Protocol of the Session on May 10, 2001

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 26. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sehr herzlich.

Ich g r a t u l i e r e dem V i z e p r ä s i d e n t e n , H e r r n D r. L u t h e r, zum G e b u r t s t a g – alles Gute, herzlichen Glückwunsch und Gesundheit. [Beifall]

Ferner begrüße ich die ersten Rollstuhlfahrer im Plenarsaal, die anlässlich der Großen Anfrage hier sind. Sie finden selbstverständlich ganztägig bei uns unten Platz.

[Beifall]

Ich habe einiges Geschäftliches mitzuteilen: Am Montag sind drei A n t r ä g e a u f D u r c h f ü h r u n g e i n e r A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD zum Thema: „Bilanz des 1. Mai 2001 in Berlin“,

2. Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: „1. Mai – das programmierte Desaster“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „1. Mai in Berlin – Werthebachs Verbotsstrategie endet im Desaster“

Im Ältestenrat haben wir uns darauf verständigt, dass die heutige Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU durchgeführt wird. Sie wird mit dem Thema „Bilanz des 1. Mai 2001 in Berlin“ unter dem Tagesordnungspunkt 2 A aufgerufen. Sie wird – anders als sonst – zu Gunsten der Großen Anfrage zur Gleichberechtigung von Behinderten nach hinten gestellt, um gegenüber der Bevölkerung deutlich zu machen, wie wichtig uns die Probleme der Behinderten in Berlin sind.

[Beifall]

Für die N i c h t t e i l n a h m e beziehungsweise zeitweilige Abwesenheit a n d e r h e u t i g e n S i t z u n g sind folgende S e n a t s m i t g l i e d e r entschuldigt: Herr Senator Böger ist ganztägig abwesend. Er ist bei der Kultusministerkonferenz in Hamburg. Herr Senator Kurth ist zwischen 15.00 und 17.00 Uhr abwesend. Er wird an der Sitzung des Verwaltungsrats der Kreditanstalt für Wiederaufbau teilnehmen. Er wird aber auf jeden Fall zum Beantwortung der Großen Anfrage unter Tagesordnungspunkt 11 anwesend sein.

Wir kommen dann zur

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Ich empfehle, die Fragen 3 und 4 zu den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und die Fragen 5 und 7 zur Vorschulerziehung jeweils gemeinsam aufzurufen und den Fragestellern das Recht zu jeweils zwei Nachfragen zu geben. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. Ich bitte Frau Freundl und Frau Dr. Klotz sowie Herrn Schlede und Frau Dr. Barth, sich entsprechend darauf einzustellen.

Wir kommen zur ersten Frage von Frau Grütters über

Standort US-Headquarter

Ich frage den Senat:

1. Wie ist der Stand des Erwerbs des ehemaligen US-Headquarters für die FU Berlin?

2. Wie schätzt der Senat die Chancen ein, trotz der aufgetretenen Probleme um mögliche Bodenbelastungen einen Campus der FU auf diesem Gelände zu platzieren?

Bitte, Senator Kurth!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Grütters! Meine Damen und Herren! Der Senat hofft, dass der Vertrag zwischen der Freien Universität und dem Bund über den Erwerb des ehemaligen amerikanischen Hauptquartiers in nächster Zeit abgeschlossen werden kann. Wir haben über den Kaufpreis bereits vor einiger Zeit eine Übereinstimmung erzielt, die eine für beide Seiten akzeptable Lösung beinhaltet. Ich bin verwundert darüber, dass der endgültige Vertragsabschluss auf Grund von behaupteten Altlasten – Schwierigkeiten bei den Gebäuden – noch nicht erfolgt ist. Wir haben aus diesem Grund für die kommende Woche nochmals zu einer im Haus der Finanzverwaltung stattfindenden Besprechung zwischen allen Beteiligten eingeladen. Da wir unverändert die Errichtung des Campus der Freien Universität auf diesem Areal für eine sehr sinnvolle Lösung halten, hoffen wir sehr, in dieser abschließenden Besprechung zu einer Einigung zu kommen, zumal es hierzu eine eindeutige schriftliche Erklärung der Bundesregierung aus dem letzten Jahr gibt.

Zur Frage 2: Bei den Altlasten handelt es sich nicht um Bodenbelastungen, sondern um Belastungen des Gebäudes. Wir gehen davon aus, dass wir in dem abzuschließenden Vertrag eine beide Seiten befriedigende Regelung für die Übernahme der Kosten der Beseitigung der Altlasten werden finden können. Unverändert schätzen wir die Chancen, den Campus dort etablieren zu können, gut ein. Das setzt allerdings voraus, dass beide Seiten es nicht an überschaubaren Problemen – wie ich finde – blockieren und scheitern lassen.

Eine Zusatzfrage kommt von der Fragestellerin, bitte sehr!

Das Kuratorium der Freien Universität hat einen Beschluss gefasst, in dem es den Erwerb des US-Headquarters an Bedingungen knüpft. Um welche Größenordnung handelt es sich bei der Finanzierung inzwischen? Wie sieht der Wissenschaftssenator die Möglichkeit, über diesen Kuratoriumsbeschluss hinweg die Realisierung für die FU zu ermöglichen?

Es antwortet in diesem Fall Senator Dr. Stölzl.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Grütters! Ein Kuratoriumsbeschluss kann selbstverständlich in einer erneuten Sitzung noch einmal überdacht werden. Die Aussagen der Freien Universität, sowohl des jetzigen Präsidenten als auch aller anderen Beteiligten, gehen eindeutig auf den Erwerb des Headquarters als zentrale Zukunftsoption hinaus. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass es – wie es Senator Kurth geäußert hat – wegen der Randbedingungsschwierigkeiten nicht zu einem Abschluss kommt. Wir alle wissen, dass über dieses Grundstücksgeschäft hinaus zwischen dem Bund und dem Land Berlin gerade in der Sache des Hauptstadtkulturvertrages auch andere Immobilienfragen behandelt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass der Bundesfinanzminister auch hier einen Zusammenhang sieht und am Schluss das Paket gemeinsam geschnürt oder geöffnet wird.

Wünschen Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Mich interessiert, über welchen Preis inzwischen verhandelt wird. Sind es für beide Seiten 24 Millionen DM? Gibt es Kostenvorstellungen zur Größenordnung bei der Beseitigung dieser Altlasten? In welcher Höhe bewegt sich der Finanzrahmen?

Herr Senator Kurth, bitte!

(A) (C)

(B) (D)

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Die Kosten, die für eine mögliche Altlastenbeseitigung entstehen würden, sind noch nicht bekannt. Daher kann zu dieser Höhe nichts gesagt werden. Wir haben uns auf einen deutlich niedrigeren Kaufpreis als 24 Millionen DM verständigt. An sich haben wir also eine vernünftige Regelung erzielt, so dass ich noch einmal die Hoffnung wiederhole, dass es nicht an einer noch zunächst abstrakten Regelung zur Kostenübernahmen für ein Altlastenrisiko scheitern wird.

Es gibt eine weitere Zusatzfrage von Herrn Abgeordneten Hoff!

Vielen Dank, Herr Präsident! Die Übertragung des US-Headquarters ist eine never ending story. Es liegt eigentlich allen Fraktionen hier im Haus am Herzen, dass dies endlich abgeschlossen wird. Angesichts der Tatsache, dass dies eine never ending story ist, wundert mich, dass diese Altlasten erst jetzt auftauchen. Warum ist dies jetzt erst bekannt geworden? Warum ist dies nicht bereits früher Teil der Verhandlungen zwischen Bund, Land und auch der Debatte gewesen?

Herr Senator Dr. Stölzl, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Hoff! Der Bund hat sehr lange wenig oder gar keinen Zugang zu diesen Immobilien gewährt, so dass die genauen Untersuchungen erst zeitgleich mit den Verhandlungen stattfinden konnten. Das ist bedauerlich, aber angesichts der wirklich sehr großen Wendung, die das Schicksal der Freien Universität dann nimmt, wenn sie dieses zentrale Campusgelände erhält, auch noch hinzunehmen. Wir sind an sich wegen der Größenordnung ganz optimistisch, dass sich beide Seiten einigen werden. Das Kuratorium kann dann unter neuem obwaltenden Finanzrahmen das Thema noch einmal an sich ziehen und anders entscheiden.

Es gibt eine weitere Zusatzfrage von Herrn Hoff, bitte sehr!

Sie müssen entschuldigen, Herr Senator, dass ich Ihnen nicht so ganz abnehme, dass man sich das Gebäude jetzt erst ansehen und dann die Schäden feststellen konnte. Ich kann mich an entsprechende Medienveröffentlichungen 1995 und 1996 unter anderem im „Tagesspiegel“ erinnern, in denen über die Schäden an dem Gebäude auch durch Nichtnutzung und Länge der Verträge berichtet wurde. Aus diesem Grund stellt sich für mich die Frage, warum dies erst jetzt aufgetreten ist und warum die Höhe der Schäden noch nicht klar ist. Aus meiner Sicht wurden diese Fragen noch nicht adäquat und eigentlich überhaupt nicht beantwortet.

Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hoff! Die Freie Universität hat, was man ihr nachsehen kann, darauf bestanden, eigene Gutachter zu beauftragen und eigene Untersuchungen durchzuführen, was angesichts der Erfahrungen mit der Hinterlassenschaft von militärischen Formationen im ganzen Land Berlin verständlich ist. Die Frage von Bodenbelastungen und Kontaminierungen ist ungeheuer schwer theoretisch zu klären. Die Gutachter der FU haben Anfang des Jahres Zugang erhalten. Seitdem ist bekannt, was geklärt werden muss. Ich halte dies nicht für unzumutbar, sondern für normal, dass die Verhandlungen zwischen Bund und Land nicht schnellstens vorangehen. Nach allen Erfahrungen in den letzten 10 Jahren seit der Einigung werden diese vielmehr immer von beiden Seiten zäh geführt.

Damit kommen wir zur nächsten Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Arndt über

Vermietung von Wohnungen als Gewerberäume

Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Ist dem Senat die Eilentscheidung der 10. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts – 10 A 96/01 – bekannt, wonach es in Berlin keinen Wohnungsmangel gäbe und somit eine wichtige Voraussetzung für das Zweckentfremdungsverbot fehle?

2. Hält es der Senat angesichts der tatsächlichen Wohnungssituation in Berlin für gerechtfertigt, dass mehr Wohnungen als bisher als Gewerberäume vermietet werden sollten, und denkt er daran, die Zweckentfremdungsverbotsverordnung weiter zu liberalisieren bzw. ganz aufzuheben?

Zur Beantwortung hat Herr Senator Strieder das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Arndt! Dem Senat ist bekannt, dass das Verwaltungsgericht am 25. April diese Entscheidung getroffen hat. Allerdings ist dies im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geschehen. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Zweckentfremdungsverbot vorausgesetzte Wohnraummangellage in Berlin derzeit nicht mehr besteht. Das ist im Rahmen einer summarischen Prüfung gesagt worden. Diese Auffassung teilt der Senat in dieser Konsequenz nicht. Wir bereiten zusammen mit dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf den Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen diese Entscheidung vor.

Zu Ihrer 2. Frage: Der Senat bereitet nicht die Aufhebung der Zweckentfremdungsverbotsverordnung vor. Er beabsichtigt aber, die derzeit geltende Regelung durch eine bis zum 31. Dezember 2004 befristete Änderungsverordnung zu liberalisieren, und den Entspannungstendenzen Rechnung zu tragen.

Insbesondere in stark monostrukturell geprägten Wohngebieten wie Großsiedlungen im Ostteil der Stadt, aber auch in Sanierungsgebieten und in Quartiersmanagementgebieten soll die zweckfremde Nutzung von Erdgeschosswohnungen von der Genehmigungspflicht nach der Zweckentfremdungsverbotsverordnung befreit und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch eine Zweckentfremdungsgenehmigung ohne Forderung von Ausgleichszahlungen unterstützt werden. Zudem sind weitere Erleichterungen für die zweckfremde Nutzung von Wohnraum als Arztpraxen oder für soziale, gesundheitliche, erzieherische, therapeutische oder kulturelle Zwecke geplant. Darüber hinaus sind allgemeine Reduzierungen bei der Höhe der laufenden Ausgleichszahlungen vorgesehen. Wir wollen es auch dem Studentenwerk erleichtern, Studentenwohnungen in bisherigen normalen Wohnungen anzubieten, ohne dass das als eine gewerbliche Tätigkeit angesehen wird. Die von uns mittlerweile erarbeiteten Änderungen sollen in den nächsten Tagen den Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet und anschließend vom Senat verabschiedet werden.