsantrag stehen. Wenn Sie nicht billige Polemik, sondern eine vernünftige Regelung für die Opfer des Systems und der Stasi wollen, dann werden Sie mich an Ihrer Seite haben. Aber mit solchen populistischen und perfiden Anträgen werden Sie als das aufgezeigt, was Sie hier sind, nämlich jemand, der sich als Verfolgter gibt, sehr tiefschürfende Reden hält, aber sich letztlich an diesem populistischen Wahlkampf beteiligt, der hier stattfindet. Tut mir Leid!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Es hat übrigens einen Änderungsantrag gegeben, den Sie zu erwähnen vergessen haben, der sich auf eine Entscheidung des Bundesrates beruft. Den haben SPD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedet, und wir haben ebenfalls zugestimmt. Darin sind Regelungen für Opfer vorgesehen.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Das haben Sie hier unterschlagen.

Der Antrag, um den es hier geht, geht jetzt in den Ausschuss; wir werden uns damit auseinandersetzen, wie und in welcher Form die Behörde von Herrn Gutzeit weiter besteht. Die Redezeit ist für mich nun beendet.

[Beifall bei der PDS]