Christine Wischer

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe ja erwartet, Herr Focke, dass Sie sich melden, aber Sie haben offensichtlich den längeren Atem gehabt, ich hätte gern Ihre Position mit aufgenommen.
Ich weiß nicht, ob das nötig ist!
Meine Damen und Herren, ich möchte, nachdem Sie eben die Position von Frau Dr. Mathes gehört haben, zunächst auch noch einmal unsere Position darstellen, und zwar zum einem die Hintergründe für unsere Bewertung.
Ein Hintergrund ist, dass uns immer wieder in diesem Haus die Frage beschäftigt, wie wir mit unseren niedersächsischen Nachbarn enger zusammenarbeiten können, auf welchen Gebieten es Sinn macht zusammenzugehen und zusammenzuarbeiten, insbesondere im Nordwesten dieses Landes, zum anderen, dass in Bremen – das ist eben schon von Frau Dr. Mathes angesprochen worden – die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe kontinuierlich rückläufig ist. Aktuell, so ist jedenfalls mein Stand, sind wir nur noch bei 200 landwirtschaftlichen Betrieben, und mir ist gesagt worden, dass die Quote der Abnahme jährlich um fünf Prozent liegt. Das muss man wohl als Faktum hinnehmen.
Des Weiteren ist ein Hintergrund, dass Bremen als Haushaltsnotlageland unter, wie wir alle wissen, sehr kritischer Beobachtung der anderen Bundesländer steht, vor allem aber auch vom Bund her gesehen, und gezwungen ist, weil wir so kritisch beurteilt werden und Notlageland sind, auf allen Gebieten Ersparnisse, Ersparnismöglichkeiten auszuloten, Ausgaben und Zuschüsse zu reduzieren, was selbstverständlich auch für die Landwirtschaftskammer gilt. Wir wissen, dass Einsparungen für den neuen Haushalt 2006/2007 vorgesehen sind, wir wissen aber auch, dass es Grenzen gibt, wo auch das Sparen letztlich ausgereizt ist und, auch das hat Frau Dr. Mathes angesprochen, dass man aufgrund der EU-Agrarstrukturreform davon aus
geht, dass erhöhte Anforderungen an die Beratungsleistungen gestellt werden.
Ein weiterer Hintergrund ist, dass Niedersachsen mit – auch das sagten Sie eben – Hinweis auf die eigene Finanznot eine Strukturreform durchgeführt hat, in deren Rahmen sie auch die beiden Kammern in Niedersachsen zur Landwirtschaftskammer Niedersachsen zusammengeführt hat, mit Sitz in Oldenburg. Vor diesem Hintergrund, vor diesem Rahmen, denke ich, macht es Sinn, über ein Zusammengehen der Landwirtschaftskammer Bremen und der neu formierten Landwirtschaftskammer in Niedersachsen nachzudenken.
Niedersachsen wird als großes Agrarland eine differenzierte Palette an Beratungsleistungen vorhalten. Bei einem Zusammengehen kann das von Vorteil für die bremische Landwirtschaft und die dort Beschäftigten sein. Es spricht vor diesem Hintergrund einiges dafür, dass auf diesem Wege Einsparungen besser verkraftet werden, besser aufgefangen werden können und gleichzeitig eine qualitativ den Erfordernissen entsprechende Beratung weiter erreicht wird.
Es gibt insofern in meiner Fraktion Sympathie dafür, dieses Thema weiter zu verfolgen. Wir wissen aber auch, dass wie immer der Teufel im Detail liegt und es viele Bedenken seitens der Kammer gibt. Ich nehme an, Herr Focke wird diese Bedenken alle gleich vortragen. Es gibt seitens der Kammer Bedenken – nicht nur seitens der Kammer, sondern auch von den Beschäftigten und ihrer gewerkschaftlichen Vertretung –, und da wir es hier auch mit einem Selbstverwaltungsorgan zu tun haben und über Pflichtmitgliedschaft reden, denke ich, ist es nicht richtig, den Weg top-down zu gehen, sondern bevor man, wie hier von den Grünen vorgeschlagen wird, einen solchen Schritt tut, die Regierung aufzufordern, mit Niedersachsen zu verhandeln, es eher Sinn macht, mit allen Beteiligten hier im Land Bremen selbst gesprochen zu haben, zu erörtern, das Pro und Kontra abzuwägen und in einem gemeinsamen Dialog die Fragen und vor allem die Bedenken, die es gibt, miteinander abzuklären und zu schauen, was kann eigentlich daraus werden, und erst dann daraus die Schlussfolgerungen zu ziehen, wie das weitere Vorgehen sein soll. Das, denke ich, ist der richtige Weg. Alles andere wäre ein Überstülpen, was in dieser Situation nicht sinnvoll ist.
Unser Vorschlag war deswegen, den Antrag an die Deputation für Wirtschaft und Häfen zu überweisen. Wir konnten uns darauf nicht verständigen, weil Ihnen, so haben Sie es mir jedenfalls gesagt, der Zungenschlag zu direkt war: Wir wollen über Fusion nachdenken, Sie wollen das noch nicht sagen. Eben habe ich vorgetragen, wie ich mir vorstelle, einen solchen Dialog zu führen. Es wird also keine Überweisung geben, es wird eine Ablehnung Ihres Antrages geben. Aber ich setze auch da auf Ihren Beitrag jetzt, Herr Focke. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Thema damit nicht völlig ad acta legen, sondern dass wir in
der Deputation für Wirtschaft und Häfen ungeachtet des Antrags der Grünen dieses Thema aufarbeiten und die Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt sind, die Besorgnisse und all diese Dinge Thema werden und wir uns dann entscheiden können, wie das weitere Verfahren ist. – Vielen Dank!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie viele Arbeits- und Ausbildungsplätze wollten Unternehmen und Investoren, die vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 2003 im Land Bremen Wirtschaftsförderung erhalten haben, bei Antragstellung schaffen und sichern?
Zweitens: In welchem Umfang sind diese Absichtserklärungen, die bislang die Basis für die Berichterstattung von Senat und Gesellschaften bilden, tatsächlich realisiert worden?
Drittens: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die Zahl der durch Wirtschaftsförderungsmaßnahmen tatsächlich geschaffenen und gesicherten Arbeitsplätze regelmäßig zu erheben und sich in der eigenen wie der Berichterstattung der Gesellschaften an Parlament und Öffentlichkeit künftig auf diese zu stützen?
Herr Bürgermeister, Sie beziehen sich in Ihrer Antwort auf GA- und LIP-Programme und da auf die Investitionsförderung. Die Zahlen, die Sie uns vorgetragen haben, sind positiv, aber würden Sie mir nicht zustimmen, dass es auch notwendig wäre, auch die Daten in den anderen Programmen, die jenseits der reinen Investitionsförderung sind, zu erheben?
Sie erinnern sich vielleicht an die vorletzte Deputationssitzung. Da hatten wir die Situation, dass Sie zum Beispiel im Bereich Gewerbeflächen solche Daten nicht erheben. Ich denke, dass es auch in diesem Bereich – und ich denke, ich treffe da auch auf Ihre Zustimmung – notwendig wäre, vergleichbare Daten zu erheben, um hier eine Erfolgskontrolle bezogen auf Arbeitsund Ausbildungsplätze zu haben.
Darf ich Sie so verstehen, dass Sie Ihre Antwort zu meiner dritten Frage, dass man so weitermacht wie bisher, eben zurückgenommen haben, indem Sie sagen, gemeinsam schauen Sie, ob es auch andere Möglichkeiten gibt, in den anderen Programmen eine solche Erhebung zu machen?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass für die aktuell wieder aufflammende Diskussion, es ist eben von Frau Dr. Mathes darauf hingewiesen worden, ist, dass die Europäische Kommission im Begriff steht, das seit 1989 geltende Moratorium aufzuheben und wieder gentechnisch veränderte Pflanzen zum Anbau freizugeben, und damit verbunden ist die Sorge, Sie haben es eben ausgeführt, dass damit ein großflächiger Anbau solcher gentechnisch veränderter Pflanzen eintritt.
Sie haben ebenfalls, Frau Dr. Mathes, darauf hingewiesen, wie schlicht und ergreifend die rechtliche Situation auf der europäischen Ebene ist. Das Ob ist durch eine grundlegende Regelung im europäischen Recht entschieden und das Wie ebenfalls. Eine generelle Ablehnung von gentechnisch veränderten Pflanzen oder überhaupt der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen ist mit europäischem Recht nicht hinzunehmen. Insofern ist auch noch einmal darauf hinzuweisen, dass es im Übrigen schon Tatsache ist, wir haben inzwischen auch schon hier auf dem Markt gentechnisch veränderte Lebensmittel.
Einen Spielraum, Sie haben es ebenfalls angesprochen, den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der europäischen Freisetzungsrichtlinie haben, gibt es ausschließlich in der Frage, ob und wie sie das Nebeneinander von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Pflanzen regeln wollen, das heißt, welche Maßnahmen sie in der Tat treffen wollen, um die gentechnikfreie Landwirtschaft vor unbeabsichtigten Auskreuzungen zu schützen und auf diesem Weg den Anspruch von Landwirten ebenso wie von Verbraucherinnen und Verbrauchern auf eine Wahlfreiheit zu sichern. Das ist der Rahmen, in dem wir uns ausschließlich bewegen können. Eine gemeinsame Lösung hat es auf europäischer Ebene zu dieser Frage der Koexistenz nicht gegeben.
Im Entwurf der Novelle des Gentechnikgesetzes, das der Umsetzung der genannten Freisetzungsrichtlinie aus 2001 dient, hat die Bundesregierung mit den Regelungen zur Koexistenz Instrumente dafür vorgelegt, die die am 18. April in Kraft tretenden europäischen Verordnungen über gentechnisch veränderte Futtermittel und die Rückverfolgbarkeit sowie die Kennzeichnung flankieren sollen. Die Beratung der Novelle ist im Bundesrat und im Bundestag noch nicht geführt worden, sie steht noch aus. Allerdings muss man auch sagen, die ersten Reaktionen, die auf diesen Entwurf gezeigt wurden, machen deutlich, dass die Beratung dieses Entwurfes nicht so ganz einfach werden wird, weil es hier noch etliche Streitpunkte gibt. Das hat zweifellos etwas mit der nach ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
wie vor, wie von Ihnen eben auch geschilderten, kontroversen Debatte um den Einsatz von Gentechnik in diesem Bereich zu tun.
Das ist aus meiner Sicht ein Beleg, wie sensibel die Diskussion ist, die wir hier führen. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht den einen die Novelle nicht weit genug, und den anderen geht sie viel zu weit. Aus meiner Sicht geht es also um eine außerordentlich schwierige Gratwanderung bei einem aufgrund des EU-Rechts ohnehin nur sehr engen Gestaltungsrahmen. Im Übrigen kann ich im Gegensatz zu Ihnen – ich überschaue das nicht wirklich – nicht überschauen, ob die vorgeschlagenen Instrumente wirklich ausreichend sind oder nicht, um die Koexistenz und damit den Schutz gentechnikfreier konventioneller oder ökologischer Landwirtschaft zu gewährleisten.
Gerade aber vor dem Hintergrund, dass wir es mit einer kontroversen Debatte zu tun haben um den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen und den damit verbundenen Risiken, muss aber genau dieses Ziel erreicht werden, eine wirkliche Wahlfreiheit, die, wenn ich es richtig verstanden habe, als Prinzip Wahlfreiheit auch gesellschaftlich durchaus im Konsens ist. Eine solche Wahlfreiheit sollte sowohl Landwirten als auch Verbraucherinnen und Verbrauchern gewährleistet sein.
Nun weiß ich sehr wohl, meine Damen und Herren, dass gerade in der Frage der Risikoerfassung und der Risikobewertung die Positionen sehr weit auseinander liegen. Während die Kritiker bezweifeln, und Frau Dr. Mathes hat es eben in ihrem Beitrag auch deutlich gemacht, dass aufgrund der Komplexität der Wirkungsmöglichkeiten und wegen der gegenüber den traditionellen Kreuzungsverfahren unglaublich kurzen Zeitabläufen eine verantwortungsvolle Abschätzung von Chancen und Risiken gar nicht möglich sei, verweisen die Befürworter mit Blick auf internationale Erfahrungen auf Forschungsergebnisse, auf die Beherrschbarkeit der Sicherheitsfragen. Für sie überwiegen eindeutig die Chancen hinsichtlich von Innovationspotentialen und Marktchancen, von Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Handel, Chancen auch für die Bekämpfung des Hungers in großen Teilen der Welt durch den Einsatz ertragreicherer und dem Klima und den Bodenverhältnissen angepassten Nahrungsmittelsorten. Sie verweisen unter anderem auch darauf, dass damit Chancen entstehen, die Chemie in den Nahrungsmitteln zu reduzieren. Dagegen steht die Sorge, dass auf diesem Weg eine nachhaltige Entwicklung für die armen Länder eher verhindert wird, ihre Abhängigkeit von meist westlichen Unternehmen aufgrund von deren Patentierungspraxis eher steigen wird. Das sei somit letztendlich ein Kurieren an Symptomen statt ein Ansetzen bei den Ursachen.
Auch bei der Frage der Reduzierung von Chemie stimmt mich eine aktuelle Meldung mehr als nachdenklich. Ein neuer Bericht zeigt, dass der Einsatz
gentechnisch veränderter Pflanzen in den USA zu einem um etwa 22 650 Tonnen erhöhten Verbrauch von Pestiziden geführt hat. Erstellt wurde der Bericht auf der Grundlage von Daten des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums aus den Jahren 1996 bis 2003, das heißt genau in dem Zeitraum, in dem die USA gentechnisch veränderte Pflanzen kommerziell angebaut haben. Ein deutlicher Mehrverbrauch war demnach bei den herbizidresistenten Sorten zu beobachten. In den ersten drei Jahren kam es zu einer Reduktion von Pestiziden um etwa elf Tonnen, seit 2001 zeichnet der Einsatz gentechnisch veränderter Sorten jedoch für einen Mehrverbrauch von 33 000 Tonnen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht meine Absicht, heute hier eine Grundsatzdebatte zu führen. Ich habe nur zwei von vielen kontroversen Punkten herausgegriffen, um deutlich zu machen, wie schwer es zumindest mir fällt, hier heute mit vermeintlichen Gewissheiten umzugehen. Was für mich allerdings eindeutig bleibt, ist, dass wir uns die Wahlfreiheit tatsächlich erhalten müssen und damit auch den Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft sehr ernst nehmen sollten und auch alles dafür tun sollten, dass er gewährleistet bleibt.
Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung zu Fragen der Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten Kulturpflanzen, konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen unter anderem die Auffassung vertreten, dass ein freiwilliger oder regional begrenzter Verzicht auf den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in bestimmten Bereichen und unter bestimmten Anbaubedingungen die effektivste und kostengünstigste Maßnahme zur Gewährleistung der Koexistenz sein kann unter der Bedingung, dass alle beteiligten Akteure einverstanden sind.
Inzwischen, Frau Dr. Mathes hat darauf hingewiesen, haben sich in einer ganzen Reihe von Bundesländern hier bei uns und, soweit ich es weiß, auch zum Beispiel in Kärnten in Österreich Zusammenschlüsse von Landwirten gebildet, die eine freiwillige Selbstverpflichtung eingegangen sind, keine gentechnisch veränderten Pflanzen anbauen zu wollen und in ihrem Bereich einzusetzen. Neben den im Gesetz zu regelnden Vorschriften zum Schutz für gentechnikfreie Landwirtschaft hält die SPD-Fraktion solche auf freiwilliger Basis entstehenden Bündnisse in der Tat für einen zusätzlich geeigneten Weg, Koexistenz zu sichern, und kann ihn von daher nur ausdrücklich begrüßen.
Um nun zu Ihrem Antrag zu kommen, Frau Dr. Mathes, Sie haben es auch sehr deutlich formuliert,
Ihnen geht es eigentlich weniger um die Fragen von Koexistenz, sondern eigentlich sehr viel mehr um einen generellen Verzicht auf grüne Gentechnik, aber Sie wissen gleichzeitig, dass er in unserer Gesellschaft nicht konsensfähig ist, weder in Europa noch hier bei uns. Es ist auch nicht so, dass er bei allen Landwirten gleichermaßen konsensfähig wäre. Unter dem Gesichtspunkt aber, wie gesagt, der Sicherung von Koexistenz und der daraus abzuleitenden Wahlfreiheit wollte meine Fraktion Ihren Beschlussvorschlägen folgen, auch wenn wir der Auffassung sind, dass hier nicht primär der Senat der Ansprechpartner ist, gleichwohl wollten wir Ihrem Antrag folgen. Da es aber hier zu keinem Einvernehmen mit unserem Koalitionspartner gekommen ist, werden wir leider Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank!