Protocol of the Session on June 28, 2001

Denn die SPD hat daraus gelernt, dass es für eine Partei keinen Sinn macht, direkt Einfluss auf Presseerzeugnisse nehmen zu wollen.

[Gelächter bei der CDU]

Das hat sie gerade hier in Berlin sehr schmerzlich lernen müssen. Die SPD hat auch nichts zu verschleiern, und da war auch kein Druck notwendig.

[Zuruf des Abg. Braun (CDU)]

Richtig ist, dass es eben Kreise gibt, die an die sehr ertragreichen SPD-Anteile an Zeitungen heranwollen. Und wenn Sie, Herr Braun, wirklich mehr Transparenz haben wollen, dann sollten wir uns in der Beratung dieses Gesetzes wirklich fragen, ob es ausreicht, sich nur auf Zeitschriften und Zeitungen zu begrenzen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Wir könnten doch auch sicher dazu kommen, dass wir alle periodisch erscheinenden Presseerzeugnisse – und zwar nicht nur Printmedien –, insbesondere auch Hörfunk- und Fernsehstationen ihre Beteiligungsverhältnisse alle Monate einstreuen lassen und das alle Monate einmal zu den besten Sendezeiten. Hundert,6 sagt, dass Herr Kirch dahinter steht. TV Berlin sagt, dass Herr Kirch dahinter steht. SAT 1 sagt, dass Herr Kirch dahinter steht. Das wäre sicher auch sehr interessant für den Zuhörer. Insofern denke ich, dass wir Ihrem Vorschlag im Ergebnis folgen können, halte aber das Landespressegesetz Brandenburgs für sehr viel geeigneter, um hier mehr Transparenz zu schaffen und etwas gegen die Pressekonzentration zu tun. Die Offenlegungspflicht sollte auch im Berliner Pressegesetz verankert werden. Auch wenn das für die Presseerzeugnisse wieder Aufwand bedeutet, rechtfertigt die Demokratie diesen Aufwand. Nicht mit der Begründung, Herr Braun, kann Ihnen gefolgt werden, aber im Ergebnis. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD – Beifall der Frau Abg. Hämmerling (Grüne)]

Vielen Dank, Herr Benneter! – Für die PDS-Fraktion hat Frau Dr. Lötzsch nun das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Medienexperte der Fraktion der CDU hat uns in den letzten zehn Tagen mit einer Flut von medienpolitischen Anträgen versorgt. Unter anderem war auch ein Antrag dabei, der gefordert hat, ab sofort B 1 über Satellit auszustrahlen. Dieser Antrag datierte vom 18. Juni 2001. Augenscheinlich hatten Sie übersehen, dass B 1 bereits am 21. April dieses Jahres über Satellit ausgestrahlt wurde.

[Beifall von links – Zuruf von der CDU]

Aber gut! Ich denke, bei so viel Eifer kann schon einmal so ein kleiner Fehler passieren.

Kommen wir zu dem von Ihnen vorgelegten Gesetz zur Änderung des Pressegesetzes. Die Absicht – wir werden nach der Ausschussberatung nicht über die Begründung abstimmen, sondern über den Antragstext –, höhere Transparenz zu schaffen, ist zu unterstützen. Das wird auch meine Fraktion in den entsprechenden Ausschüssen, die das zu beraten haben, sehr wohlwollend und unterstützend aufnehmen. Herr Kollege Benneter hat schon auf das brandenburgische Pressegesetz verwiesen, an

dem wir uns im Zuge der verstärkten Zusammenarbeit mit Brandenburg orientieren könnten. Die kleine Sorgfaltsgeschichte, § 7 mit § 8 zu verwechseln, ist auch schon erwähnt worden.

Ich verstehe Ihren Antrag vor allen Dingen als einen Akt sehr aktiver Selbstkritik, dass Sie sich nun einsetzen wollen, Medienkonzentrationen aufzudecken, vielleicht im Ergebnis dessen, dass Sie nun eingesehen haben, dass es doch nicht so gut ist und nicht der Aufklärung und Transparenz dient, wenn es das tägliche Morgentelefonat zwischen Herrn Gafron und Herrn Dr. Butz gibt. Das hat sicher nicht zur Transparenz geführt. Aber einen Umdenkungsprozess können auch wir unterstützen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS – Beifall der Abgn. Roß (SPD), Frau Kind (SPD) und Müller-Schoenau (Grüne)]

Vielen Dank, Frau Dr. Lötzsch! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Eßer das Wort.

[Zuruf von der CDU]

Haben Sie das geklärt, ja? – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Tage, so war zu lesen, haben sich in Frankfurt zur öffentlichen Diskussion zwei ehemalige Kontrahenten getroffen, und zwar der ehemalige Chefredakteur der „Bild-Zeitung“, Hans-Hermann Tietje, und der Mann, der bei „Bild“ Hans Esser war, der Schriftsteller Günter Wallraff. Am Ende waren sich die Kontrahenten einig, wie das unter alten Kämpfern häufig so ist. Verhetzung, sagte Wallraff, finde heute in den Zeitungen nicht mehr in dem Maße statt wie vor dreißig Jahren. Herr Tietje meinte durchaus mit gewissem Bedauern, so richtige Kampagnen würden heute nicht mehr gefahren. Also, meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie diesen Antrag vor dreißig Jahren gestellt hätten, als die Studenten auf den Straßen „Enteignet Springer!“ skandierten und gegen Monopole in der Presse protestierten,

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Ja, ja, immer so wie es passt!]

dann wären Sie richtig revolutionär gewesen. Damals hätten Sie diesen Antrag natürlich nicht gestellt. Der Fortschritt ist eine Schnecke. Denn heutzutage steckt nicht nur in „Bild“, „B. Z.“, „Morgenpost“ oder „Welt“ ein gutes Stück des CDU-Freundes Leo Kirch, sondern auch in Hundert,6 – es wurde schon gesagt –, TV.B, SAT 1, Kabel 1, Pro 7, Premiere World und was weiß ich noch alles. Da haben Sie immer die Situation, wo Gafron draufsteht, sind Kirch und CDU drin.

[Heiterkeit bei den Grünen]

Da müsste dann – Herr Benneter hat es gesagt – von Rechts wegen eigentlich in jeder Werbepause als Erstes der Trailer laufen: „Sie sehen oder hören ein Programm der Kirch-Gruppe. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ – Dann könnte der erste Werbespot kommen, dann wüssten wir auch da Bescheid. Um Gerechtigkeit walten zu lassen, könnte ich jetzt die Alternativliste für den Bertelsmann-Konzern aufstellen, die der SPD, zumindest der nordrhein-westfälischen, etwas besser gefallen würde. Ich spare mir das aber angesichts der Fülle der Anträge, mit der die CDU uns heute noch zu beschenken gedenkt, und sage kurz und gut: Der vorliegende Antrag sollte in den Ausschüssen mit Sympathie beraten werden. Sein Grundgedanke ist geeignet, wenigstens ein Stück Transparenz auf dem Medienmarkt herzustellen, sei es nur bei den Presseorganen. An uns soll es nicht scheitern, auch in Berlin eine vernünftige Lösung zu finden. – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Eßer! – Damit sind die Wortmeldungen abgearbeitet. Die Empfehlung des Ältestenrats ist eine Überweisung an den Rechtsausschuss

(A) (C)

(B) (D)

Vizepräsident Dr. Luther

federführend – sowie mitberatend an den Ausschuss für Bundesangelegenheiten und an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie. Wer dem so folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit einstimmig angenommen!

[Doering (PDS): Überwiesen!]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3, Drucksache 14/1287:

I. Lesung des Antrags der Fraktion der CDU über Gesetz über den Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Land Berlin

Ich eröffne die I. Lesung. Wir beginnen mit einer Wortmeldung der CDU-Fraktion. Es hat das Wort der Abgeordnete Andreas Apelt. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist keine sechs Wochen her, da haben wir hier über den siebenten Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR gesprochen. Damals haben wir gemeinsam nicht nur die Arbeit des Landesbeauftragten gelobt, sondern wir haben in diesem Haus auch die Auffassung vertreten, dass die Arbeit unbedingt fortgesetzt werden sollte. Dazu steht die CDU-Fraktion auch heute noch uneingeschränkt.

Wir haben damals aber auch auf die große Gerechtigkeitslücke verwiesen, die noch immer zwischen den Verfolgten und Inhaftierten von einst und ihren damaligen Peinigern, den StasiOffizieren, Vernehmern und Richtern, klafft und die bis ins Rentenrecht fortgeschrieben wird. Heute, sechs Wochen später, können wir sagen: Diese Lücke ist größer geworden, denn mit der Entscheidung des Deutschen Bundestages auf Grund des Bundesverfassungsgerichtsurteils sind auch den ehemaligen Stasi-Offizieren massive Rentenerhöhungen zuteil geworden, während gleichzeitig und nur dank eines Widerspruchs der CDU-geführten Länder Sachsen und Thüringen für einen kleinen Teil der Verfolgten eine Verbesserung der Renten durchgesetzt werden konnte. Sie alle kennen die Zahlen. 10 Millionen DM für die Verfolgten, jährlich 90 Millionen DM nur für die Stasi-Offiziere. Dabei sind alle herausgerechnet, die zu Recht mehr Geld bekommen, etwa die Mitarbeiter von Post und Bahn. Damit wird fortgeschrieben, was bittere deutsche Realität ist: Widerstand lohnt sich nicht. Die Verfolgten von einst werden noch heute für ihre Leiden und ihr Engagement bestraft. Ihre Rente bleibt auch heute unter der ihrer Peiniger, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Satz: Je länger in Haft, desto geringer die Rente – nur die Spitze des Eisberges umschreibt.

Es ist keine sechs Wochen her, da hat sich auch in dieser Stadt viel geändert. Ich weiß nicht, was von dem geblieben ist, was uns hier damals im Parlament erzählt wurde. Ich könnte Herrn Volk zitieren, aber das mache ich mit Rücksicht auf seine ehemalige Fraktion lieber nicht. Ich zitiere lieber Frau Seelig. Sie sagte:

Schadensausgleich und Wiedergutmachung für die Opfer staatlicher und geheimdienstlicher Willkür in der DDR sind nicht an einem Punkt angelangt, wo man sagen kann: Dieses Kapitel können wir abschließen.

Und sie ergänzte den Satz mit dem Hinweis, dass gerade die Stadt Berlin hier eine besondere Verantwortung habe. Ich sagte, das ist sechs Wochen her. Es ist eines der vielen Versprechen, die noch nicht einmal richtig im Protokoll standen, da wurden sie auch schon wieder gebrochen. Gestern stimmte Ihre Partei, Frau Seelig, gemeinsam mit den Grünen und der SPD gegen eine Entschädigung für die Opfer und Verfolgten der letzten deutschen Diktatur. [Pfui! von der CDU]

Sie verweigerten gemeinsam jene Wiedergutmachung, von der Sie sprachen, denn das Schicksal – den Vorwurf müssen Sie sich jetzt gefallen lassen – der Betroffenen scheint Ihnen offenbar völlig egal zu sein. Ihre vermeintlichen Entschuldigungen für das Wirken Ihrer Vorgängerpartei haben Sie damit ad absurdum geführt. Denn wenn Sie es wirklich ernst gemeint hätten, dann hätten Sie geholfen, die größte Not der Opfer und Verfolgten von einst zu lindern. 60 % von ihnen – das wissen Sie genauso gut wie ich – leben in der Sozialhilfe. Oder Sie hätten nur einen Bruchteil der Energie für eine Besserstellung der Verfolgten aufgebracht, wie Sie sie den alten DDR-Eliten angedeihen lassen. Ich frage Sie, Frau Seelig, und damit frage ich auch die beiden anderen Fraktionen: Was hat Ihnen denn der einfache Maurer getan, der am 17. Juni 1953 auf die Straße ging und wegen „feindlicher Propaganda“ 5 Jahre in Bautzen verschwand, 2 Tage nach seiner Hochzeit? Ist er denn nicht schon genug bestraft, dass er heute eine erheblich geringere Rente bekommt als sein Kollege, der damals mit ihm auf dem Bau war, aber nicht auf die Straße gegangen ist? Was hat er Ihnen getan, dass Sie ihm die Rente verweigern?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Hämmerling, Herr Abgeordneter?

Nein, ich habe leider nur 5 Minuten Redezeit. – Was hat Ihnen die alte Frau getan, die psychisch und physisch gebrochen mit 830 DM Rente leben muss, während die Richterin, die sie verurteilte, heute 3 800 DM Rente bekommt und durch die Aufstockung der Rente um 500 DM dann 4 300 DM bekommen wird? Was hat sie Ihnen getan, dass Sie gestern dagegen stimmten, dass diese Frau auch eine höhere Rente bekommen kann? Warum verweigern Sie diesen Menschen die Erhöhung der Rente?

Nein! Die Entscheidung von gestern ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer und Verfolgten, die nicht nur für sich, sondern für uns alle gelitten haben. Wenn Sie doch wenigstens ehrlich wären und vor diese Menschen träten, um zu sagen: Liebe Leute, wir wollen nichts für euch tun. Wir wollen euch in eurer Situation nicht helfen. – Diese Chance hätten Sie gehabt, aber das machen Sie nicht.

Wir haben eine Anhörung der Verfolgtenverbände, der Opfer beantragt, damit Sie diesen Menschen ins Gesicht schauen. Aber Sie haben es abgelehnt, und ich will Ihnen sagen, warum Sie es abgelehnt haben: weil Sie zu feige sind, diesen Menschen ins Gesicht zu schauen. Nein! Sie heucheln lieber, reden von Entschuldigung und neuen demokratischen Parteien, aber handeln genauso wie bei der alten. Gestern waren einige Vertreter der Opferverbände da, die mir sagen: Warum haben eigentlich diese Menschen ihr Parteibuch gewechselt? – Ich hoffe nur, dass jetzt jeder in diesem Land sieht, was wirklich gespielt wird. Denn Ihre Entschuldigungen sind angesichts Ihrer Taten nichts, aber auch nichts wert.

Auch die Kollegen der Grünen und der SPD, die sich vor oder hinter den Karren haben spannen lassen, –

Denken Sie bitte an Ihre Zeit, Herr Abgeordneter!

– müssen sich fragen lassen: Mit welchem Recht verhöhnen Sie die Opfer?

Mein letzter Satz: Die Behörde des Landesbeauftragten muss weiter arbeiten. Sie hat ihre Aufgabe noch lange nicht erfüllt. Die jüngste Geschichte zeigt, wie wichtig sie ist. Wenn dieses Parlament noch ein Fünkchen Achtung vor der Leistung der Verfolgten und Widerständler in sich trägt, wird es wenigstens die Arbeit der Behörde unterstützen, die ihrerseits die vielen Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen unterstützt. – Danke!

[Beifall bei der CDU]