Alex Dorow
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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hat das Europäische Parlament in der Tat über die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 7 des Vertrages über die Europäische Union abgestimmt. Dieses Verfahren richtet sich gegen das EU-Mitglied Ungarn. Der Vorwurf – Kollege Rinderspacher, Sie haben es richtig gesagt –: Verstöße gegen die Grundwerte der Europäischen Union. Die Parlamentsmehrheit kritisiert dabei – wir wollen einmal versuchen, das einzuordnen –, dass die ungarische Regierung unter anderem die Unabhängigkeit des Justizwesens, die Meinungsfreiheit und die Minderheitenrechte gefährden würde und zudem korrupt sei. 448 Abgeordnete stimmten für die Einleitung des Verfahrens; 197 Abgeordnete stimmten gegen die Einleitung des Verfahrens; 48 enthielten sich.
Ergänzen kann man noch, dass dieses Verfahren mehrstufig ist und zuletzt das Resultat haben könnte,
dass Ungarn nicht mehr stimmberechtigt wäre. Ergänzen können wir auch, dass bereits im Dezember 2017 ein Artikel–7-Verfahren gegen Polen eröffnet wurde. Erinnern Sie sich? – Polen wurde vorgeworfen, die Gewaltenteilung abgeschafft zu haben. Das Verfahren läuft noch, und eine Entscheidung des Rates steht noch aus.
Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, Kollege Rinderspacher, dass wir uns im Nachgang der Abstimmung zur Einleitung des Verfahrens gegen Polen hier im Plenum nochmals dazu geäußert hätten. Da frage ich mich schon, warum man nun Ungarn und damit direkt vor dem Wahlkampf die CSU an den Pranger zu stellen versucht und dabei eine Antirechtsstaatlichkeit und einen Rechtsradikalismus behauptet, der nun wahrlich bei uns nicht gegeben ist. Das hat natürlich nichts damit zu tun, dass wir uns im Wahlkampfendspurt befinden; ich unterstelle das jetzt mal nicht. Die europäische Parlamentsmehrheit hat nun mal entschieden: Das Verfahren wird anlaufen.
Ich möchte jetzt nicht weiter auf die Fragen eingehen, wo da noch Zweifel über das Abstimmungsverhalten bestehen; das sind letztlich Zählstreite. Darüber möchte ich jetzt nicht weiter sprechen, weil ich glaube, es ist nicht relevant für das Ergebnis. Der Dissens, Kollege Rinderspacher, den wir haben, dreht sich doch nicht darum, dass gemeinsame Werte nicht anerkannt oder einzuhalten wären. Er besteht vielmehr darin, wie wir in Europa bei Zweifeln miteinander umgehen. Und weil es darüber Zweifel gibt, ist aus gutem Grund die Abstimmung bei der EVP freigegeben worden. Jemandem, der dagegen stimmt, automatisch zu unterstellen, dass er sich an die Seite der Rechtsradikalen stellt, das, so meine ich, ist dem Wahlkampf geschuldet.
Nein, es hat auch andere gegeben. Entschuldigung, es waren nicht nur Einzelne der EVP-Fraktion, sondern es gab auch viele andere.
Meine Damen, meine Herren, ich stelle hiermit fest: Sie haben von einem "Lackmustest" gesprochen. Ich gehe einmal darauf ein, obwohl ich meine, dass wir nicht über jedes Stöckchen springen müssen. Wir sind – ja, ich bekenne mich dazu – überzeugte Europäer. Wir schätzen das, was uns der Zusammenschluss in der Europäischen Union gebracht hat, sehr hoch ein: dieses Friedensprojekt. Die ersten Schritte wurden bereits gemacht, als sich die Systeme der unterschiedlichen Staaten noch feindselig gegenüberstanden, also sehr früh, in den Nachwirkungen des Krieges und nachdem viele Deutschstämmige auch
aus unseren Nachbarländern vertrieben wurden. Hier gibt es auf beiden Seiten immer noch offene Wunden.
Trotzdem stehen wir hier – ich bekenne mich ausdrücklich dazu – und setzen uns dafür ein, dass wir an einer gemeinsamen Zukunft mit gemeinsamen Werten arbeiten, dass wir die großen Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, gemeinsam bewältigen. Aber jedes Land, jede Regierung, ist zunächst den eigenen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber verantwortlich. Wir müssen die Sorgen und Ängste der jeweiligen Bevölkerung ernst nehmen. Man darf diese nicht schüren, aber man muss sie ernst nehmen und entsprechende Lösungen erarbeiten.
Es gibt Herausforderungen – das wird auch den Ungarn klarzumachen sein, damit bin ich bei Ihnen –, die ein Land allein nicht bewältigen kann. Es gibt einige Verbesserungen, die man nur über die Staatsgrenzen hinweg realisieren kann: Die Asylpolitik ist eine Herausforderung, aber auch der Umweltschutz und die Sicherheitspolitik im Gesamten. Einer allein kann hierbei nur wenig bewirken. Gemeinsam kann man weitere Verbesserungen erzielen. Das steht fest.
Deswegen, Kolleginnen und Kollegen, ist es für uns wichtig, an einem Miteinander festzuhalten und dieses Miteinander noch mehr zu verstärken. Die EU ist doch nicht nur ein einzigartiges Friedensprojekt oder eine Wirtschaftsgemeinschaft, weil das irgendwo gesetzlich festgeschrieben ist, sie ist doch nicht nur eine Wertegemeinschaft, weil wir das hier im Parlament – im bayerischen noch dazu – einfach so mal behaupten, nein, in dieser Wertegemeinschaft müssen wir daran arbeiten, das Vertrauen untereinander zu verbessern, respektvoll miteinander umzugehen und nicht zusätzlich einen Keil hineinzutreiben.
Es ist unsere Pflicht, gegen eine Spaltung anzukämpfen. Wenn wir einzelne Staaten an den Pranger stellen, dann sei dahingestellt, ob diese sich nicht noch weiter von uns entfernen. Die Ankündigung Ungarns, Maßnahmen gegen Polen mit einem Veto zu blockieren, zeigen bereits die ersten Auswirkungen einer solchen Politik. Das betrifft die Visegrád-Staaten ganz allgemein in dieser Tendenz.
Es gab einmal einen Begriff, der hieß "Wandel durch Annäherung". Sie erinnern sich sicherlich. Er stammte von der SPD. Wer hat diese Formel als Erstes verfolgt und vorgetragen? – Einige von uns waren damals dagegen, aber – das gestehe ich gern zu – es hat sich nachträglich als richtig erwiesen. Mit Annäherung, meine ich, kommen wir auch heute weiter.
Wir kommen weiter als mit einer weiteren Spaltung. Wir wollen keinen unserer europäischen Partner an den Pranger stellen, wenn es nicht nötig ist.
Wir wollen, dass man sich gemeinsam an einen Tisch setzt und die Probleme und Herausforderungen offen anspricht und an Lösungen arbeitet. Es ist wichtig, Herr von Brunn, dass man miteinander redet und nicht übereinander.
Wir appellieren ganz deutlich – auch heute noch einmal – an alle politisch Verantwortlichen in Europa – natürlich auch an Ungarn –, die Grundwerte der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte, auf denen das gemeinsame Europa fußt, zu respektieren. Diese Grundwerte sind nicht nur zu respektieren, sondern es ist wichtig, sich weiterhin aktiv dafür einzusetzen.
Die europäischen Mitgliedstaaten müssen zusammenstehen und gemeinsam Antworten auf diese drängenden Fragen entwickeln und Lösungen umsetzen. Wie sonst soll die EU die Menschen in Europa erreichen? Nur gemeinsam funktionierende Lösungen können die Menschen von der Europäischen Union überzeugen und europafeindlichem Populismus entgegenwirken.
Wir können auch, meine Damen, meine Herren, Egoismen nicht durch nationalen Aktionismus bekämpfen. Mögliche Verletzungen der Werte der EU können wir nicht bekämpfen, indem wir uns von den Ländern weiter entfernen. Ein Beispiel: Der Bund der Vertriebenen hat in diesem Jahr den Leitspruch "Unrechtsdekrete beseitigen – Europa zusammenführen". Wenn diejenigen, die nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben wurden und ihr Eigentum verloren haben, denen Gewalt angetan wurde, davon sprechen, dass wir Europa zusammenführen müssen, dann müssen wir uns das erst recht auf unsere Fahnen schreiben.
Beratung und Entscheidung über das Verfahren nach Artikel 7 liegen jetzt beim Rat der Mitgliedstaaten. Es ist nun Aufgabe der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, das Verfahren in beiden Angelegenheiten, also Polen und Ungarn, weiter zu begleiten.
Ja, Sie sagen es! Ich bin froh, dass in dieser schwierigen Zeit Österreich den Ratsvorsitz hat. Sebastian Kurz mag der jüngste Regierungschef in der EU sein, doch behält er einen kühlen Kopf, und er ist ein Brückenbauer.
Wir werden den Dringlichkeitsanträgen der SPD und der GRÜNEN nicht zustimmen; denn wir wollen keine weiteren Brücken einreißen, sondern an einem besseren Miteinander arbeiten und nicht gegen, sondern mit den zuständigen Kräften in Polen und in Ungarn den Dialog führen und keine Spaltung bewirken.
Herr Kollege Rosenthal, ich akzeptiere, dass Sie Ihre Ausführungen als das Thema sehen, über das wir hier sprechen müssen. Das ist aber nicht der Gegenstand der Anträge. Gegenstand der Anträge ist, wie wir mit den Entscheidungen des Europäischen Parlaments umgehen – die nicht infrage zu stellen sind – und wie wir diese in ihrer Wirksamkeit bewerten.
Ich habe es bereits in meinem Redebeitrag gesagt: Es ist nicht ohne Grund, dass das Abstimmungsverhalten in der EVP freigegeben worden ist; und zwar nicht, weil es einen Dissens über die Werte gibt, sondern weil es einen Dissens darüber gibt, ob das eine oder das andere hilfreicher ist. Diesem Dissens in demokratischer Art und Weise nachzugehen, das ist weder irrlichternd noch verstörend, zumindest nicht nach meinem Verständnis, sondern es ist Zeichen einer demokratischen Grundhaltung. Ich bin sehr, sehr froh, dass das in der EVP-Fraktion ebenso möglich ist wie hier im Haus.
– Wen soll ich abtreten?
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Aiwanger, als fünffacher Familienvater finde ich es gut, dass Sie den Märchenerzählern ein bisschen mehr Reputation verschaffen wollen. Die Brüder Grimm waren auf diesem Gebiet die bisher unbestrittenen Führungskräfte. Ich möchte nicht sagen, die Brüder Aiwanger würden deren Nachfolge antreten. Ich weiß nicht, ob Sie einen Bruder haben. Um der Wahrheit Ehre zu geben: Sie haben die Bitte geäußert, wir sollten uns nicht verweigern. Ich kann Sie beruhigen, wir werden uns nicht verweigern, zumindest nicht in dem Sinne, wie Sie es vielleicht erwarten.
Im Dezember 2016 haben wir in Zweiter Lesung die Änderung des Rundfunkgesetzes und des Mediengesetzes beschlossen. Bei dieser Änderung lag der Schwerpunkt unter anderem auf der Zusammensetzung des Rundfunkrates und des Medienrates. Diese Gesetzesänderung war, wie Sie sich sicher erinnern, aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag mit den Anforderungen an die Vielfalt und Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks notwendig. Ich kann mich gut erinnern, dass wir uns damals intensiv über die Ausgestaltung der Aufsichtsgremien ausgetauscht haben. Dazu fand auch eine Anhörung im Bayerischen Landtag statt.
Die verschiedenen Gesetzentwürfe der Staatsregierung und der Fraktionen zeigten schon damals die ganze Bandbreite der unterschiedlichen Wünsche und Vorschläge für die Besetzung der Gremien. Ich bin der Meinung, dass wir damals einen guten Gesetzentwurf beschlossen haben. Nachdem diese Gesetzesänderung erst zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist und am 1. Mai 2017 bei der Neukonstituierung der Gremien erstmals Anwendung gefunden hat, halte ich es für etwas verfrüht, erneut eine Änderung herbeizuführen. Ich gebe Ihnen aber recht, Kollege Aiwanger, wenn Sie sagen, dass die Bürgerallianz über ihre Mitgliedsverbände ein sehr breites und wichtiges Spektrum an gesellschaftlichen Interessensfeldern ab
deckt. Das Ehrenamt bildet die wichtige Basis für die Gesellschaft in den Städten und Gemeinden, und Ihre Argumentation ist insofern folgerichtig und gut.
Erlauben Sie mir aber, die Frage in den Raum zu stellen, ob Ihre Argumentation vielleicht nur gut gemeint anstatt gut ist. Warum? – Wenn wir allein auf die zu vertretenden Vereine und Verbände schauen, sollten wir auch überprüfen, welche davon bereits in den Gremien berücksichtigt sind. Sie haben es selber angesprochen. Eine doppelte Zuteilung von Sitzen sollten wir für meine Begriffe vermeiden, zumindest sollten wir das versuchen. Schließlich haben wir bereits über die Zusammensetzung der Gremien intensiv diskutiert. Wenn wir jetzt einen Verband mit einem Einzelbeschluss bevorzugen würden, könnten alle anderen Verbände ebenso die Berücksichtigung einfordern. Wollen wir dieses Fass ein gutes Jahr, nachdem wir das Gesetz neu gefasst haben, wieder aufmachen?
Vor eineinhalb Jahren haben wir dieses Gesetz beraten und beschlossen. Die jeweiligen Vertreter in den Gremien sind gerade einmal ein Jahr im Amt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier vor einem Schnellschuss warnen, aber nicht deshalb, weil ich der Meinung wäre, dass die Bürgerallianz nicht vertreten sein sollte. Einen Dringlichkeitsantrag in der letzten Sitzung vor der Sommerpause und kurz vor dem Ende der Legislaturperiode sehe ich als falsches Instrument. Ich bin auch ganz nebenbei über die Formulierung verwundert. Ich zitiere: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, eine Änderung des Bayerischen Rundfunk- und des Bayerischen Mediengesetzes vorzunehmen, …"
Ich glaube nicht, dass ich Ihnen hier Nachhilfe geben muss, aber die Gesetze verabschiedet laut Gewaltenteilungsgrundsatz die Legislative, also der Bayerische Landtag. Ich unterstelle Ihnen auch nicht, dass Sie diesen Antrag mit dem Ziel gestellt haben, dass ihn die CSU wegen verschiedener Mängel ablehnt, sodass Sie dann im Wahlkampf behaupten können, Sie hätten sich für eine Stärkung des Ehrenamtes eingesetzt, aber die CSU hätte das abgelehnt. Ich hoffe, dass das nicht der Fall ist. Inhaltlich und an der Zielrichtung Ihres Dringlichkeitsantrags kann und möchte ich nichts aussetzen. Wegen der eben genannten Punkte kann man dem Antrag aus unserer Sicht aber so nicht zustimmen.
Wie Sie sehen, hat die CSU aber auf den Dringlichkeitsantrag reagiert und einen eigenen Dringlichkeitsantrag nachgezogen. Damit wollen wir deutlich machen, dass der Grundgedanke, die Bürgerallianz Bayern künftig in die Aufsichtsgremien aufzunehmen, geteilt wird. Ursprünglich war geplant, die Zusammen
setzung des Rundfunkrates und des Medienrates erst nach zwei Legislaturperioden erstmals zu evaluieren – ich erinnere an das Stichwort Versteinerung –, um eben der Versteinerung der Gremien entgegenzuwirken und aktuellen relevanten gesellschaftlichen Strömungen Raum zu geben. Wir würden Ihnen nun damit entgegenkommen und vorschlagen, dass diese Überprüfung bereits in der nächsten Legislaturperiode vorgenommen wird und dass dabei ausdrücklich auch eine Berücksichtigung der Bürgerallianz Bayern in den Blick genommen wird. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass bereits früher Änderungen nötig werden, sind wir hierfür offen, Kollege Aiwanger.
Wie ich vorhin bereits gesagt habe, muss aber auch überprüft werden, welche Vertreter der Bürgerallianz bereits jetzt die Möglichkeit hätten, bei der Besetzung der Gremien berücksichtigt zu werden. Ich möchte gerne darauf hinwirken, dass wir diese Überprüfung in einem geordneten und strukturierten Verfahren, meinetwegen auch deutlich früher als nach zehn Jahren, und verbunden mit einer sorgfältigen Abwägung vornehmen. So fordert es auch das Bundesverfassungsgericht, indem es den Gesetzgeber verpflichtet, das Spannungsverhältnis von Kontinuität und Flexibilität in der Zusammensetzung dieser Gremien zu berücksichtigen.
Mein Appell: Lassen Sie uns gemeinsam darauf hinwirken. Ich bin grundsätzlich für eine Berücksichtigung der Bürgerallianz, aber ich möchte nicht das Risiko eingehen, dass dies ein erster Schritt in eine willkürliche Sitzvergabe wird. Deswegen kann ich zusammenfassend verkürzt sagen: Wir unterstützen das Ehrenamt wie kein anderes Land in Deutschland. Wir sind auch mit der Bürgerallianz gerade wegen des Themas Bürokratie in einem engen Austausch, um unnötige Hürden zu überwinden. Deswegen meine Bitte: Lassen Sie uns die Überprüfung der Gremienzusammensetzung gemeinsam anstoßen. Sollte daraufhin eine Änderung erforderlich werden, wollen wir den Vorschlag eines Sitzes für die Bürgerallianz selbstverständlich in das Verfahren einbeziehen und zu einem wichtigen Aspekt der Beratung machen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Sammelsurium – –
Ich möchte kein Zwiegespräch mit Ihnen führen, Herr Kollege Pfaffmann, sondern ich möchte ganz gern meine Rede halten.
Herr Kollege Piazolo, Sie haben zum Schluss die Frage gestellt, wer das europäische Friedenswerk tatsächlich gefährdet. Diese Frage beschäftigt mich schon, weil ich Sie sonst als sachlichen Diskussionsteilnehmer kenne. Ist es derjenige, der schönfärbt? Ist es derjenige, der nicht reagiert, der drei Jahre lang keine Bewegung zustande bringt?
Oder ist es derjenige, der nach drei Jahren anpackt, der Bewegung in die Sache bringt so, wie das in den letzten zehn Tagen der Fall war, und zwar durch ein einfaches, von Ihnen geschmähtes Ultimatum?
Ich muss Sie schon fragen: Ist das die Frage, die uns wirklich umtreibt?
Da war keine Axt. Es geht um die Rettung Europas, entschuldigen Sie, und nicht um die Axt.
Hier hilft die ganze Schreierei nicht, Herr Kollege Wengert.
Jetzt bin ich dran. Nein, Frau Kollegin Schulze, um Ihre Frage zu beantworten: Wir wollen kein anderes Bayern. Wir wollen, im Gegensatz zu Ihnen, kein Schöngerede mehr. Wir wollen, dass die rosarote Brille abgenommen wird.
Wir wollen Lösungen, nicht einfach nur platte Sprüche.
Das ist kein neues Thema, verehrte Kolleginnen und Kollegen, über das wir heute reden. Ich frage mich ganz ehrlich, weshalb wir bei der jetzigen Konstellation über dieses Thema überhaupt sprechen müssen.
Das werfe ich Ihnen jetzt weniger als Oppositionsparteien vor; schließlich ist es Ihr gutes Recht, Themen, die Sie eindeutig nur als Wahlkampftaktik benutzen, hier ins Plenum hineinzuziehen.
Ja, ja – –
Ja, es ist unglaublich. Ich finde es bemerkenswert, wie die Opposition hier für eine CDU-Kanzlerin in die Bresche springt.
Das ist ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass die GRÜNEN in Berlin in der Opposition sind.
Das sollte Ihnen vielleicht auch zu denken geben.
Frau Kollegin Kohnen, in meinen Augen haben Sie in Ihrer Rede gerade eben ein wirklich maßloses Zerrbild der Staatsregierung gezeichnet. Ich unterstelle Ihnen, Sie wissen es eigentlich besser.
Sie wissen, dass das dem Wahlkampf geschuldet ist. Für meine Begriffe stellt sich hier die Frage der Verantwortung nicht uns, sondern die Frage der Verantwortung stellt sich in dieser Frage doch Ihnen.
Dabei haben Sie auch aus meiner Sicht exzellent begonnen. Es ist richtig, und das möchte ich an dieser Stelle durchaus als Bekenntnis verstanden wissen, dass das Zusammenwachsen der europäischen Staaten in unvergleichlicher Art und Weise dazu beigetragen hat, dass Europa eine Periode des Friedens, wie wir sie hier noch nie hatten, der Freiheit und der wirtschaftlichen Entwicklung erlebt. Der Freistaat Bayern ist, und auch hier haben Sie vollkommen recht, fest verwurzelt in Europa. Bayern und seine Bevölkerung profitieren von einer funktionierenden und prosperierenden Europäischen Union. Dieses Einigungswerk ist in letzter Zeit aber in eine gehörige Schieflage geraten. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs, der Staatsschuldenkrise im Euroraum, einer hohen Jugendarbeitslosigkeit in zahlreichen Mitgliedstaaten bis hin zu den Fragen der Migration steht Europa in der Tat vor großen Herausforderungen. Es ist offensichtlich, dass wir unterschiedliche Ansichten vertreten. Gerade das letzte Thema, Migration, ist eine Causa mit ungeahnter Sprengkraft, Kolleginnen und Kollegen. Hier gilt für mich, und auch das ist ein Bekenntnis: Wir werden niemandem die Hilfe verweigern, der sie benötigt. Das Recht auf Asyl ist und bleibt ein Grundrecht. Das stellt niemand infrage. Jeder, der politisch verfolgt wird, muss die Chance bekommen, seine Zukunft in Sicherheit zu planen. Das schließt aber nicht mit ein, und darum geht es letztlich, dass all diejenigen, die in ihrer Heimat schlechtere Lebensstandards als wir haben, dies als Ausweg nutzen können.
Darum geht es. Wir alle hier wissen: Das ist sowohl auf europäischer als auch auf deutscher Ebene rechtlich ganz klar geregelt. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der jetzigen Konstellation erst dann eine europäische Lösung auch nur ansatzweise erreichen können, wenn die geltenden Rechte wieder Gültigkeit haben.
Gerade darum bemühen wir uns. Ich versuche, das auszuführen. Wenn Sie mich bitte ausreden lassen. – Ich bin der Meinung, dass die temporären Binnengrenzkontrollen – und nur darum geht es: temporäre Grenzkontrollen – das Hauptproblem natürlich nicht lösen werden. Selbstverständlich muss man erst die Fluchtursachen bekämpfen. Bis das aber möglich ist, müssen Zeichen gesetzt werden, dass nicht jeder unkontrolliert nach Deutschland und Europa kommen kann. Das ist eine Übergangslösung. Die Sozialsysteme können diese Zuwanderung auf Dauer nicht schultern, und das wissen Sie genauso gut wie ich. Eine Integration aller eingewanderten Personen ist unter diesen Umständen auch nicht möglich.
Es ist ebenso eine Tatsache, dass mit dem Geld, das wir in Deutschland für Flüchtlinge ausgeben, in deren Heimatländern um ein Vielfaches mehr Menschen geholfen werden kann.
Wir müssen deshalb zunächst einmal die Anreize reduzieren, damit dieser gefährliche Weg der Flucht gar nicht mehr begangen wird.
Anreize. Wir müssen verhindern, dass sich diese Menschen, im Übrigen für viel Geld, wenn Sie schon nach Anreizen fragen, in die Hände von kriminellen Schleusern begeben. In diesem Zusammenhang wird immer wieder gern von interessierter Seite, wahrscheinlich auch von Ihrer, gesagt, wir seien weder christlich noch sozial.
Meine Damen, meine Herren, wenn jeder und jede Einzelne sein Leben riskiert, dann ist das nicht sozial, das ist nicht christlich. Das kann man als Christ auch nicht wollen.
Daher muss es unser Ziel sein, Möglichkeiten außerhalb der EU zu schaffen, um dort geordnet und sicher Asyl beantragen zu können. Dort sollen die Leute, vernünftig versorgt, einen Antrag stellen und eine Entscheidung bekommen. Sie müssten dann eben kein Flüchtlingsboot mehr besteigen und ihr Leben aufs Spiel setzen, nur um dann nach vielen Monaten der Bearbeitungszeit wieder zurückgeschickt zu werden.
Ja, ich sage es noch einmal: Wir brauchen eine europäische Lösung. In den letzten Monaten, ja in den letzten Jahren, haben wir aber gesehen, dass sich die Staaten der EU nicht einigen können. Knapp drei Jahre wurde diskutiert, es kam aber kaum etwas dabei heraus. Glaubt denn jemand von Ihnen ernsthaft, dass sich das nun ändert, ohne dass sich etwas an der Ausgangslage ändert?
Solange es keine europäische Lösung gibt, müssen wir auf nationaler Ebene Lösungen anstreben können. Flächendeckende Grenzkontrollen auf Zeit bedeuten keine Abschottung von den Nachbarn. Gerade unsere österreichischen Nachbarn teilen diese Sichtweise mit uns. Das bedeutet nichts anderes als die Wiedergewinnung der Kontrolle darüber, wer in unser Land einreist, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Kolleginnen und Kollegen, es sollte doch selbstverständlich sein, dass jemand bereits an der Grenze abgewiesen werden kann, wenn er einen ablehnenden Asylbescheid erhalten hat, egal, in welchem EU-Land. Wenn diese Entscheidung im Übrigen von einem anderen EULand getroffen wurde, dann gilt das ebenso. Würden wir das nicht so handhaben, dann würden wir deren Entscheidungen in Frage stellen und untergraben. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass das für ein besseres europäisches Verhältnis oder ein besseres Miteinander sorgen würde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Sie schreiben in Ihrem Dringlichkeitsantrag:
Der Bayerische Landtag bekennt sich ohne Wenn und Aber zur europäischen Einigung, zum multilateralen Miteinander als deren Grundprinzip und zu ihren Grundwerten, wie sie im Vertrag über die Europäische Union und in der EU-Grundrechtecharta formuliert sind.
Ganz recht. Dazu gehört aber auch, dass gemeinschaftliche Vereinbarungen nicht nur gefunden und getroffen werden, sondern dass sie auch eingehalten
werden. Hierzu gehört auch die Einhaltung des Dublin-Abkommens, zumindest so lange, wie es noch gilt.
Ich zitiere weiter:
Das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger hängt ganz entscheidend davon ab, dass die EU zusammenbleibt und nicht durch spalterischen Streit weiteren Schaden nimmt.
Auch das ist richtig. Die Öffnung der Grenzen war aber ein solcher spalterischer Alleingang, und sie hat bei unseren Nachbarn für viel Unmut gesorgt.
Der Sog, nach Deutschland zu kommen, wurde dadurch verstärkt,
und die Zahl derjenigen, die sich auf den Weg gemacht haben, wurde vergrößert. Das hat Schaden verursacht, Kolleginnen und Kollegen. Das hat innerhalb der Europäischen Union zu Unmut geführt.
Das gilt es jetzt wieder auszubügeln.
Richtig ist: Zuletzt hat man auf EU-Ebene Minischritte geschafft. Die treibende Kraft war dabei aber leider nicht die deutsche Kanzlerin, sondern der österreichische Kanzler. In Ihren Anträgen steht außerdem, dass wir für eine gute Zukunft und für die Lösung der grenzüberschreitenden Probleme mehr Miteinander und ein starkes Europa brauchen. Gemeinsam soll man unter anderem gegen Hunger, Armut, Krieg und Terrorismus und für Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sowie für innere und soziale Sicherheit eintreten. – Auch da haben Sie recht. Gerade im Kampf gegen den Terrorismus müssen wir aber wissen, Kolleginnen und Kollegen, wer in unserem Land ist. Es darf nicht Gott weiß wer im Strom der Flüchtlinge eingeschleust werden. Wenn wir für mehr Rechtsstaatlichkeit eintreten, so wie Sie das zu Recht verlangen, dann müssen wir zuerst selbst als gutes Beispiel vorangehen und dafür sorgen, dass Recht und Gesetz wieder eingehalten werden. Innere und soziale Sicherheit können wir aber nur verteidigen, wenn wir die
Ängste unserer Bevölkerung ernst nehmen und diese nicht weiter schüren.
Wenn Straftaten Konsequenzen mit sich bringen und man nicht eine – –
Nein, ich schäme mich nicht. Wenn Straftaten Konsequenzen mit sich bringen und man eine Notärztin schwer verletzen kann, wie wir das zuletzt erlebt haben, und man trotzdem nicht belangt wird, dann ist das ein Problem. Das wurde auch von Ihrer Seite gerade gegeißelt. Es ist unerlässlich, dass wir nicht nur die Anreize in unserem Land verringern, sondern dass Hunger, Armut und Krieg vor Ort bekämpft werden.
Das ist nicht unanständig, sondern das ist leider die Wahrheit. Wir setzen uns ein für ein Europa der Vielfalt mit starken, selbstbewussten Mitgliedstaaten.
Damit setzen wir uns für ein zukunftsfähiges Europa ein. Wir bekennen uns zu einem Europa der Sicherheit und der Freizügigkeit. Ohne Einhaltung von Stabilitätsregeln und solides Wirtschaften gibt es auch keine Investitionen in die Zukunft. Dafür tragen wir alle in Europa eine gemeinsame Verantwortung. Solange es keine europäische Lösung gibt, müssen wir nationale Maßnahmen ergreifen und zusätzlich an einer gemeinsamen europäischen Lösung arbeiten. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Kohnen, Sie haben Herrn Blume angekündigt. – Ich muss Sie enttäuschen; Sie müssen mit mir vorliebnehmen. Ich hoffe, das ist im Rahmen Ihrer Möglichkeiten. Ich werde mir Mühe geben, die eine oder andere Frage, die Sie gestellt haben, zu beantworten.
Kolleginnen und Kollegen, da wir heute eine Mammutsitzung haben und erst am Beginn dieser Sitzung stehen und weil auch meine drei Vorredner in ausführlicher Art und Weise besprochen haben, worum es eigentlich geht, werde ich meine Redezeit vermutlich nicht voll ausschöpfen. Es ist zur Genüge besprochen worden, worum es genau geht, weswegen ich mich auf wenige Sätze beschränken möchte.
Vielleicht noch eine Anmerkung vorweg. Kollegin Kohnen, ich weiß nicht, in welchen Ausschüssen Sie gesessen sind – ich weiß es natürlich –: Ich hatte die Wahrnehmung und den Eindruck, dass wir eigentlich mehrheitlich gut zusammengearbeitet haben. Von
einem Niederstimmen konnte in meinem Ausschuss zu keiner Zeit die Rede sein – ich meine den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst. Auch deshalb kann ich Ihnen versprechen, dass wir bei diesem Thema auch in Zukunft konstruktiv zusammenarbeiten werden und auch bei einigen Punkten, wenn auch nicht bei allen, auf derselben Seite des Stranges ziehen.
Wenn es um die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien geht, über die wir heute reden, müssen wir auch noch einige andere Punkte berücksichtigen. Die Forderungen des Gerichts sind uns inzwischen von den vorangegangenen Debatten bekannt. Die allerwichtigsten Punkte in aller Kürze:
Der Anteil staatlicher und staatsnaher Mitglieder darf ein Drittel der gesetzlichen Gremienmitglieder nicht übersteigen. Staatliche bzw. staatsnahe Mitglieder sollen und müssen mittels einer Inkompatibilitätsregelung von den staatsfernen Sitzen ausgeschlossen werden. Frauen und Männer sollen gleichmäßig berücksichtigt werden. Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich in den Gremien widerspiegeln, und die Gremienarbeit muss transparent sein. – Dies ist ausführlich und wiederholt dargestellt worden.
Bei der allgemeinen Inkompatibilitätsregelung und bei einer Karenzzeit von 18 Monaten waren sich eigentlich alle Fraktionen einig. Bei der Frage, wie man die Forderung nach maximal einem Drittel staatsnaher Mitglieder umsetzen soll, wurde uns ein bunter Strauß an Vorschlägen präsentiert.
Der Entwurf der FREIEN WÄHLER, Professor Piazolo, hat die Größe der Gremien beibehalten, der Verwaltungsrat soll gemäß den anderen Fraktionen um einen Platz auf sieben erhöht werden. Die Kolleginnen und Kollegen der SPD – Sie haben es gesagt, Frau Kohnen – wollen sowohl den Rundfunkrat als auch den Medienrat auf 55 Personen vergrößern, und der Regierungsentwurf sieht eine Erweiterung von 47 auf 50 Mitglieder vor. Das wäre – ich finde, das ist heute etwas zu kurz gekommen – eine Rückkehr zur alten Größe und kann im Vergleich zum SPD-Vorentwurf als geringe Vergrößerung betrachtet werden.
Warum die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, Frau Kollegin Gote, die Größe des Rundfunkrats zwar beibehalten, den Medienrat aber auf 38 Personen reduzieren wollten, hat sich mir bis heute nicht erschlossen, und diese Frage ist bis heute nicht beantwortet.
Ich denke schon, dass sich der Gleichklang beider Gremien in den vergangenen Jahren bewährt hat. Für mich gibt es deshalb auch keinen Grund, davon abzuweichen.
Im Regierungsentwurf will man in einem Zug mit den zusätzlichen drei Plätzen den Anteil der staatlichen und staatsnahen Vertreter auf ein Drittel reduzieren, zugleich neue Perspektiven einbeziehen und damit für eine Aktualisierung sorgen.
Wir von der CSU sind der Meinung, dass die bisherige Zusammensetzung des Gremiums insgesamt durchaus ein treffendes Abbild der gesellschaftlichen Vielfalt dargestellt hat. Deshalb – das ist unsere Begründung – sollen auch alle bisher vertretenen Organisationen wieder ihre Vertreter entsenden. Neu aufgenommen werden sollen lediglich – Sie haben es gesagt und haben sich zumindest über den dritten Vertreter mokiert – ein Vertreter der Migranten, ein Vertreter der Menschen mit Behinderung und ein Vertreter aus dem Bereich Freizeit, Tourismus, Gastronomie und Hotel. Frau Kollegin Gote, Frau Kollegin Kohnen, Sie haben gefragt: Warum ausgerechnet Tourismus? – Weil in Bayern der Bereich Tourismus, Hotel und Gastronomie ein ganz entscheidender Wirtschaftsfaktor ist.
Ich könnte ebenso im Gegenzug fragen: Wieso ausgerechnet die Gruppierungen, die Sie genannt haben? Wenn ich das alles zusammenzähle, Frau Kollegin Gote, dann kommen wir auf über 100 Mitglieder. Wo ist die Grenze? Ich denke, mit der Bedeutung des Tourismus in Bayern ist eine Begründung geliefert worden. Er ist eine ganz entscheidende Größe, und das ist nicht irgendwelche Lobbyarbeit. Lobbyarbeit betreiben wir letztlich, wenn Sie so wollen, alle. Die betreiben Sie für Ihre Gruppen auch. Das kann also nicht das Kriterium sein.
Es gibt keine Vorgabe, die Sitze der Abgeordneten zu begrenzen. Dieses Ziel erreichen wir auch mit drei zusätzlichen Plätzen. Eine Reduzierung und die vorgeschlagene Verteilung der Plätze würden nach unserer Auffassung die Mehrheitsverhältnisse auch nicht mehr zutreffend abbilden.
Wir Abgeordneten des Bayerischen Rundfunks – des Bayerischen Landtags – – Pardon.
Ein freudscher Fehler. Jawohl, ich gebe es zu.
Es gibt immerhin zwei, auch in der Fraktion der GRÜNEN. – Wir Abgeordneten des Bayerischen Landtags, Kolleginnen und Kollegen, verfügen aber als Vertretung des gesamten Volkes über eine besondere demokratische Legitimation. Die angemessene Vertretung in den Kontrollorganen ist damit ebenfalls sachgerecht und auch im öffentlichen Interesse.
Auch eine Vertretung der Staatsregierung hat ihre Berechtigung in den Gremien. Wir sollten nicht so tun, als wäre das etwas Anrüchiges. Es kommt auf die Größenordnung an. Da gebe ich Ihnen recht. Aber in der Praxis hat das doch bisher dazu gedient, dass eine unmittelbare Verbindung zwischen den mit Medien- und Rundfunkpolitik befassten Mitgliedern der Staatsregierung und dem Rundfunk in Bayern hergestellt wird. Diese Verbindung hat der Medienpolitik bisher zum Vorteil gereicht und nicht zum Nachteil.
Das ist ein Faktor, der nicht einfach weggewischt werden kann.
Kolleginnen und Kollegen, ich hatte teilweise schon den Eindruck, dass bei den Vorschlägen zur neuen Besetzung der Gremien eher die Eigeninteressen der Oppositionsfraktionen im Vordergrund waren; denn eine Veränderung bei den entsprechenden Organisationen ist weder ausgewogen noch empirisch begründet. Insbesondere der Vorschlag der GRÜNEN scheint bei der neuen Vergabe nicht mit gesellschaftlicher Relevanz begründet zu sein, sondern einseitig zugunsten von Interessengruppen formuliert zu sein, die unseren Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der GRÜNEN vermeintlich nahestehen. Frau Kollegin Gote, Sie haben gesagt: näher bei den Menschen. Diesen Menschen sind Sie selbstverständlich näher.
Ja, das sind ganz schön viele. Das ist richtig. Das sehen wir an den Wahlergebnissen.
Beispielsweise die Zielvorgabe, dass Frauen besser und angemessen vertreten sein müssen, war selbstverständlich von Anfang an klar. Dies ist überfällig. Klar war auch, dass wir fraktionsübergreifend hinter diesem Ziel stehen, unabhängig davon, dass nun infolge des Gerichtsurteils verpflichtend etwas verbes
sert werden musste. Der Weg dahin wurde unterschiedlich formuliert. – Selbstverständlich wurde er das. Wieder war es der Vorschlag der GRÜNEN, der hierbei über das Ziel hinausgeschossen ist. Es tut mir leid, meine Kolleginnen und Kollegen: Auch wenn wir uns insgesamt einig waren, so muss ich heute auch noch einmal die Unterschiede betonen. Diese sind schließlich der Grund, warum wir die Gegenanträge ablehnen werden.
Sie fordern zwar, dass auf jeden Mann eine Frau folgen soll, umgekehrt lassen Sie es aber offen. Warum? War das eine Unaufmerksamkeit? – Das glaube ich nicht. Ich sehe darin eher einen Schritt in die umgekehrte Diskriminierung. Frauen sollen nicht nur bewusst unterstützt, sondern Männer im Gegenzug bewusst nicht unterstützt werden.
Es tut mir leid. So stellt es sich dar. Wollen wir das? – Ich meine: nein.
Ja, ja. – Die Neuregelung soll verbindlich sicherstellen, dass bei der Entsendung der Mitglieder in den Rundfunk- und in den Medienrat künftig Frauen und Männer angemessen berücksichtigt werden. Hierbei ist das "und" besonders zu betonen. Der Regierungsentwurf formuliert hier eine Verpflichtung zu einer paritätischen bzw. abwechselnden Besetzung, um auch dem Gebot der Geschlechtergerechtigkeit Rechnung zu tragen.
An dieser Stelle noch eine kurze Anmerkung zum Entwurf der FREIEN WÄHLER. Nach mindestens jeder dritten Amtszeit eine Frau zu entsenden, kann die Situation sicherlich mittelfristig verbessern, Kollege Piazolo, eine volle Gleichstellung werden wir damit aber wahrscheinlich nicht erreichen. Der Vorschlag ist gut gemeint, ich meine aber, er greift etwas zu kurz.
Beim Thema Transparenz sind wir uns wieder überwiegend einig. Damit die Gremienarbeit transparenter gestaltet wird, sollen Regelungen über die Sitzungsöffentlichkeit sowie über die Veröffentlichung von Tagesordnungen im Gesetz verankert werden. Das betrifft die Zusammenfassung von Gegenstand und Ergebnissen gleichfalls. Der Regierungsentwurf hat zudem vorgesehen, dass die Leistungen an Präsidenten und Geschäftsführer sowie die vom Verwaltungsrat beschlossenen Tarifstrukturen veröffentlicht werden.
Auf Initiative der CSU hat der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen die Änderung eingebracht, dass auch der Bayerische Rundfunk verpflichtet wird,
die Entlohnung der Geschäftsleitung – Intendanten, Direktoren, Hauptabteilungsleiter – zu veröffentlichen. Damit soll ein Gleichklang zu den Verpflichtungen der BLM hergestellt und die Transparenz ebenfalls weiter verbessert werden. Da diese Veröffentlichungen bereits freiwillig erfolgen, stellt dies für den BR für meine Begriffe auch keine Belastung dar.
Ergänzend zur vorgenannten Änderung der Mitgliederzahl möchte ich zur Besetzung des Verwaltungsrats noch Folgendes anmerken: Fünf der künftig sieben Mitglieder sollen vom Rundfunkrat gewählt werden, auch im Verwaltungsrat soll die gesellschaftliche Vielfalt abgebildet werden; der bisherige Stichentscheid der Verwaltungsratsvorsitzenden soll zudem abgeschafft werden. Auch in diesem Punkt waren wir uns dankenswerterweise überwiegend einig. Das darf man dann auch sagen.
Letztlich setzt der Gesetzentwurf der Staatsregierung in diesem Bereich die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Staatsferne, zur Aktualität der Zusammensetzung, zur Geschlechterparität und zur Sicherung der Vielfalt konsequent um, ohne dabei die bewährten Strukturen der Gremienaufsicht grundlegend infrage zu stellen. Die bisher genannten geplanten Änderungen sind somit zuvörderst eines: eine Umsetzung der Vorgaben des Gerichtsurteils.
Aber Sie haben recht: Wir wollen nicht nur den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, sondern auch die Chance nutzen, wenn wir schon das Gesetz anpacken, zusätzliche Verbesserungen zu schaffen. Auch wenn die Befugnisse der Aufsichtsgremien beim BR ohnehin bereits weiter reichen als bei anderen Rundfunkanstalten, sollen diese nun zusätzlich gestärkt werden. Eine finanziell und personell unabhängige Geschäftsstelle von Rundfunkrat und Verwaltungsrat des BR soll gesetzlich abgesichert werden. Der Rundfunkrat hat künftig ausdrücklich das Recht, vom Intendanten und vom Verwaltungsrat Auskunft zu verlangen und Einsicht in die Unterlagen der Anstalt zu nehmen. Hierfür können gegebenenfalls auch Sachverständige und Gutachten beauftragt werden.
Kolleginnen und Kollegen, in der Praxis haben sowohl Rundfunkrat als auch Verwaltungsrat schon Ausschüsse gebildet. Diese sollen nun auch gesetzlich verankert werden, und das ist gut so. Im Entwurf der Staatsregierung ist dies für den Rundfunkrat vorgesehen. Auf Bitten des BR setzt sich nun die CSU heute dafür ein, dass dies auch für den Verwaltungsrat des BR ergänzt wird. So wollen wir nun ergänzen, dass sich nicht nur der Rundfunkrat, sondern auch der Verwaltungsrat zwingend eine Geschäftsordnung gibt
und dass die Ausschüsse in der Geschäftsordnung festgelegt werden.
Wir haben bereits zuvor einen Wunsch der freien Mitarbeiter des BR aufgegriffen. Es soll nun auch eine Vertretung dieser freien Mitarbeiter gesetzlich verankert werden. Das ist ein Punkt, der mir besonders wichtig ist. Die CSU hat hierbei im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst die Initiative ergriffen und sich dabei auf den Vorschlag gestützt, der gemeinsam von BR und Freienvertretung ausgehandelt und formuliert worden war. Auch ich hätte an dieser Stelle gern eine Verankerung gesehen, dass die Mitglieder der Freienvertretung für die Dauer ihrer Amtszeit gegen eine Beendigung des Rechtsverhältnisses gesetzlich geschützt sind. Dafür fehlt die Gesetzgebungskompetenz auf Landesebene. Professor Piazolo, dazu haben wir unterschiedliche Auskünfte vonseiten der Rechtsexperten. Die Aufgabe, hier Licht ins Dunkel zu bringen, muss vielleicht in Zukunft noch gelöst werden. Offenbar bleiben dazu unterschiedliche Meinungen bestehen. Ich denke, das ist eine Aufgabe für die Zukunft. Ich habe deshalb folgende Protokollerklärung abgegeben:
Der Ausschuss befürwortet mit Nachdruck die Aufnahme des Schutzes der Mitglieder der Freienvertretung vor Beendigung oder Teilbeendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses in das vom Intendanten zu erlassende Statut.
Das ist jetzt geschehen. Danke für den Hinweis, Kollegin Kohnen. Das ist auch gut so. Ich freue mich, dass der BR in der letzten Sitzung des Rundfunkrates, wie gesagt, diese Aufnahme zugesagt hat und jetzt auch vollzogen hat.
Kolleginnen und Kollegen, die verschiedenen Gesetzentwürfe haben grundsätzlich in weiten Teilen in die gleiche Richtung gezielt, insbesondere in denjenigen Bereichen, welche nach dem Gerichtsurteil überarbeitet werden mussten. Mit den Änderungsanträgen wurden dabei noch weitere Aspekte eingearbeitet. Trotz aller Unterschiede haben wir – ich bleibe dabei – eine insgesamt gute Diskussion geführt, auch wenn wir nicht in allen Punkten übereinstimmen, und können heute, wie ich denke, mit unserem Entwurf eine vernünftige Lösung verabschieden. Ich bin davon überzeugt, dass wir hier einen guten Beitrag zur Verbesserung leisten. Auch die Unterschiede vermindern diese Leistung insgesamt nicht. Es geht heute um das Gesamtpaket, welches wir gemeinsam mit den Änderungen geschnürt haben und das wir nun verabschieden wollen.
Vielen Dank für die Zusammenarbeit. Vielen Dank auch an den BR, der sich konstruktiv eingebracht hat.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Piazolo, Sie haben vermutlich das bayerische Sprichwort noch nicht gehört, das da lautet: Überlegen tun wir langsam und richtig, aber wenn es dann passt, dann schlagen wir zu. Damit sind wir eigentlich immer gut gefahren.
Aber wenn man nach diesem Prinzip vorgeht, dann fährt man in der Regel ganz gut. Also vorher richtig überlegen, dann darf es danach auch schnell gehen. Insofern nehme ich Ihre Kritik an unserem Zeitplan nicht allzu ernst. Über den Inhalt können wir dann in der Tat reden.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen natürlich heute über kein neues Thema. Das Bundesverfassungsgericht – ich wiederhole es nur kurz – hat im März 2014 die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des ZDF für verfassungswidrig erklärt. Daraus leitet sich nun die Verpflichtung zur Vielfaltsicherung und zur Staatsferne auch für die Rundfunkanstalten ab. Ich brauche das nicht im Einzelnen zu wiederholen. Die Forderungen sind uns aus den vorherigen Debatten bestens bekannt. Es gilt
nun, auch auf bayerischer Ebene die Forderungen umzusetzen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass unsere bayerischen Gremien künftig sicher entsprechend besetzt werden. Frau Kollegin Gote, es geht nicht um einen Wettlauf, möglichst viel über den Haufen zu werfen, sondern es geht darum, eine ausgewogene und gute Lösung zu finden. Herzlichen Glückwunsch dazu, dass Sie die mutigsten Vorschläge bringen; ob es auch die besten sind, darüber müssen wir vielleicht noch reden.
Nach unserer Auffassung berücksichtigt der Gesetzentwurf der Staatsregierung die Forderung des Verfassungsgerichts gut. Der Entwurf setzt diese komplett um und enthält darüber hinaus auch weitere Änderungen bei der Organisation und Mitwirkung der Aufsichtsgremien über den Bayerischen Rundfunk. Zuallererst werden der Rundfunkrat und der Medienrat von 47 auf 50 Mitglieder vergrößert. Dabei wird die Zahl der staatlichen und staatsnahen Vertreter auf höchstens ein Drittel beschränkt. Da die bisherige Zusammensetzung des Gremiums insgesamt ein treffendes Abbild auch der gesellschaftlichen Vielfalt darstellt, sollen auch künftig alle bisherigen Verbände und Organisationen Vertreter entsenden. Durch die zusätzlichen Sitze können neue Perspektiven mit einbezogen und punktuell für eine Aktualisierung gesorgt werden. Wir haben eben gehört, dass Vertreter der Migranten, der Menschen mit Behinderung und ein Vertreter aus dem Bereich Freizeit, Tourismus, Gastronomie und Hotel neu aufgenommen werden. Frau Kollegin Gote, ich weiß nicht, was daran nicht zu verstehen ist. Der Tourismus hat in Bayern schon eine Bedeutung.
Wir müssen nicht darüber diskutieren, ob das wirklich ausgespart bleiben soll oder muss.
Der Entwurf der GRÜNEN möchte die Mitgliederzahl des Rundfunkrats beibehalten und die des Medienrats sogar um neun Plätze reduzieren. In diesem Vorschlag ebenfalls impliziert wäre eine Veränderung bei den entsendenden Organisationen, die nach unserer Auffassung wenig ausgewogen oder auch nicht empirisch begründet ist. Meine Kollegen von der GRÜNEN-Fraktion, diese Vergabe wäre auch nicht durch die gesellschaftliche Relevanz begründet, sondern wäre einseitig zugunsten von Interessengruppen, die Ihnen politisch näher stehen als uns. Das unterstelle ich jetzt einmal. Die organisierten Konfessionslosen mit rund 20.000 bis 30.000, je nach Zählweise, sollen beispielsweise gleichgestellt werden mit den großen Kirchen mit über acht Millionen Mitgliedern in Bayern.
Aber nicht organisiert! Es geht um die Organisierten. Wenn, dann müssen wir gleich zählen, dann berücksichtigen wir nicht nur die Religiösen, sondern auch die Organisierten. Diese empirische Vorgehensweise erschließt sich mir nicht. Auch die anderen Änderungen sind meines Erachtens wenig realistisch. Aber darüber werden wir natürlich in den Ausschüssen noch ausführlich diskutieren. Vielleicht habe ich es auch nur falsch verstanden.
Nach dem Gesetzentwurf der Staatsregierung soll auch der Verwaltungsrat erweitert werden. Zukünftig würde dieser sieben statt sechs Mitglieder umfassen, wobei fünf vom Rundfunkrat gewählt werden sollen. Auch im Verwaltungsrat soll die gesellschaftliche Vielfalt abgebildet werden. Zudem soll der bisherige Stichentscheid des Verwaltungsratsvorsitzenden abgeschafft werden. Wie hier ein Gegensatz zwischen Vielfalt und Kompetenz konstruiert werden kann, ist mir ebenfalls ein Rätsel, aber vielleicht können wir auch darüber noch diskutieren. Das hat sich mir nicht erschlossen.
Die klare Inkompatibilitätsregelung wird nach dem Vorbild des neuen ZDF-Staatsvertrags eingeführt, um die erforderliche Staatsferne nicht zu unterlaufen. Diese stellt sicher, dass Personen, die den staatlichen oder staatsnahen Bereich zuzuordnen sind, nicht als Vertreter anderer Verbände oder Organisationen den Gremien angehören. Aus meiner Sicht ist auch ein wichtiger Punkt, dass diejenigen, die als inkompatibel eingestuft waren, frühestens 18 Monate nach dem Ausscheiden aus den dortigen Funktionen Mitglieder im Fernsehrat oder im Verwaltungsrat werden dürfen.
Im Entwurf der GRÜNEN wiederum möchte man Regierungsmitglieder nicht als Mitglieder der Gremien. Deren Vertretung dient aber in der Praxis vor allem dazu, dass eine unmittelbare Verbindung zwischen den mit Medien- und Rundfunkpolitik befassten Mitgliedern der Staatsregierung und dem Rundfunk in Bayern und dessen Anliegen hergestellt wird. Nach unserer Auffassung hat sich diese Verbindung in Bayern bisher bei aller gebotenen Distanz zwischen Regierung und Rundfunk als vorteilhaft herausgestellt.
Warum man das auflösen will, ist uns nicht klar.
Die Evaluierungsklausel gilt, um bei der Zusammensetzung der Gremien einer Versteinerung entgegenzuwirken. Die Staatsregierung soll die Regelung zur Zusammensetzung der Gremien überprüfen und dem Landtag entsprechend berichten. – Mit Blick auf die
Zeit kürze ich nun etwas ab. – Beim Entwurf der GRÜNEN-Fraktion ist mir noch etwas aufgefallen. Es soll zwar geregelt werden, dass einem Mann eine Frau folgen soll, umgekehrt ist aber nichts festgeschrieben. Wir haben wirklich lange genug gebraucht – das sage ich durchaus selbstkritisch –, um hier eine Gleichberechtigung herzustellen. Jedoch würde eine umgedrehte Diskriminierung alles torpedieren. Das sollten wir nicht tun, und das brauchen wir auch nicht. Deswegen sind wir explizit dagegen.
Damit die Gremienarbeit transparenter gestaltet wird – Frau Kollegin Fehlner, das ist ein wichtiger Punkt, und da sind wir ganz Ihrer Meinung, – sollen Regelungen über die Sitzungsöffentlichkeit sowie über die Veröffentlichung von Tagesordnungen im Gesetz verankert werden. Das gilt auch für die Zusammenfassung von Gegenstand und Ergebnissen der Sitzungen. Dem BLM wird zudem auferlegt, die Leistungen an Präsident und Geschäftsführer zu veröffentlichen. Das betrifft ebenso die vom Verwaltungsrat beschlossenen Tarifstrukturen.
Aus unserer Sicht sind die bisher genannten geplanten Änderungen zuvorderst eines, nämlich eine Umsetzung der Vorgaben des Gerichtsurteils. Aus unserer Sicht wird mit diesem Änderungsvertrag auch den wesentlichen Kritikpunkten des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen. Die Befugnisse der Aufsichtsgremien beim BR sollen zusätzlich gestärkt werden, obwohl sie derzeit bereits weiter reichen als bei anderen Rundfunkanstalten. Eine finanziell und personell unabhängige Geschäftsstelle von Rundfunkrat und Verwaltungsrat beim BR soll gesetzlich abgesichert werden. Der Rundfunkrat hat auch ausdrücklich das Recht, vom Intendanten und vom Verwaltungsrat Auskunft zu verlangen und Einsicht in die Unterlagen der Anstalt zu nehmen – ein wichtiger Punkt. Hierfür könnten gegebenenfalls Sachverständige und Gutachten beauftragt werden. Das soll ebenfalls im Gesetz geregelt werden. Auf Wunsch des BR und der freien Mitarbeiter soll nun auch deren Vertretung gesetzlich verankert werden. Das ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, den wir begrüßen.
Kolleginnen und Kollegen, die beiden Gesetzentwürfe – auch der der GRÜNEN – zielen in einigen Teilen in die gleiche Richtung, dies insbesondere in den Bereichen, die nach dem Gerichtsurteil überarbeitet werden müssen. Ich denke, in diesen Bereichen werden wir auch in den anschließenden Diskussionen in den Ausschüssen zügig zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Liebe Kollegen der GRÜNEN-Fraktion, ich glaube, Sie könnten den Regierungsentwurf eigentlich ganz gut mittragen. Auch werden in Ihrem Entwurf
Vorschläge zur Regelung gebracht, die wir unterstützen. Da ich zu wissen glaube, dass Sie die bisher bestehenden, nach unserer Auffassung hinreichenden Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags einfach noch einmal nachlesen, werden wir – da bin ich optimistisch – in den Ausschüssen gemeinsam eine vernünftige Lösung hinbekommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 23. März 2014 die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des ZDF für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht verlangt insbesondere, dass der Anteil staatlicher und staatsnaher Mitglieder ein Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl des jeweiligen Gremiums nicht übersteigt.
Lassen Sie mich die wichtigsten Punkte des nun neu ausgearbeiteten Siebzehnten Staatsvertrags zur Än
derung rundfunkrechtlicher Staatsverträge, wie es korrekt heißt, zusammenfassen. Worum geht es?
Staatliche bzw. staatsnahe Mitglieder müssen mittels einer Inkompatibilitätsregelung von den staatsfernen Sitzen ausgeschlossen werden. Dies war bisher nicht der Fall. Ein Beispiel: Der Kollege Dr. Bernd Fabritius könnte nicht mehr als Vertreter des Bundes der Vertriebenen dem Fernsehrat angehören, da er zudem Mitglied des Deutschen Bundestages ist.
Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände wurden bisher separat betrachtet.
Das Gericht fordert zudem, dass sich die Vielfalt der Gesellschaft in den Gremien auch widerspiegelt und dass einer Versteinerung der Gremienbesetzung effektiv entgegengewirkt wird.
Weiterhin wird gefordert, dass Frauen und Männer gleichermaßen berücksichtigt werden. Dieser Anspruch sollte – erlauben Sie mir die Anmerkung – insbesondere von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt als selbstverständlich angesehen werden.
Zu guter Letzt wird vom Bundesverfassungsgericht eine hinreichende Transparenz der Gremienarbeit gefordert.
Die Rundfunkkommission der Länder hat nach ausgiebigen Verhandlungen einen entsprechenden Entwurf des ZDF-Staatsvertrags vorgelegt. Da während der frühzeitigen Beteiligung der Länder, die eingebunden waren, keine Einwände erhoben wurden, ist der Vertrag am 18. Juni 2015 von den Ministerpräsidenten unterzeichnet worden.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, dem Änderungsvertrag in seiner vorliegenden Form können wir zustimmen und damit den Reformprozess vorantreiben. Ich nenne die wichtigsten Punkte.
Zuallererst: Der Fernsehrat wird von 77 Mitgliedern auf 60 Mitglieder verkleinert. Besonders wichtig ist der Hinweis, dass die Zahl der Sitze der staatlichen und staatsnahen Vertreter auf 20 beschränkt wird. Hiermit wird die Drittelvorgabe des Bundesverfassungsgerichts eingehalten.
Die 16 Vertreter der Landesregierungen bleiben erhalten. Die Bundesregierung gibt einen Sitz ab und hat somit künftig zwei statt drei Sitze. Die kommunalen Spitzenverbände sind künftig ebenfalls nurmehr mit zwei Sitzen statt wie vorher mit dreien vertreten. Außerdem werden diese nun den staatlichen und staatsnahen Vertretern zugerechnet. Das bedeutet im Klartext: Ein Vertreter des Deutschen Landkreistages wird künftig fix, ein Vertreter des Deutschen Städteta
ges und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes rollierend vertreten sein.
Die vielleicht einschneidendste Änderung ist, dass politische Parteien künftig keine eigenen Vertreter mehr entsenden; bisher waren dies zwölf.
Der Block der staatsfernen Verbände bleibt überwiegend erhalten. Lediglich Ver.di, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger sind künftig jeweils mit einem Sitz statt wie bisher mit zwei Sitzen vertreten.
Künftig soll außerdem eine Ländergruppe gebildet werden, in der den Ländern bestimmte Bereiche fest zugeordnet sind. Aus den ihnen zugeteilten Bereichen dürfen sie dann jeweils einen Vertreter benennen. Dem Freistaat Bayern beispielsweise ist der Bereich Digitales zugeordnet. Ich denke, dass insbesondere über die neue Ländergruppe und die vertretenen Themenbereiche der Querschnitt der Gesellschaft gut widergespiegelt wird. Mit dieser Lösung wird den verschiedenen Bedürfnissen und Wünschen Rechnung getragen.
Dennoch gibt es eine Evaluierungsklausel. Diese soll es ermöglichen, jeweils nach Ablauf von zwei Amtsperioden die Regelungen zur Zusammensetzung des Fernsehrates zu überprüfen. Da wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, wie schnell sich die Themen, die in der Gesellschaft als wichtig erachtet werden, ändern können, betrachte ich es durchaus als sinnvoll, dies festzuschreiben. Damit kann vermieden werden, dass man sich auf den jetzigen Beschlüssen und Entscheidungen quasi ausruht und es einfach wieder laufen lässt in der Hoffnung, dass die getroffenen Entscheidungen auch in Zukunft so passen werden.
Der Verwaltungsrat wird ebenfalls verkleinert. Mit zwölf Mitgliedern umfasst er nun zwei Sitze weniger. Die Länder werden durch vier Mitglieder vertreten, die von den Regierungschefs gemeinsam berufen werden. Acht weitere Mitglieder werden vom Fernsehrat mit Zweidrittelmehrheit berufen.
Auch bei der Besetzung der Ausschüsse muss beachtet werden, dass die staatlichen und die staatsnahen Vertreter in Zukunft lediglich ein Drittel der Plätze besetzen dürfen. Dies gilt übrigens auch für die Besetzung der Vorsitze des Fernsehrates, des Verwaltungsrates und von dessen Ausschüssen. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass die Personen, die dem staatlichen oder staatsnahen Bereich zugeordnet sind, nicht als Vertreter anderer Verbände oder Organisationen den Gremien angehören. So dürfen unter anderem Parlamentarier und Regierungsmitglieder
sowie führende Parteienvertreter dem Fernsehrat und dem Verwaltungsrat nicht angehören, sofern es sich bei ihnen nicht um die gesetzlichen staatlichen oder staatsnahen Mitglieder handelt. Frühestens 18 Monate nach dem Ausscheiden aus der dortigen Funktion dürfen auch diejenigen, die als inkompatibel eingestuft waren, Mitglied des Fernsehrates oder des Verwaltungsrates werden.
Ein Mitglied darf dem Fernsehrat und dem Verwaltungsrat insgesamt maximal drei Amtsperioden angehören. Die Mitgliedschaften in Fernsehrat und Verwaltungsrat werden dabei nicht einzeln betrachtet, sondern zusammengerechnet.
Vor dem Inkrafttreten laufende Amtsperioden – egal, wie viele es bisher waren – gelten als erste Amtsperiode. Dies soll auch einer Versteinerung der Gremien entgegenwirken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ein neues Mitglied entsandt wird – das ist der letzte Punkt, der mir an dieser Stelle erwähnenswert erscheint –, muss einem männlichen Mitglied eine Frau und einem weiblichen Mitglied ein Mann nachfolgen. Sollte eine Organisation oder ein Verband zwei Vertreter entsenden, sind je eine Frau und ein Mann zu entsenden. Diese Neuregelung soll verbindlich sicherstellen, dass bei Entsendung der Mitglieder in den Fernsehrat Männer und Frauen angemessen berücksichtigt werden.
Zu guter Letzt: Damit die Gremienarbeit selbst auch transparenter gestaltet wird, sollen die Sitzungen des Fernsehrates künftig öffentlich sein. Im Gegensatz dazu finden die Sitzungen der Ausschüsse sowie die Sitzungen des Verwaltungsrates und von dessen Ausschüssen grundsätzlich nichtöffentlich statt. Ich meine, das ist eine sinnvolle Einschränkung, vor allem deshalb, weil es dort oft im Detail um datenschutzwürdige Themen geht und ein geschützter Bereich für notwendige Diskussionen in diesem Bereich erhalten bleiben soll.
Die Zusammensetzung des Fernsehrates und der Ausschüsse sowie die Tagesordnungen und eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse werden künftig veröffentlicht. Hierzu reicht eine Veröffentlichung in elektronischer Form auf der Homepage des ZDF aus – nach meinem Dafürhalten ein überfälliger Punkt.
Die geplanten Änderungen sind zuvörderst eines – eine Umsetzung der Vorgaben des Gerichtsurteils. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind die Ergebnisse der zwischen den Landesregierungen geführten Verhandlungen. Meines Erachtens ist ein guter Kompromiss erzielt worden. Den wesentlichen Kritikpunkten des Bundesverfassungsgerichts wird mit diesem
Änderungsvertrag voll Rechnung getragen. Deshalb werden wir ihm zustimmen. Wir bitten Sie, Kolleginnen und Kollegen, um das Gleiche.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rabenstein, ich glaube, der Dissens zwischen uns ist auf diesem Gebiet nicht allzu groß. Sie sind allerdings gerade ein bisschen scherenschnittartig vorgegangen: Auf der einen Seite sehen Sie die bösen, gierigen Konzerne, auf der anderen Seite die Lokalen. Ich glaube, die Schaffung eines solchen Gegensatzes ist verfehlt.
- Ja, das ist richtig. – Ich werde versuchen, dies aus unserer Sicht zu begründen. - Das Bundesverwaltungsgericht hat bekanntlich entschieden, dass Werbung in bundesweiten Fernsehprogrammen regional differenziert werden darf. Technisch ist das schon länger möglich. Wir wissen, dass man die verschiedenen Regionalkanäle auf Ebene eines oder mehrerer Länder differenzieren kann. Laut Gericht wäre keine gesonderte rundfunkrechtliche Zulassung nötig, weil nur redaktionelle Programminhalte Gegenstand der rundfunkrechtlichen Lizenzierung wären. Werbung ist zunächst kein Bestandteil des zulassungspflichtigen Programms. Somit sind die Sender in ihrer Werbegestaltung frei, sofern die werberechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Die bisherigen Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags haben keine einschränkenden Vorgaben zum Verbreitungsgebiet von Werbung.
Richtig ist natürlich – da bin ich ganz bei Ihnen -, dass den bundesweit sendenden privaten Fernsehanbietern so die Möglichkeit eröffnet würde, sich auch auf regionalen Werbemärkten zu engagieren. Das ist problematisch. Die Befürchtungen der regionalen und lokalen Medienanbieter, dass ihnen durch die Konkurrenz ein wichtiger Teil ihrer Finanzierungsgrundlage verloren ginge, ist begründet. Sie sehen dadurch ihre Existenz bedroht. Auch das ist nachvollziehbar. Durch diese Öffnung sehen sie außerdem ihren Beitrag zur Meinungsvielfalt und Meinungsbildung gefährdet.
Auch wenn es vielleicht für einige den Anschein hatte, haben wir uns diesen Anregungen und diesen Befürchtungen nicht verschlossen. Ich glaube, wir brauchen über den Wert der lokalen und regionalen Medien hier nicht miteinander zu diskutieren. Wir wussten von Anfang an durchaus, wie wichtig es ist, diese lokalen Anbieter zu erhalten. Dass das Risiko der Umsatzeinbußen nicht von der Hand zu weisen ist, machte eine Studie der BLM von 2012 deutlich. Ich nenne nur einige wenige Zahlen: Allein für den Fall, dass ProSiebenSat.1 die Werbung im Kabelbereich regionalisiert, sind für den Printbereich Umsatzeinbußen in Höhe von 16 Millionen Euro vorausgesagt worden, 16 Millionen Euro im regionalen Printbereich nur in Bayern. Der private Hörfunk wäre dadurch mit einem
Umsatzverlust von 3,4 Millionen Euro betroffen. Wir alle kennen diese Studie. Diese Summen, auch wenn sie für das ganze Land berechnet sind, machen deutlich, welche Auswirkungen eine solche Erlaubnis mit sich bringen würde.
Bayern hat – das ist richtig – bei der letzten Änderung des Rundfunkstaatsvertrags noch dafür gesorgt, dass das Verbot nicht sofort eingearbeitet wurde. Auf der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 26. März 2015 hat man sich vielmehr darauf geeinigt – darauf lege ich Wert: Der Beschluss war damals einstimmig -, dass noch ausführlicher Prüfbedarf besteht. Maßgebend war hierbei die Überlegung, dass man die Veränderungen bei den Geschäftsmodellen und den Wettbewerbsbedingungen in der digitalen Medienwelt durch staatliche Regulierung und Verbote nicht wird aufhalten können. Gemeinsam mit den bayerischen regionalen und lokalen Medien sowie mit ProSiebenSat.1 als nationalem Fernsehanbieter, der aber hier in Bayern ansässig und ein großer Anbieter und wichtiger Arbeitgeber ist, wurde zunächst, wie ich meine, richtigerweise versucht, im Dialog über regionale Werbung im nationalen Fernsehen einen fairen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen zu erreichen.
Der Landtag hat am 7. Mai dieses Jahres, im Übrigen auf einen Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion hin, die Initiative der Staatsregierung begrüßt, im Dialog mit der Medienbranche eine konsensuale Lösung bei der Frage einer regionalisierten Werbung zu finden. Ziel dabei war, einerseits zwischen dem Interesse der regionalen und lokalen Medienlandschaft, die Finanzierungsgrundlage zu sichern, und andererseits dem Interesse der nationalen Rundfunkveranstalter, auf neue Werbeformen reagieren zu können – ich nenne das Stichwort Internet -, zu vermitteln. Die Werbeerlöse sollten interessengerecht verteilt und neue Partnerschaften innerhalb der Branche ermöglicht werden. Wir alle wissen: Leider zeigten die Gespräche hierzu letztlich, dass keine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte. Einerseits stand einer Verhandlungslösung das Kartellrecht entgegen. Dieses hätte eine Kooperation zur gemeinsamen Vermarktung von Werbezeiten nicht gestattet. Andererseits lagen die Vorstellungen der Beteiligten im Hinblick auf die möglichen Lösungsansätze – Staatsminister Huber hat es gesagt – einfach zu weit auseinander.
Deshalb haben sich die Regierungschefs nun darauf geeinigt, den Rundfunkstaatsvertrag zu ergänzen. In denselben Paragraphen, den Sie, Herr Kollege Rabenstein, auch schon genannt haben, soll nun ein Verbot regionaler Werbung aufgenommen werden. Regionale Verbreitung von Werbung ist in einem bundesweiten Programm nur dann zulässig, sofern das
entsprechende Landesrecht dies gestattet. In Bayern ist eine solche Erlaubnis aktuell – ich sage es ausdrücklich – nicht geplant. Mit der Erlaubnismöglichkeit wird den verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen, dass ein vollständiges Verbot die Rundfunkfreiheit der privaten Fernsehveranstalter verletzen könnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Meinung, dass man dieser sehr ausgewogenen Ergänzung des Staatsvertrages, die der 18. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit sich bringt, zustimmen sollte; denn wir alle wollen – Sie haben sich freundlicherweise oder Gott sei Dank auch dazu bekannt – die starke und innovative Medienlandschaft in Bayern stärken. Wir bekennen uns alle zur publizistischen Vielfalt, ausdrücklich auch in allen ihren Größenordnungen. Das ist ein wichtiger Kern bayerischer Medienpolitik. Wir wollen auch in Zukunft im Dialog mit der Medienbranche eine einvernehmliche Lösung finden. Wir wollen regulatorische Maßnahmen vermeiden und die Vielfalt der Medienbranche stärken. Nur deshalb waren wir bisher gegen ein sofortiges Verbot. Deshalb sollten die unterschiedlichen Interessen sorgfältig abgewogen werden. Auch deshalb haben wir uns darum bemüht, zwischen den Beteiligten zu vermitteln, und versucht, auf einen Konsens hinzuwirken. Da dieser nicht erreicht wurde und außerdem schwerwiegende kartellrechtliche Bedenken herrschen, hat der Freistaat nun dem Verbot der regionalisierten Werbung im nationalen Fernsehen, verknüpft mit einer Öffnungsklausel innerhalb einer Ergänzung des Rundfunkstaatsvertrags, in der vorliegenden Form zugestimmt. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Ich halte dieses Vertragswerk in dieser Form für ausgewogen und richtig.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zunächst, Frau Kollegin Fehlner, herzlichen Dank für das Lob für die Medienpolitik in Bayern. Das kommt von SPD-Seite nicht so häufig. Das hat mich gefreut, ebenso wie das Lob für den Bayerischen Rundfunk. Es ist in der Tat ein Programm, auf das wir in Bayern stolz sein können. Es lohnt sich, sich mit diesem Programm näher zu befassen.
Anlass für diesen Gesetzentwurf, das ist bereits angeklungen, war der Streit zwischen dem BR und dem Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland über die Reichweite der Must-Carry-Verpflichtungen im Hinblick auf das Programm ARD-alpha. Die Kabelnetzbetreiber sind wegen des Rundfunkstaatsvertrags beziehungsweise der Landesmediengesetze verpflichtet, Programme mit Must-Carry-Status über ihre Kabelnetze zu verbreiten. BR-alpha wurde bisher auf dieser Grundlage im analogen und im digitalen Kabelnetz verbreitet. Die Umbenennung in ARD-alpha hat jetzt den Streit ausgelöst, ob es um eine begriffliche Anpassung im Rundfunkstaatsvertrag oder in den Landesmediengesetzen geht. Beides ist bisher nicht erfolgt. Kabel Deutschland hat, Sie haben es genannt, daraufhin angekündigt, die Verbreitung von ARDalpha im analogen Netz zu beenden. Der BR hält diese sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung für rechtswidrig und begründet dies auch damit, dass sich nur der Name geändert habe, nicht jedoch der Inhalt des Programms. Deshalb hat der BR beim Verwaltungsgericht München Klage eingereicht. Dieses Urteil vom 16. Juni 2015 hat an der Festlegung, dass man auch im Rundfunkstaatsvertrag eine Anpassung vornehmen muss, zunächst einmal nichts geändert. Grundlage der gesamten Auseinandersetzung, Frau Kollegin Fehlner, ist doch letzten Endes, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Kabelnetzbetreiber seit Jahren über die Entgeltpflicht der Programmverbreitung im Kabel streiten. Das, was wir hier gerade erleben, ist also nichts anderes als ein Symptom dieser Gesamtauseinandersetzung.
Der Gesetzentwurf der SPD zielt nun darauf ab, BRalpha im Bayerischen Rundfunkgesetz und im Bayerischen Mediengesetz in ARD-alpha umzubenennen, um die Must-Carry-Verpflichtung im analogen Netz zu gewährleisten. Als Grund geben Sie an, dass die BLM – Bayerische Landeszentrale für neue Medien - sich auf den formalen Standpunkt zurückgezogen habe, dass der Gesetzgeber die öffentlich-rechtlichen Pflichtprogramme namentlich benannt habe, welche analog über Kabel verbreitet werden müssten. Da es umstritten ist - daran ändert das Urteil vom 16. Juni 2015 zunächst einmal nichts -, ob der identitätswahrende Kern des Programms wirklich verändert wurde, der Kabelnetzbetreiber aber nicht verpflichtet sei, dies zu untersuchen, wollen Sie jetzt eine Klarstellung durch den Gesetzgeber.
Zudem sind Sie der Meinung, dass der neue Kanal ARD-alpha inhaltlich dem früheren BR-alpha entspricht und es stets Wille des Rundfunkgesetzgebers war, dieses Programm als Bildungskanal des BR über eine Must-Carry-Verpflichtung allgemein zugänglich zu machen. Diesem Willen soll nun durch eine Gesetzesänderung entsprochen werden. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland wird entscheidend im Rundfunkstaatsvertrag festgesetzt, nicht in Landesgesetzen. Dieser legt die von den Landesrundfunkanstalten zu veranstaltenden Programme gemäß dem gesetzlichen Auftrag im Einzelnen fest. Das Spartenprogramm BR-alpha ist dabei mit dem Schwerpunkt Bildung verankert. Aus diesem Grunde bin ich dagegen, dass das bayerische Landesrecht einseitig und vorgezogen angepasst wird, bevor der Rundfunkstaatsvertrag entsprechend geändert wird. Warum? – Es gibt immer wieder Diskussionen, ob der Rundfunkstaatsvertrag in der Normenhierarchie über dem Bayerischen Landesmediengesetz steht. Die Regelungen sollten wir somit nicht in Widerspruch zu den Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages setzen. Mit der vorgesehenen Umbenennung in ARD-alpha im Bayerischen Rundfunkgesetz und im Bayerischen Mediengesetz würde aber ein Programmauftrag definiert, der keine Grundlage im Rundfunkstaatsvertrag hat. Artikel 2 Absatz 2 des Bayerischen Rundfunkgesetzes verweist ausdrücklich auf den Rundfunkstaatsvertrag, und dort steht: "die sonstigen auf Grund staatsvertraglicher Ermächtigung veranstalteten Programme". Diese Ermächtigung liegt für ARD-alpha nicht vor.
Auf Länderebene wurde grundsätzlich vereinbart, dass der Rundfunkstaatsvertrag im Hinblick auf ARDalpha angepasst werden soll. Dies ist bislang nicht erfolgt. In Eckpunkten hat man sich bislang lediglich darauf verständigt, dass BR-alpha in einer der nächsten
Rundfunkstaatsvertragsänderungen in ARD-alpha geändert werden soll.
Ein weiterer Punkt, der mich verwundert, ist folgender: Der BR hat die Umbenennung seines Programms im Juni letzten Jahres vollzogen, ohne die entsprechende Klarstellung abzuwarten. Die möglichen Konsequenzen für die Kabeleinspeisung müssen dabei zweifellos bekannt gewesen sein. Der Plan, im Rundfunkstaatsvertrag eine Klarstellung vorzunehmen, indem man das Programm ARD-alpha ausdrücklich als solches benennt, hat auch den Hintergrund, dass die Mehrheit der Länder die Auffassung vertritt, dass es sich eben nicht um eine reine und ausschließliche Umbenennung handelt. Eine inhaltliche Änderung für das Programm kann nach Ansicht der Mehrzahl der Länder nicht ausgeschlossen werden, da – so die Begründung – das Programmschema geändert wird und Zulieferungen von anderen ARD-Anstalten geplant sind. Deshalb ist eine erneute gesetzliche Beauftragung aus unserer Sicht notwendig.
Ihr Gesetzentwurf, verehrte Frau Kollegin Fehlner, stellt sich einseitig hinter die Rechtsauffassung des BR, welche nach meinem Dafürhalten aber keineswegs so eindeutig ist, wie sie hier vermittelt wird. Einige Länder und die BLM sind nämlich durchaus der Auffassung, dass sich nicht ausschließen lässt, dass es sich um eine Neubeauftragung eines inhaltlich geänderten Programms handelt.
Ein weiterer Gesichtspunkt, der nicht ganz unwichtig ist: Es stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, neue Einspeiseverpflichtungen für das analoge Kabelnetz zu begründen, wenn unsere Zielsetzung doch eigentlich ist, die Digitalisierung auch im Kabelnetz voranzutreiben. Schon jetzt ist der überwiegende Bereich der Verbreitung von ARD-alpha nicht von der vorliegenden Auseinandersetzung betroffen. Die digitale Kabelverbreitung wie etwa bei DVB-T und Satellitenverbreitung sind davon nicht berührt. Nur noch 19 % der bayerischen Haushalte verfügen ausschließlich über einen analogen Kabelempfang. Dieser Prozentsatz sinkt ständig. Ich denke, das ist von der Medienpolitik auch so beabsichtigt.
Aus diesem Grund sollten wir auch den digitalen Empfang vorantreiben, anstatt jetzt neue Einspeiseverpflichtungen für das analoge Kabelnetz zu begründen. Mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung des Kabelnetzes würde die Abschaffung analoger Kabelverbreitungspflichten auch den allgemeinen Deregulierungsabsichten im Medienbereich entsprechen.
Aus all diesen Gründen werden wir den Gesetzentwurf der SPD ablehnen. Ich empfehle das auch, weil der Gesetzentwurf einseitig in ein noch nicht beende
tes Verfahren vor den Landesrundfunkanstalten eingreifen würde. Eine klare Rechtslage, wie wir alle sie wollen, könnte auch mit diesem Gesetzentwurf hier in Bayern nicht hergestellt werden, weil zunächst eine Änderung auf Ebene des Rundfunkstaatsvertrags erfolgen sollte. Erst dann können wir einen klaren und eindeutigen Programmauftrag für ARD-alpha begründen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rabenstein hat eine klare Aussage vonseiten der CSU-Fraktion gefordert. Herr Kollege Rabenstein, zu dem Punkt, den Sie angesprochen haben, können Sie eine solche jederzeit bekommen. Natürlich wollen auch wir keine Zerstörung der kleinen Anbieter oder der bestehenden Anbieterlandschaft, so wie Sie es gerade festgestellt haben. Nur, ganz so einfach und scherenschnittartig, wie Sie sie dargestellt haben, Herr Kollege Rabenstein, ist die Lage nun einmal nicht.
Der Rundfunkstaatsvertrag enthält zunächst einmal – das ist im Antrag impliziert – keine entsprechende Beschränkung für regionale Werbung. Er impliziert hingegen, dass die Zulassung regionalisierter Werbung in bundesweiten Programmen grundsätzlich tiefgreifende Veränderungen auf den regionalen Werbemärkten zulasten der jeweiligen lokalen und regionalen Medienlandschaft mit sich bringt. Richtig ist: Wir haben uns mit den Sorgen und Befürchtungen der regionalen Zeitungsverlage und Rundfunkanbieter gemeinsam auseinandergesetzt. Das von Herrn Kollegen Piazolo genannte Möbelhaus-Beispiel war in aller Munde; das ist völlig korrekt.
Man muss aber auch beachten, dass es gegenläufige Interessen sind, es sich also nicht nur um einseitige Interessen handelt. Die wirtschaftlichen Herausforderungen für die bundesweiten Fernsehsender – ich weiß, dass das nicht gerne gehört wird; es ist aber nun einmal eine Tatsache - bestehen darin, dass diese bei den Programminhalten und der Werbung auch einer zunehmenden Konkurrenz durch das Internet ausgesetzt sind. Das schließt nach meiner Auffassung auch die Frage ein, welche Möglichkeiten sich beispielsweise durch eine Vermarktungskooperation nationaler und regionaler Rundfunkanbieter ergeben, mit der Werbekunden sowohl für bundesweit ausgestrahlte Programme als auch für regionale Sender gemeinsam erschlossen werden können. Das ist eine Möglichkeit, die wir bisher noch kaum erörtert haben.
Also: Einseitige Festlegungen, Herr Kollege Rabenstein, vor einer sorgfältigen Analyse und Bewertung der gesamten Konstellation, wie sie der Gesetzentwurf zugunsten der regionalen Rundfunkveranstalter vorschlägt, sollten für meine Begriffe unterbleiben, auch wenn Sie sagen, dass es brennt und kein Zeitverzug erfolgen sollte. Wir müssen die Sache gründlich diskutieren, um nicht in eine selbst gestellte Falle zu laufen.
Die Staatsregierung und die CSU-Fraktion werden deshalb Gespräche mit den betroffenen Interessengruppen führen, um auf dieser Grundlage eine Abwägung zu treffen und zu entscheiden, inwieweit zusätzlicher Regulierungsbedarf besteht. Grundsätzlich sieht die CSU-Fraktion angesichts der erheblichen Umwälzungen in der Medienlandschaft – insofern bin ich bei dem Gesetzentwurf der Kollegen der FREIEN WÄHLER – durchaus Handlungsbedarf, um die wirtschaftliche Balance zwischen den einzelnen Marktteilnehmern zu wahren und die publizistische Vielfalt, die gerade die Medienlandschaft in Bayern auszeichnet, zu erhalten. Welche Instrumente tatsächlich geeignet sind, um die Finanzierungsmöglichkeiten privater Rundfunkveranstalter durch Werbung zeitgemäß weiterzuentwickeln, und zwar ohne einseitig den Wettbe
werb zu beeinflussen und die publizistische Vielfalt zu gefährden, bedarf einer weiteren eingehenden Betrachtung.
Ein letzter Punkt, der noch wichtig ist: Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass jede Regelung, die ein Verbot regionalisierter Werbung vorsieht, die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit privater Rundfunkanbieter, ihre Programme durch Werbeeinnahmen zu finanzieren, beschränkt, wie es auch das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 17.12. festgestellt hat. Wenn man voraussetzt, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht, muss man in Betracht ziehen, dass der vorliegende Gesetzentwurf möglicherweise den Anforderungen nicht genügt. Aus diesem Grund und den anderen genannten Gründen lehnen wir den Gesetzentwurf in dieser Form und zu diesem Zeitpunkt ab. Ich hoffe, dass wir uns, wie bereits im Wirtschaftsausschuss besprochen und beschlossen, auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. In dem Ziel - so glaube ich - sind wir uns nach wie vor einig.