Protocol of the Session on December 14, 2022

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir fahren mit dem Redebeitrag des Abgeordneten von Gizycki für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Bitte schön.

(Beifall B90/GRÜNE)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! - Oben ist kaum noch jemand. Trotzdem: Hallo! - Ich denke, die wenigsten von uns haben schon einmal eine Vorsorgevollmacht ausgefüllt. Ich zumindest habe dies noch nicht getan, habe mich aber im Zuge der Diskussion im Ausschuss und auch aufgrund der Anhörung in das Thema vertieft und gemerkt, wie komplex es ist. Meine Vorredner haben zum Teil schon ausgeführt, worum es im Einzelnen geht. Ich möchte das abkürzen; aber ich finde, es ist schon beachtlich, welche emotionale und psychologische Verantwortung letztlich auf den Betreuern liegt, wenn es zum Beispiel darum geht, in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in einen ärztlichen Eingriff einzuwilligen, und was es für den Betreuten bedeutet, wenn der Betreuer die Behandlung ablehnt oder die Einwilligung in eine Maßnahme widerruft, auch wenn mit der Vornahme, dem Unterlassen oder dem Abbruch dieser Maßnahme die Gefahr besteht, dass der Betreute stirbt oder sich schwer verletzt. Das sind Verantwortungen, die wohl keiner von uns so recht überblicken kann, jedenfalls nicht, solange man kein konkretes Beispiel hat.

Ich denke, es ist wichtig, dass dies auf Bundesebene gesetzlich neu geregelt worden ist, und ich finde es auch sehr gut, dass wir insoweit auch im Haushalt noch einmal ordentlich nachgelegt haben, damit diese verantwortungsvolle Aufgabe auch in den ehrenamtlichen Betreuungsvereinen entsprechend gestärkt wird.

Ich möchte es zu später Stunde nicht weiter ausbreiten - ich finde, es ist klar -, aber noch sagen, dass die Senkung der Zahl der zu Betreuenden auf 70 000 ein guter Kompromiss ist, mit dem wir alle leben können. Hierbei auch ein Appell an die Landkreise, ihrerseits das Nötige zu tun, um die Betreuungsvereine zu unterstützen.

Kurzum: Wir freuen uns über die Verbesserung für viele Menschen in Brandenburg, die unter Betreuung stehen oder als Betreuer bzw. Betreuerin oder Bevollmächtigte tätig sind. In den kommenden Jahren hoffen wir insbesondere darauf, dass viele Kommunen auch das Instrument des temporären Fallmanagements erproben. Unser Ziel ist es, Menschen mit einer Behinderung oder psychischen Erkrankung in ihrem Selbstbestimmungsrecht und in ihrer Teilhabe weiter zu stärken. Das gelingt uns hiermit ein Stück weit.

Enden möchte ich mit einem herzlichen Dank sowohl an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Betreuungsvereine, die einen wirklich hervorragenden Job machen, als auch an die Betreuungsbehörden und Betreuungsgerichte, die sich hauptamtlich mit diesem Thema beschäftigen und versuchen, in solch schwierigen Lebenssituationen die bestmögliche Lösung zu finden. Vor allem danke ich aber jenen, die sich das sozusagen ehrenamtlich zu Herzen nehmen und Verantwortung für ihre Mitmenschen übernehmen.

Ich empfehle die Annahme. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und CDU)

Wir fahren mit dem Redebeitrag für die Fraktion BVB / FREIE WÄHLER fort. Frau Abgeordnete Nicklisch, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Im Zuge der Umsetzung der Reform des Betreuungsrechts gibt es vielfältige neue Regelungen. Auf alle Akteure des Betreuungswesens kommen umfangreiche Veränderungen zu. Für die rund 1,3 Millionen betreuten Menschen in Deutschland und etwa 46 000 Betreuten in Brandenburg soll dadurch ein Mehr an Qualität und Selbstbestimmung erreicht werden. Mit dem Ausführungsgesetz werden die Weichen für die Verwirklichung von Verbesserungen gestellt.

Über den bestehenden Nachbesserungsbedarf hinsichtlich des Gesetzentwurfs wurde im ASGIV ausführlich beraten, so auch im Rahmen einer Anhörung im Oktober. Diese war sehr aufschlussreich und hat dazu beigetragen, unterschiedliche Perspektiven und entsprechendes Fachwissen in den Gesetzentwurf einfließen zu lassen.

Ein wichtiger Kritikpunkt war der Versorgungsschlüssel. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der steigenden Betreuungszahlen ist der ursprünglich angedachte Schlüssel mit einer Fachkraft je 100 000 bzw. 120 000 Einwohner nicht ausreichend. Die zusätzliche Arbeit, die dadurch auf die Betreuungsvereine zukommen würde, wäre bei der derzeit bestehenden Arbeitsbelastung nicht zu bewältigen, zumal der Vorschlag mit einem starren Bezug auf Einwohnerzahlen unserer Ansicht nach unausgereift ist, da in manchen Gebieten weniger und in anderen Gebieten mehr Betroffene leben.

Bereits heute haben Betreuer 50 bis 60 Menschen zu betreuen. Ich kann aus der Lausitz berichten. Dort sind es teilweise sogar 70 bis 90 Menschen. Wenn Betreuer zu viele Menschen betreuen, kann das problematisch sein. Manche zu Betreuenden kennen ihre Berater kaum, obwohl der persönliche Kontakt doch so wichtig ist. Sich nur einmal im Quartal sehen zu lassen kann nicht Sinn und Zweck einer Betreuung sein.

Angesichts dessen ist die von der Koalition vorgeschlagene Änderung des Schlüssels auf eine Fachkraft je 70 000 Einwohner zu begrüßen. Um eine nachhaltige und bedarfsgerechte Aufgabenwahrnehmung zu gewährleisten, wäre aber eigentlich sogar die im Ausschuss von den Linken vorgeschlagene Änderung auf 50 000 anzustreben. Immerhin spiegelt diese Zahl laut Anhörung das bislang praktizierte und bewährte Niveau wider.

In jedem Fall gilt es, einer Unterversorgung entgegenzuwirken. Der Problematik des Fachkräftemangels muss begegnet werden. Dieser darf die qualifizierte Betreuung nicht gefährden. Dazu muss auch eine ausreichende Zahl an Betreuern ausgebildet werden. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle nochmals das Engagement der ehrenamtlichen Betreuer. Immerhin gibt es in Brandenburg durchschnittlich 19 256 ehrenamtliche Betreuungen. Aus unserer Sicht muss das Ehrenamt mehr anerkannt, gewürdigt und gestärkt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf den Gesetzentwurf ist der Finanzierungsanspruch der Betreuungsvereine. Die Finanzierung muss auseichend sein, um eine bedarfsgerechte Ausstattung und Aufgabenerfüllung zu gewährleisten. Angesichts der aktuellen Lage ist eine Anpassung der Finanzierung alle drei Jahre nicht förderlich. Die Änderung auf eine einjährige Anpassung ist daher sehr zu begrüßen.

(Beifall des Abgeordneten Stefke [BVB/FW])

Auch ich bedanke mich sehr bei den Betreuern, ob ehrenamtlich oder amtlich angestellt; denn ich weiß nicht nur, was sie an Arbeit erbringen, sondern auch, was sie in dieser Zeit manchmal menschlich leisten müssen. Also herzlichen Dank für diese Arbeit!

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt AfD und DIE LINKE)

Der Beschlussempfehlung werden wir selbstverständlich folgen.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir fahren in der Debatte mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Zu uns spricht Herr Staatssekretär Ranft. Bitte schön.

(Beifall der Abgeordneten Keller [SPD] und Raschke [B90/GRÜNE])

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit der umfassendsten Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts seit 30 Jahren will der Bundesgesetzgeber das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen nach dem Leitbild der UN-Behindertenrechtskonvention stärker in den Vordergrund rücken. Mit dem Prinzip des Nachrangs der rechtlichen Betreuung gegenüber betreuungsvermeidenden Hilfen soll endlich Ernst gemacht werden.

Wir selbst als Landesregierung wollen zudem das im Koalitionsvertrag niedergelegte Ziel erreichen, die Qualität der rechtlichen Betreuung zu sichern und auszubauen sowie - Herr Abgeordneter Baaske hat darauf hingewiesen - den Anteil ehrenamtlicher Betreuung zu halten und nach Möglichkeit auszubauen.

Rechtliche Betreuungen stellen immer schwerwiegende Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, weshalb auch die Vermeidung unnötiger rechtlicher Betreuung angestrebt wird.

Das brandenburgische Betreuungsorganisationsausführungsgesetz in der Ihnen nun vorliegenden Fassung wird diesen Zielen nach meiner Auffassung gerecht. Lassen Sie mich zwei Punkte herausgreifen.

Erstens. Eine der neuen Aufgaben für die örtlichen Betreuungsbehörden aus dem Betreuungsorganisationsgesetz ist die erweiterte Unterstützung. Es geht um qualifiziertes Fallmanagement, mit dem die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung vermieden werden soll. Dieses Instrument wird im behördlichen und im gerichtlichen Bereich eingeführt. In Brandenburg werden wir die erweiterte Unterstützung im gerichtlichen Bereich im Rahmen von Modellprojekten mit den örtlichen Betreuungsbehörden durchführen. Wir sind überzeugt, dadurch Methoden und Strukturen zu erarbeiten, mit denen sich in einer ganzen Reihe von Fällen die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung effektiv und effizient vermeiden lässt.

Zweitens. Ein wichtiges Ziel des Bundesgesetzgebers ist die Stärkung der Betreuungsvereine. Sie erhalten einen Anspruch auf eine bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung zur Wahrnehmung der Querschnittsaufgaben. Diese Querschnittsaufgaben beinhalten insbesondere die Information über allgemeine betreuungsrechtliche Fragen, Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen sowie die Gewinnung, Beratung und Fortbildung von ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern.

Die Anhörung im Ausschuss hat uns eindrucksvoll gezeigt, dass auch bei der Wahrnehmung von weniger komplexen Betreuungen eine Vielzahl von Fragen auftauchen kann, bei denen die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer Hilfe durch die Betreuungsvereine benötigen. Die Abgeordneten Augustin und Baaske haben darauf hingewiesen.

Im Jahr 2021 gab es in Brandenburg insgesamt 49 000 Betreuungen. Davon wurden fast 19 000 Betreuungen von ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern durchgeführt. Unser Ziel muss es sein, diesen Anteil von knapp 40 % ehrenamtlichen Betreuungen zu halten, vielleicht noch auszubauen. Mit der Verabschiedung des Gesetzes ist es somit nicht getan. Vielmehr gilt es, die Strukturen auf die zukünftigen Herausforderungen auszurichten und insbesondere mit den Kommunen in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Mit dem in den Beratungen noch verbesserten Schlüssel von einer Vollzeitstelle auf 70 000 Einwohnerinnen und Einwohner stellt das Land eine wichtige Voraussetzung hierfür zur Verfügung.

Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich dem Haushaltsgesetzgeber und dem zuständigen Ausschuss. Lieber Herr Abgeordneter Büttner, es gilt das Struck’sche Gesetz: Noch nie hat ein Gesetzesvorhaben ein Parlament so verlassen, wie es hineingegangen ist.

(Vereinzelt Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Eine qualitative Verbesserung der Betreuungsarbeit versprechen wir uns auch von der Einführung der überörtlichen Arbeitsgemeinschaften und der rechtlichen Verankerung von örtlichen Arbeitsgemeinschaften im Betreuungswesen. Der regelmäßige Austausch und die gegenseitige Unterstützung der maßgeblichen Akteure im Betreuungswesen sind angesichts der neuen Aufgaben aus dem BtOG unverzichtbar.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dem brandenburgischen Ausführungsgesetz einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Qualität im Betreuungswesen und zum Vermeiden von Betreuung leisten. Deshalb bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf im Interesse der Betreuerinnen und Betreuer und der von ihnen betreuten Personen in der vorliegenden Fassung zuzustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, B90/GRÜNE und CDU)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Aussprache und kommen zu den Abstimmungen.

Zuerst stimmen wir über den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 7/6866, Änderung des neuen Artikels 5 Abs. 2, ab. Wer stimmt dem Änderungsantrag zu? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist ohne Enthaltung einstimmig angenommen.

Die AfD-Fraktion und die Fraktion DIE LINKE haben jeweils in einem Antrag getrennte Abstimmung beantragt. In einer ersten Abstimmung soll über die Artikel 1, 2, 3 und 5 und in einer zweiten Abstimmung über Artikel 4 abgestimmt werden. Ich nenne Ihnen die vier Artikelüberschriften: Artikel 1: Gesetz zur Ausführung des Betreuungsorganisationsgesetzes im Land Brandenburg. Artikel 2: Änderung des Brandenburgischen Justizkostengesetzes. Artikel 3: Folgeänderungen. Artikel 5: Inkrafttreten, Außerkrafttreten. Artikel 4: Änderung des Infektionsschutzbeteiligungsgesetzes.

Meine Damen und Herren, gibt es Bedenken gegen die Teilung des Abstimmungsgegenstands in der beantragten Weise? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

(Frau Gossmann-Reetz [SPD]: Na ja, eigentlich schon!)

Wir stimmen also erstens über die Artikel 1 bis 3 und 5 ab. Wer stimmt zu? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei Enthaltungen ist diesen Artikeln einstimmig zugestimmt worden.

Wer Artikel 4 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei Enthaltungen ist dieser Artikel mehrheitlich beschlossen worden.

Damit wurde der Beschlussempfehlung insgesamt zugestimmt und das Gesetz in 2. Lesung verabschiedet.

Muss ich noch sagen, dass wir diese Änderung mit drin hatten? - Dann sage ich es noch einmal genau: Damit ist die Beschlussempfehlung unter Berücksichtigung des zuvor angenommenen Änderungsantrages auf Drucksache 7/6866 einstimmig mit Enthaltungen angenommen worden, und das Gesetz ist in 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf.

TOP 9: Gesetz zur Regelung der außergerichtlichen Streitbeilegung durch Schiedsstellen und anerkannte Gütestellen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Streitbei-

legungsgesetz - BbgSBG)

Gesetzentwurf der Landesregierung