Protocol of the Session on November 22, 2013

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kollegen Melior und Schierack haben zu den sachlichen Inhalten dieses Antrages alles Wichtige gesagt. Es geht uns erstens um eine Vereinfachung der Anerkennung von DDR-Abschlüssen und es geht uns zweitens um das Ende einer Ungerechtigkeit, die es immer bei Stichtagen gibt. Warum soll jemand, der im Dezember 1990 einen Abschluss gemacht hat, diesen leichter anerkannt bekommen, als jemand, der ihn im Januar 1991 gemacht hat? Das war der Stichtag. Insofern ist das ein berechtigtes Anliegen.

Dieses ist nicht ganz neu. Es gab im Dezember 2005 eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Jürgens, der genau zu diesem Thema die damalige Landesregierung gefragt hat. Allein in dem Zeitraum 1995 bis 2005 waren es 36 000 Anträge. Die Landesregierung hatte mir damals geantwortet: Die meisten Ablehnungen von Nachdiplomierungsanträgen erfolgten bei Stichtagsüberschreitungen. - Genau das werden wir jetzt mit diesem Beschluss heilen. Ich hoffe, dass ihn die Landesregierung zügig umsetzt. Insofern bin ich froher Hoffnung, dass wir nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes in Sachsen ein rechtskonformes Handeln auch hier in Brandenburg haben werden. Selbstverständlich haben wir hier in Brandenburg bisher ebenfalls rechtskonform gehandelt, und zwar nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg aus dem Jahre 2002.

Nichtsdestotrotz ist es ein gutes Anliegen, und es ist schön, dass wir am Ende noch einmal in großer Einmütigkeit einen Beschluss herbeiführen.

Lassen Sie mich als letzter Redner meiner Fraktion in diesem Saal den Kunstkritiker John Ruskin zitieren: „Alle Baukunst bezweckt eine Einwirkung auf den Geist.“ Aber ich versichere Ihnen für die Fraktion DIE LINKE: Nur, weil wir künftig in einer Schlosskubatur tagen, werden wir als Linke nicht despotisch agieren. - In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Abend.

(Beifall DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Frau von Halem spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Sie haben es alle gesehen - es ist ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen. Ich habe inhaltlich wirklich nichts mehr hinzuzufügen.

Ich möchte trotzdem, da es wirklich ein historischer Antrag ist, aber nur in dem Sinne, dass es sich um eine historische Tatsache handelt, mit der er sich befasst, und da es der letzte Tagesordnungspunkt ist, mich der Zeit, die ich hier habe, invasiv bemächtigen und mich bei Ihnen allen für vier gemeinsame Jahre bedanken. Ich tue dies mit ein paar Zeilen eines der berühmtesten und - wie ich finde - wichtigsten deutschen Dichter, nämlich Wilhelm Busch.

Das Gedicht heißt „Der Knoten“:

„Als ich in Jugendtagen, noch ohne Grübelei, Da meint‘ ich mit Behagen, mein Denken wäre frei. Seitdem hab ich die Stirne oft auf die Hand gestützt Und fand, dass im Gehirne ein harter Knoten sitzt.

Mein Stolz, der wurde kleiner. Ich merkte mit Verdruss: Es kann doch unsereiner nur denken, wie er muss.“

Danke.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD, DIE LINKE sowie vereinzelt CDU)

Das Wort erhält die Landesregierung. Frau Ministerin Kunst spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Schluss dieses Plenartages und am Ende der Nutzung dieses Saales diskutieren wir - es ist auch mir eine Ehre, das heute tun zu dürfen -, ob die aus dem Einigungsvertrag resultierende Regelung zur Nachdiplomierung weiter gefasst werden soll als bisher.

Es war in der Debatte nicht immer ganz eindeutig, deshalb zur Klarstellung: Der Antrag bezieht sich nicht auf die Anerkennung der Abschlüsse von Ingenieur- und Fachschulen der DDR. Die in diesen Einrichtungen erworbenen Abschlüsse gelten in der dort verliehenen Form weiter, ohne dass insoweit ein Anerkennungsverfahren durchlaufen werden muss.

Bei der Nachdiplomierung, über die wir jetzt sprechen, geht es um die nachträgliche Gleichstellung eines Fachschulabschlusses mit einem Fachhochschulabschluss. Da galt bisher die Stichtagsregelung, die besagt, dass die Fachschulabschlüsse den Fachhochschulabschlüssen gleichwertig zu stellen sind und das unter den Bedingungen, die Sie kennen: eine mindestens einjährige berufsbegleitende Nachqualifizierung oder

wenn die Antragsteller ihren Abschluss vor dem 31.12.1990 erworben haben und über dreijährige Berufspraxis verfügen.

Fach- und Ingenieurschulen gab und gibt es auch in der Bundesrepublik Deutschland, denn bis in die 1970er-Jahre waren sie weit verbreitet oder sogar, wenn man so will, der Regelfall einer nichtuniversitären, berufsnahen schulischen Ausbildung. In den 1970er Jahren fing man in der Bundesrepublik an, einige Fachschulen schrittweise zu Fachhochschulen mit entsprechend verbreitertem Angebot auszubauen. Diese Entwicklung gab es in der DDR nicht; dort blieb es bei den beiden Bildungssträngen Hochschule und Fachschule.

Die Kultusministerkonferenz kam Anfang der 1990er-Jahre zu der Auffassung bzw. Feststellung, dass die Fach- und Ingenieurschulabschlüsse der DDR mit den Fachhochschulabschlüssen nicht gleichwertig seien. Es ging nie darum, beide Bildungseinrichtungen gegenseitig abzuwägen oder gegeneinander auszuspielen, sondern darum, gravierende Nachteile von Absolventen des DDR-Ausbildungssystems im Rahmen der Zusammenführung der Beschäftigungsverhältnisse auf dem nunmehr entstandenen gesamtdeutschen Arbeitsmarkt abzuwenden und abzufedern. Im Rahmen der Nachdiplomierung der in der DDR erworbenen Abschlüsse wurden Studierenden und Absolventen der Fach- und Ingenieurschulen Möglichkeiten geboten, die laufende Qualifizierung zu ergänzen, zum Beispiel durch Brückenkurse.

Meine Damen und Herren, auch die Zahlen verdeutlichen, dass vielen Betroffenen in den zurückliegenden Jahren eine Nachdiplomierung ermöglicht wurde: Allein im Land Brandenburg wurden 38 000 Anträge bewilligt. Die jährlichen Fallzahlen sind rückläufig, sodass 2013 60 Anträge beatmet wurden … Beatmet ist gut; sie wurden bearbeitet!

(Allgemeine Heiterkeit - Bischoff [SPD]: Sauerstoff- probleme!)

- Wahrscheinlich wurden sie tatsächlich von Mund zu Mund beatmet, wenn man den Unterschied zwischen 38 000 und 60 sieht.

Warum jetzt für diese vergleichsweise wenigen Fälle diese Initiative? Es gibt nach wie vor Gründe für die Stichtagsregelung - bei allen Härten, die mit Stichtagen immer verbunden sind. Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass es in Sachsen ein obergerichtliches Urteil gab, nach dem die Stichtagsregelung dort nicht mehr angewendet wird, und dass Mecklenburg-Vorpommern die Stichtagsregelung nicht mehr anwendet. Und wir müssen bedenken: Die Wende war mit Ablauf des Jahres 1990 noch lange nicht beendet.

Die Biografien und Lebensumstände haben sich rasant und grundlegend geändert. Wer 1991, 1992 oder 1993 einen Fachschulabschluss und einen Job in der Tasche hatte, der hat es sich dreimal überlegt, ob er auch noch einen Brückenkurs belegen oder länger studieren wollte oder konnte.

Diesen Menschen konnte man erklären, warum sie bislang keinen Nachdiplomierungsanspruch ohne Weiterqualifizierung hatten. Ich täte mich allerdings schwer, ihnen heute zu erklären, dass die Nachdiplomierung kein Problem wäre, wenn sie an einer Hochschule auf dem Gebiet des heutigen Sachsens oder Mecklenburg-Vorpommerns ausgebildet worden wären, weil in Brandenburg einfach ein anderer Wind wehte.

Vor diesem Hintergrund werde ich einem entsprechenden Appell des Landtages gerne folgen. - Ich danke Ihnen.

(Allgemeiner Beifall)

Welche Fraktion hat die Absicht, die Überziehung der Ministerin von 31 Sekunden in Anspruch zu nehmen? - Danke sehr. Aber das Schlusswort geht an die antragstellende CDU-Fraktion; Herr Abgeordneter Schierack, bitte.

(Beifall CDU)

Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Gestatten Sie mir das letzte Wort.

(Allgemeine Heiterkeit)

Das wird schiefgehen!

Am 25. September 1991 fand hier auf dem Brauhausberg die erste Sitzung des Landtages statt. Ich habe mir die Tagesordnung dieses Tages angeschaut. Es wurde das Gesetz über den Rundfunk Brandenburg diskutiert. Erinnern wir uns: Wir haben erst vorgestern über den rbb-Staatsvertrag diskutiert. Damals gab es eine Aktuelle Stunde zur Veräußerung von landund forstwirtschaftlichen Flächen; jüngst haben wir hier über ein Gesetz zur Wiedergutmachung der Bodenreformfolgen diskutiert. Weiterhin stand damals eine neue Verfassung für das Land Brandenburg auf der Tagesordnung, die erste Verfassung überhaupt. Denken wir an heute Morgen, als wir uns wieder mit der Verfassung beschäftigt haben.

Es gibt also durchaus Kontinuität in den Themen. Ich glaube, viele dieser Themen werden uns auch in Zukunft beschäftigen. Nach nunmehr 457 Landtagssitzungen auf dem Brauhausberg beginnt im Januar ein neues Kapitel: näher an der Stadt, näher an den Bürgern - und hoffentlich mit mehr parlamentarischem Selbstbewusstsein.

(Beifall CDU - Bischoff [SPD]: Genau! Und mehr zum Thema!)

Ich habe mich mit Stolz diesem roten Adler gefügt. Er ist ein schönes Symbol, ein gutes Bild für den in die Tage gekommenen Landtag. Steige hoch, du roter Adler und - wenn es nach mir ginge, meine Damen und Herren - lande du auch wieder im neuen Landtag!

Ich danke für gute Debatten, eine gute Streitkultur und wünsche Ihnen allen einen schönen Advent und alles Gute für die Zeit im neuen Landtag. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, FDP sowie vereinzelt DIE LINKE)

Mit Blick auf diesen Tagesordnungspunkt muss ich die Einschätzung „Thema verfehlt“ geben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich begrüße in unseren Reihen eine neue Besuchergruppe, Mitarbeiter der Landtagsverwaltung Brandenburg - herzlich willkommen im Plenum!

(Allgemeiner Beifall - Die Abgeordneten erheben sich.)

Ich hoffe, die stehenden Ovationen werden Sie für die Arbeit im neuen Landtag motivieren.

Meine Damen und Herren! Wir kommen aber noch zur Abstimmung über den vorliegenden Antrag aller Fraktionen in der Drucksache 5/8164 - Neudruck. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag angenommen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und sage von hier oben aus ein letztes Mal: Die Sitzung ist geschlossen.

(Allgemeiner Beifall)

Aber noch nicht der Abend!

Ende der Sitzung: 18.01 Uhr