Marian Krüger
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der neue Regierende Bürgermeister Herr Wowereit hat uns heute Mittag eine Verwaltungsrevolution in Aussicht gestellt.
Wir aus der PDS hören das nicht mit Unbehagen. Allerdings möchte ich an dieser Stelle an ein Wort von Eberhard Diepgen erinnern, der mit derselben Formulierung, in Berlin finde keine Verwaltungsreform, sondern eine Verwaltungsrevolution statt, diesen Anspruch vor genau zwei Legislaturperioden begründet hat. Nun ist eine deutsche Behörde wahrhaftig keine Lokomotive der Weltgeschichte,
und so kann man sagen: Herr Diepgen hat Herrn Wowereit noch vieles übrig gelassen, was verbessert werden kann, was aber vor allen Dingen auch verändert werden muss.
Als wir unsere Große Anfrage zu den Arbeitsergebnissen der Expertenkommission Staatsaufgabenkritik und den Schlussfolgerungen des Senats eingebracht haben, befand sich die alte Regierung noch im Amt. So ist die Große Anfrage, obwohl an den alten Senat gerichtet, für die neue Regierung eine Gelegenheit, ihre alternativen Positionen deutlich zu machen, so sie denn beabsichtigt oder vorhanden sind. Wir werden Ihnen da sehr genau zuhören. Wir sind an einer unaufgeregten und sachbezogenen Diskussion sehr interessiert. Dies ist unserer Ansicht nach auch deswegen möglich, weil sich einige Probleme, die sich aus den Beschlüssen des alten Senats zu den Vorschlägen der Kommission ergeben haben, erledigt haben könnten.
Bevor ich kurz auf einige Punkte in unserer Großen Anfrage eingehe, erlauben Sie mir, etwas Generelles zur Rolle der Expertenkommission zu sagen: Die Einsetzung dieser Kommission war eine richtige Entscheidung. Wir meinen in der Tat auch nicht nur die Effektivität der staatlichen Aufgabenwahrnehmung, sondern auch die Frage, ob bestimmte Aufgaben überhaupt in staatlicher Trägerschaft verbleiben sollen, gehört auf den Prüfstand. Und unter diesem Blickwinkel haben wir auch die ersten drei Punkte unserer Großen Anfrage formuliert; auch weil wir den Eindruck haben, dass es der Kommission nicht gelungen ist, eine klare Definition von Staatsaufgaben zu gewinnen.
Sie unterscheidet zwischen Kernaufgaben, die alles enthalten sollen, was der Staat als Ordnungsmacht schon seit dem 19. Jahrhundert immer gemacht hat – Polizei, Justiz, Gefängnisse, Steuerverwaltung –, sowie sogenannten sonstigen Auf
gaben, die alles umfassen, was im 20. Jahrhundert dazu gekommen ist und den sozialen Gebrauchswert des Staates für die Gesellschaft wesentlich mitbestimmt. Diese Auffassung entspricht nicht der Verfassung von Berlin, die diese Unterscheidung nicht kennt. Der Grundrechtskatalog und der Staatszielkatalog der Verfassung von Berlin weist dem Staat eine unteilbare Verantwortung für Gewährleistungsaufgaben der sozialen Sicherheit, der Unterhaltung sozialer Einrichtungen, für Umweltschutz, für Kitaplätze zu. All das ist nicht unter Sonstiges abzumelden.
Auch wenn es für uns völlig klar ist, dass die Verfassung hier keinen Bestandschutz für Behörden und für Beamte gewährt, so bleibt doch die Entscheidung, welche Aufgabe in welcher Trägerschaft erledigt werden kann, primär eine politische und keine betriebswirtschaftliche Frage. Aber über Leitbilder lässt sich trefflich streiten. Wir sind aber vor allem an den praktischen und kassenwirksamen Aspekten der Staatsaufgabenkritik interessiert.
Völlig zu Recht bezeichnet die Expertenkommission die komplizierte finanzielle Situation der Stadt als maßgebliche Triebkraft für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Hier sehen wir einige Probleme, die wir gern weiter mit Ihnen besprechen wollen.
1. Kommission und Senat orientieren sich bei der Staatsaufgabenkritik vor allen Dingen an der Privatisierung. Der konkrete Nachweis, dass Privatisierung billiger ist, wird an keinem Punkt des Berichts angetreten. Privatisierung wird vielmehr als Allheilmittel angepriesen. Wir zweifeln ernsthaft an dem Erfolg einer solchen Rosskur, weil Berlin als Ergebnis dieser Politik eher doppelt zahlt als spart, sowohl für die Beschäftigten, die in den Personalüberhang müssen, als auch für die Privaten, die für die ausgegliederten Aufgaben bezahlt werden müssen. Weiterhin erhöht sich der Druck im öffentlichen Dienst, zu betriebsbedingten Kündigungen überzugehen. Das ist mit der PDS nicht zu machen! Dabei bleibt es!
Es gibt bessere und wirksamere Wege, die Verwaltung zu rationalisieren. Lassen Sie uns versuchen, sie gemeinsam zu gehen.
2. Die Kommission hat einige Potentiale für die Binnenmodernisierung der Verwaltung insbesondere im Hinblick auf die Bündelung bislang zersplitterter Zuständigkeiten in den Bereichen Personalwirtschaft, Beteiligungscontrolling, Wirtschaftsförderung und anderer unterbreitet, die wir für ausbaufähig halten. Bislang wurden sie durch die Regierung nicht aufgegriffen. Zur Binnenmodernisierung gehört auch das Problem der Zurückdrängung des Übermaßes von Verwaltungsvorschriften, die große Lebensversicherung für Bürokratie. Dieses Problem gehört auf die Prioritätenliste der Staatsaufgabenkritik, ganz nach vorn. Das fehlt uns bislang.
3. Die hohen Erwartungen jedoch, die wir in den Ideenreichtum der Kommission für strukturelle Einsparungen, in eine unabdingbare Senkung der Personalkosten für die Hauptverwaltung gesetzt haben, finden wir weder im 1. Zwischenbericht noch in den Beschlüssen des Senats dazu wieder. Stattdessen sind 8 Bezirken zusammen genommen 273 Millionen DM Einsparungen aufgedrückt worden, wobei sie dabei noch einen Nachschlag von mehr als 40 Millionen DM für 4 CDU-geführte Bezirke zu erwirtschaften haben. Sieht so Staatsaufgabenkritik aus? – Nein, so sieht Klientel-Politik aus, wenn Innensenator Werthebach die Finger dabei im Spiel hatte.
4. Der alte Senat hat immer behauptet, dass wir in diesem Jahr 50 Millionen DM an Einsparungen auf Grund staatsaufgabenkritischer Maßnahmen im Haushalt erwarten durften. Passiert ist bislang nichts, außer dass diese 50 Millionen DM auf dem Friedhof der Defizite ruhten, zuerst bei Herrn Kurth und nun bei Frau Krajewski. Hier musste die Expertenkommission als Alibi für eine zutiefst unsolide Haushaltspolitik herhalten, die sich übrigens letztendlich auch als Sargnagel für die große Koalition erwiesen hat.
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Wir gehen zunächst einmal davon aus, dass die Beschlüsse, die der alte Senat zu den Empfehlungen der Kommission gefasst hat, in Kraft treten. Daher beziehen sich unsere Fragen mit gutem Grund weiter auf die Stellung des neuen Senats und seine Beschlüsse zur Scholz-Kommission. Gerade deswegen interessiert uns aber auch, ob Sie bereit sind, die Stellungnahme, die die alte Regierung zum Zwischenbericht der Kommission beschlossen hat, grundsätzlich zu überdenken, sie zu überarbeiten, sie auch gegebenenfalls zurückzuziehen. Sind Sie bereit, die Leitung der Kommission einem wirklichen Verwaltungsfachmann anzuvertrauen? Ist es möglich, die Arbeit der Kommission mit einem zu erweiternden Auftrag auch in der bevorstehenden Legislaturperiode fortzusetzen? Sind Sie bereit, Fachgremien des Parlaments in die Erarbeitung von Zielstellungen für die Fortsetzung der Arbeit der Kommission einzusetzen?
Wir haben uns erlaubt, Ihnen heute ein Antragspaket zum Thema vorzustellen. Auch wenn Neuwahlen ins Haus stehen und damit die Chancen, unsere Anträge in den Ausschüssen zu besprechen, äußerst beschränkt sind, wollen wir nicht darauf verzichten, sie in das Parlament einzubringen. Wir sind davon überzeugt, dass das Parlament beim Thema Staatsaufgabenkritik nicht nur Beobachter bleiben, sondern Impulsgeber und Gestalter werden muss. Bei aller Kritik möchten wir mit unserem Antragspaket deutlich machen, dass wir sehr wohl bereit sind, konstruktive Ansätze der Expertenkommission aufzugreifen, die sich der alte Senat nicht zu eigen machen wollte.
1. Es geht uns um die Bündelung politisch-administrativer Gestaltungskompetenzen. Deswegen schlagen wir vor, die Zuständigkeiten für die Personalwirtschaft und die Personalentwicklung zusammenzufassen, wie Sie unserem Antrag über die Schaffung einer neuen Senatsverwaltung für Finanzen und Personalmanagement entnehmen können. Ich möchte es klar sagen: Wir halten es für sachgerecht, wenn solche Kompetenzen wie Besoldungspolitik, Stellenwirtschaft, aber auch Tarifpolitik nicht mehr bei der Senatsverwaltung für Inneres ressortieren.
2. Wir stimmen mit der Kommission überein, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Struktur- und Personalbestand umfassend reduziert werden muss. Allerdings halten wir von dem Weg, den der alte Senat dazu beschlossen hat, wenig. Wir halten ihn – genauer gesagt – für inakzeptabel und vor allen Dingen für unwirksam. Wir schlagen vielmehr eine Verschlankung der Bauverwaltung durch den Abbau von Doppelzuständigkeiten, Dezentralisierung und sinnvolle Fusion von Abteilungen und Referaten vor. Wenn in den nächsten Jahren nach Prognosen, die die Senatsverwaltung übrigens selbst getroffen hat, 400 Beschäftigte rentenbedingt und 700 vorzeitig ausscheiden können – insgesamt also weit mehr als 1000 –, ist das in unserem Antrag formulierte Ziel realistisch, dort dauerhaft 600 Stellen kassenwirksam abzubauen.
Das bringt – letzter Satz –, zusammen mit den personalabbaubedingt anfallenden Chancen, Verwaltungskosten zu reduzieren, bis zu 60 Millionen DM. Das ist übrigens mehr, als die Scholz-Kommission dort für möglich hält. Es funktioniert praktisch, ohne überhaupt an betriebsbedingte Kündigungen denken zu müssen.
Mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, würde ich gern den Mitgliedern und Mitarbeitern der Kommission für die geleistete Arbeit danken. Staatsaufgabenkritik ist keine Sache, bei der man sich in Politik und Verwaltung allzu viele Freunde macht. Hier ist aber eine Arbeit geleistet worden, die durchaus Ernstzunehmendes und Bedenkenswertes enthält. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Senator! Es ist richtig, die Scholz-Kommission hat diese 3 000 Stellen nicht vorgeschlagen, sondern die hat der Senat im Ergebnis seiner Befassung mit ihrem Zwischenbericht beschlossen. Wir wollen wissen, welche uns verborgenen aufgabenkritischen Betrachtungen dem Beschluss des Senats zu Grunde lagen, diese 273 Millionen DM – dem geschätzten Gegenwert von 3 000 Stellen – einzusparen, und warum der alte Senat so weit über den doch nicht maßlosen Vorschlag der Kommission hinausgegangen ist.
Herr Präsident, ich spreche nicht nur wegen der breiten Öffentlichkeit, sondern auch wegen der von mir sehr geschätzten Kollegin Werner, die hier der Öffentlichkeit einige Missverständnisse mitgeteilt hat. Es ist in der Tat richtig: Wir stehen dem Vorhaben der Privatisierung der Polizeiwerkstätten sehr kritisch gegenüber, aber es ist nicht unsittlich, deren Anzahl zu reduzieren. Das haben wir im Hauptausschuss auch nie behauptet. Wir haben im Gegenteil – und das ist richtig – dort Vorschläge aus Polizeikreisen zur Diskussion gestellt, die Anzahl der Werkstätten zu reduzieren, und zwar konkret von 7 auf 5 Werkstätten. Das deckt sich mit den Vorschlägen, die andere dort gemacht haben, aber wir sind grundsätzlich sowohl für eine Reduzierung der Werkstätten als auch für eine Reduzierung des Fuhrparks. Da verstehe ich nicht, Frau Werner, warum Sie hier Dinge verbreiten, die nicht der Wahrheit entsprechen. Nicht das Schließen von Kleiderkammern ist eine soziale Kriegserklärung, sondern die Privatisierung von Vollzugsausgaben der Polizei in Richtung Schaffung einer privaten Hilfspolizei. Das lehnen wir ab, und dabei bleiben wir auch. – Schönen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach langen und nicht immer ersprießlichen Verhandlungen haben sich die Bundesregierung und der Senat von Berlin nunmehr auf einen Vertrag zur Finanzierung hauptstadtbedingter Sicherheitsaufgaben geeinigt. Demnach werden jährlich 75 Millionen DM für diese Belange zur Verfügung gestellt. Die PDS begrüßt diesen Abschluss, weil der Bund hiermit erstmals in staatsvertraglicher Form seine materielle Mitverantwortung für eine Fülle von Aufgaben der öffentlichen Sicherheit in Berlin anerkennt, die dieser Stadt durch ihre Hauptstadtrolle zuwachsen. Diese Intention unseres ursprünglichen Antrags über die Kostenbeteiligung des Bundes an den hauptstadtbedingten Sicherheitsaufgaben ist somit erfüllt.
Nicht nur deswegen ist es ein guter Vertrag, der allerdings einiger Präzisierungen bedarf – vor allem, wenn wir uns an einige Schwierigkeiten erinnern, die Herr Innensenator Werthebach vor dem Hauptausschuss hatte, eine sachgerechte Verwendung dieser Mittel zu erklären: Da werden Bundesmittel pauschal zur Vermeidung von Einsparungen in der Polizei gebunkert. Da stellt sich heraus, dass über 4 Millionen DM für so genannte unvorhergesehene Aufgaben ohne konkrete Zweckbindung im Etat der Innenverwandlung „vagabundieren“ und darüber hinaus noch ein paar Extras in der IT-Ausstattung der Polizei finanziert werden. – Die Mittel des Bundes sind jedoch nicht für Haushaltslöcher, Haushaltspolster und Extrawürste da. Daher muss der Vertrag eine klare Zweckbindung der Bundesmittel für die Polizeibehörde und die Feuerwehr und deren hauptstadtbedingte Aufgaben und Einrichtungen beinhalten, um eine Zweckentfremdung der Mittel zu verhindern und den genannten Behörden die erforderliche finanzielle Planungssicherheit zu gewähren.
Das heißt, nach dem Abschluss des Anschlussvertrages, der die Mittel pauschal zur Verfügung stellt, ohne zu definieren, was unter den hauptstadtbedingten Sonderbelastungen tatsächlich zu verstehen ist, sind jetzt klare Festlegungen für die konkrete und nachvollziehbare Verwendung der Mittel nötig. Diese Mittel
sind ausschließlich für Personalkosten im Objekt- und Personenschutz, soweit sie aus der Hauptstadtrolle erwachsen, die Errichtung und Unterhaltung des Personalbestandes des Regierungsabschnitts 35, den polizeilichen Aufwand für Staatsbesuche, die Errichtung der gemeinsamen Leitstelle sowie die neue Feuerwache im Citybereich auszugeben. Die Verwendung der Mittel ist zu evaluieren. Das ist die politische Absicht, die wir mit dem vorliegenden Änderungsantrag verfolgen.
Während der Ausschussberatungen hat insbesondere der Kollege Lorenz darauf verwiesen, dass die Kostenbeteiligung des Bundes eine rein exekutive Angelegenheit sei. Darüber lässt sich sicherlich trefflich streiten – vor allem, wenn man die Vorliebe des Kollegen Lorenz für sublime Dispute berücksichtigt. Für die haushaltspolitische Prioritätensetzung ist doch – und da stimmen wir hoffentlich alle überein – immer noch das Parlament zuständig. Dazu gehört nun einmal, dass endlich verbindlich definiert werden muss, was hauptstadtbedingte Sicherheitsausgaben sind, und das haben wir mit unserem Änderungsantrag versucht. Dies ist keine Frage der Beliebigkeit und vor allem keine exklusive Sache des Hauses Werthebach, sondern auch Sache dieses Hauses.
Die Aufgaben der Berliner Polizei fallen keineswegs in ihrer Gänze, ja nicht einmal in ihrer Mehrheit unter die Rubrik „hauptstadtbedingt“ und können nicht endlos für finanzielle Mehrforderungen strapaziert werden. Was hindert uns demzufolge eigentlich daran, uns heute einfach auf eine verbindliche Definition dieser Aufgaben zu einigen? – Wir haben jedenfalls keine Lust, jedes Jahr im Hauptausschuss noch einmal vom Urschleim anzufangen, wenn wir die Verwendung der Bundesmittel – und darauf können Sie sich schon einmal gefasst machen – sehr gründlich kontrollieren werden.
Mit dem vorliegenden Änderungsantrag bieten wir Ihnen und der Innenverwaltung einen Konsens über die Hauptstadtsicherheit an. Ob Sie davon Gebrauch machen oder auch nicht, bleibt Ihnen überlassen. Nur eines sollte Ihnen klar sein: Die Debatte um die sachgerechte Verwendung der Bundesmittel und eine angemessene Organisation der hauptstadtbedingten Aufgaben von Polizei und Feuerwehr ist keineswegs beendet, sondern geht auf einer neuen Ebene weiter. Dessen können Sie sicher sein.
Es ist erfreulich, dass wir im Ergebnis „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ auch für die Beamten übereinstimmen, aber offensichtlich nicht dasselbe Maß an Klarheit haben, welcher Weg dazu beschritten werden soll, Herr Werthebach. In diesem Zusammenhang frage ich den Senat, ob er angesichts der finanziellen Erfordernisse für die Besoldungsanpassung – dies kostet 100 Millionen DM pro Jahr allein in Berlin – beabsichtigt, das Problem zum Gegenstand Berliner Beteiligungen an den Solidarpakt-II-Verhandlungen zu machen und sich dort gegebenenfalls mit anderen ostdeutschen Bundesländern in die Verhandlungen oder eine gemeinsame Linie begibt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der heutigen Urabstimmung bei der ÖTV und der DAG und des damit wahrscheinlichen Streiks sollte das Abgeordnetenhaus mit einer Aktuellen Stunde das Zeichen setzen, das es nach Auffassung der PDS-Fraktion den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes schuldig ist. Das Land Berlin steht als Arbeitsgeber in der Verantwortung, politische Initiativen zur Auflösung des Tarifdilemmas im öffentlichen Dienst zu ergreifen, da die Arbeitgeberseite durch ihre sture Politik maßgeblich zum Scheitern der Verhandlungen beigetragen hat. Es verwundert uns auch, dass der Senat, der sonst nicht müde wird, zur Lösung Berliner Probleme den Bund heranzuziehen, angesichts des Tarifkonflikts im öffentlichen Dienst in verstocktes Schweigen verfällt. Wir hingegen würden gern mit Ihnen heute über anstehende Probleme sprechen – zum Beispiel ob Ihnen noch etwas einfällt, wie Sie Ihr in der Beschäftigungssicherungsvereinbarung mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eingegangenes Versprechen einlösen, die Angleichung der Bezüge der Ostbeamten zu vollziehen.
Aber es geht uns um den öffentlichen Dienst als Ganzes. Wer gute Arbeit leistet – ob nun als Krankenpfleger, Lehrer oder Polizist – und wer die steigenden Arbeitsbelastungen und die Leistungsverdichtungen – namentlich gerade in den Bezirksämtern – zu bewältigen hat, darf nicht einseitig für die klammen öffentlichen Kassen in Haftung genommen werden.
Alle Fraktionen des Palaments stehen somit in der Verantwortung, gegenüber den Beschäftigen des öffentlichen Dienstes klarzumachen, wie sie zu der Logik des Schlichtungsspruchs, der die Tarife des öffentlichen Dienstes langfristig von der Einkommensentwicklung in anderen Branchen abkoppeln will, stehen.
Aber wir plädieren auch für eine Aktuelle Stunde, weil es jetzt darum geht, umfassende Lehren aus dem Scheitern der Verhandlungen zu ziehen. Den Widerspruch zwischen den knappen Personaletats und den berechtigten Forderungen der Beschäftigten wird nur auflösen können, wer alternative Wege geht. In diesem Sinne wollen wir heute konkret darüber sprechen, wie die Ost/West-Angleichung im öffentlichen Dienst im Rahmen der Verhandlungen um den Solidarpakt II auf eine solide finanzielle Grundlage gestellt werden kann, das heißt, wie die finanzschwachen Ostländer einen entsprechenden Ausgleich erhalten, wie durch eine Umverteilung von Arbeit und Einkommen neue Spielräume im Personaletat erreicht und langfristig neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.
Tarifpolitik ist auch Sache des Parlaments und nicht nur eine sogenannte Chefsache in den zweifelhaften Händen von Herrn Werthebach und Herrn Diepgen.
In diesem Sinne empfehle ich Ihnen, unserem Antrag auf eine Aktuelle Stunde zum Thema „Tarifrunde im öffentlichen Dienst – auch die Arbeitgeber sind gefordert“ – zuzustimmen.
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Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wir haben heute Vormittag aus den Reihen der Koalition wieder einmal die unvermeidlichen Floskeln über die politischen Visionen gehört, die Berlin angeblichen aus dem Sumpf der Haushaltskrise heraushelfen würden. Was Herr Steffel hier als Vision geboten hat, lautete: Politik muss sich vor allen Dingen um die Besserverdienenden kümmern. – Das ist das Modell FDP, das ist die Vision Günter Rexrodt, und das ist – wenn ich Herrn Landowsky zitieren darf – wohl eine Rolle rückwärts.
Ich erlaube mir, Herr Steffel, Ihnen mit Helmut Schmidt Folgendes zu antworten: Wer solche Visionen hat wie Sie, der sollte zum Arzt gehen.
Wir haben heute nicht über Wolkenschlösser, sondern über die realen haushaltspolitischen Bedingungen Berlins zu sprechen, über soziale Gerechtigkeit unter den Bedingungen leerer Kassen.
Damit komme ich zum Haushalt der Innenverwaltung
und zu der Verantwortung, die der Innensenator Werthebach für die Personal- und Tarifpolitik im öffentlichen Dienst hat. In den letzten zehn Jahren hat die Koalition ca. 50 000 Stellen abgebaut. Es bleibt eine Mär, dass der öffentliche Dienst durch den Stellenabbau billiger für die Steuerzahler geworden ist, wie Peter Grottian unlängst sehr richtig in der „Süddeutschen Zeitung“ feststellte. Was in Berlin im öffentlichen Dienst an Stellen abgebaut worden ist, entspricht einem finanziellen Gegenwert von ca. 3 Milliarden DM bezogen auf das vergangene Jahrzehnt.
Ich frage Sie, wie es dann zu erklären ist, dass die realen Personalausgaben seit 1996 nur um ca. 350 Millionen DM gesunken sind. Selbst wenn wir in Rechnung stellen, dass in den 90er Jahren ca. 2 Milliarden DM für Tariferhöhungen einschließlich der
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Krüger, Marian
Angleichung der Osttarife aufgebraucht worden sind, stellt sich die Frage: Was ist mit dem Rest des Milliardenbetrages passiert? – Die Antwort liegt auf der Hand. Während die Stellen der einfachen Beamten, Angestellten und Arbeiter unter die Räder des Personalabbaus gekommen sind, wurde eine ungenierte Besitzstandswahrung in den Hauptverwaltungen betrieben. Und in diesem Jahr rufen zahlreiche Abgeordnete der CDU ebenso ungeniert nach betriebsbedingten Kündigungen, die Sie, Herr Werthebach, in der Beschäftigungssicherungsvereinbarung 2000 mit den Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst noch kategorisch ausgeschlossen haben. Sie haben sich darin verpflichtet, bis zum Jahr 2001 die Bezüge der Ostbeamten auf 100 % anzugleichen. Woher wollen Sie denn die 100 Millionen DM nehmen, die dies kosten wird? – Heute droht die Umsetzung der Vereinbarung unter dem Druck eines nicht mehr steuerbaren Personalhaushalts zu kippen. Das ist auch Ergebnis einer Politik der Besitzstandswahrung, für die in Berlin nicht nur die Arbeitgeberseite Verantwortung trägt. Wenn das nicht in einer Politik der betriebsbedingten Kündigungen enden soll, dann kommt als Alternative nur ein neues Modell der solidarischen Umverteilung von Arbeitszeit und Einkommen im öffentlichen Dienst in Frage.
Das bedeutet Arbeitszeitverkürzung mit gestaffeltem Lohnverzicht für den höheren und gehobenen Dienst. Dies würde ein Umverteilungsvolumen von immerhin 400 Millionen DM erbringen, bestehende Arbeitsplätze sichern und einen Einstellungskorridor für Tausende junge Menschen ermöglichen. Nur unter diesen Bedingungen scheint auch die überfällige Angleichung der Besoldung der Ostbeamten überhaupt realisiert werden zu können. Soziale Gerechtigkeit unter den Bedingungen der Haushaltskrise ist nicht unmöglich. Dass diese Reformansätze bislang immer mit dem bornierten Widerstand des Innensenators zu rechnen hatten, ist ein Bestandteil der Misere, für die die Blokkade weiterer innenpolitischer Reformvorhaben als Beispiel dienen soll. Zum Stichwort Stellenpool ist schon viel gesagt worden. Ich möchte nichts wiederholen.
Herr Senator, das sind Beispiele für einen Strukturkonservatismus, der Sie zu einem der wandelnden Haushaltsrisiken für diese Stadt macht!
Aber man kann nicht sagen, dass Ihnen alle Neuerungen zuwider sind. Zum Beispiel wollen Sie mehr Geld für die Staatssekretäre. Diese Besoldungserhöhung wird eine Lawine weiterer Stellenanhebungen auslösen. Ihre Begründung für dieses Projekt finde ich schon bemerkenswert: Berlin muss seinen politischen Führungskräften mehr Geld zahlen, weil die sonst in die private Wirtschaft oder in besser dotierte Verwaltungsjobs in anderen Bundesländern entfleuchen. Wir fragen besorgt: Steht eine Massenflucht von Staatssekretären nach Brandenburg bevor? Werden etwa Fachkräfte wie Volker Liepelt demnächst von Infineon abgeworben?
Die PDS findet, dass eine solche Besoldungserhöhung überflüssig ist wie ein Kropf. Gemessen an der Art, wie Sie regieren, bekommen Sie nicht zu viel Geld. Da müssten Sie wohl eher noch jeden Monat etwas zurückgeben. Das gilt vor allen Dingen auch für die Mitglieder des Senats, die hier kaum anwesend sind.
Wahrscheinlich fahren Sie mit Eberhard Diepgen U 5 gegen den Stillstand.
Herr Werthebach, wie Sie merken, versuchen wir, Sie zu verstehen. Ich glaube, Sie verstehen sich selbst mehr als Polizeisenator denn als Senator der Reform des öffentlichen Dienstes. Ohne Polizei, so führten Sie einmal in diesem Hohen Hause aus, sei alles andere nichts.
Das sind wohl Ihre Visionen. Aber unter den Bedingungen der Haushaltskrise heißt das doch nichts anderes als: Alle anderen sollen sparen, nur die Polizei nicht. – Das heißt also, eine Polizei auf Kosten von Theatern und Kitas zu unterhalten.
An dieser Stelle möchte ich auch mit einer Legende aufräumen. Sie zeichnen gerne das Bild einer chronisch unterfinanzierten Polizeibehörde. Aber Berlin gibt in diesem Jahr immerhin 135 Millionen DM mehr für die Polizei aus als 1999. Berlin liegt bei den Pro-Kopf-Ausgaben für die Polizei vor allen anderen Bundesländern, die dafür mehr für Kultur und Bildung ausgeben und andere Fragen, die offensichtlich nicht mehr in den Bereich der Hoheitsaufgaben, der Staatlichkeit fallen. In den beiden anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen werden pro Schüler fast 10 000 DM ausgegeben, in Berlin 7 800 DM. Dafür liegt Berlin mit seinen Pro-Kopf-Ausgaben für die Polizei um satte 250 % über dem Bundesdurchschnitt. Aber das ist nicht nur ein Problem des Haushalts, sondern es ist auch ein Problem, dass mit den erheblichen Aufwendungen zu wenig für die Dienstbedingungen der Schutz- und Kriminalpolizisten getan wird. Sie werden trotz der gestiegenen Aufwendungen nicht besser. Es wäre mit diesem Haushalt durchaus möglich gewesen, die Ausstattung z. B. mit Schutzwesten zu verbessern, aber die Koalition hat den entsprechenden Antrag abgelehnt. Und es ist auch möglich, etwas gegen die anschwellende Zahl von Überstunden zu tun, wenn Dienstabläufe reformiert werden, wie z. B. das Schichtsystem, und wenn bei Demos und Kundgebungen auf Deeskalation statt auf Eskalation gesetzt wird.
Viele Belastungen in der Polizei haben sehr viel mit einer defekten politischen Führung, einer kampagnenhaften Sicherheitspolitik und nicht in erster Linie mit einem Mangel an Geld zu tun. Sie sind auf eine Politik zurückzuführen, die die Polizisten in dieser Stadt mehr und mehr zu Ausputzern sozialer Probleme degradiert.
Die PDS unterstützt eine Polizeistrukturreform und eine verstärkte Integration der Schutzpolizei in die Kriminalitätsbekämpfung. Das bestehende Fünfsäulenmodell der Polizeibehörde hat sich überlebt. Der Polizei kommt nach unserem Verständnis die Rolle einer zivilen Ordnungsmacht zu, die sich strikt am Prinzip der Gefahrenabwehr orientiert. Daher setzen wir auch nicht auf die Ausdehnung polizeilicher Eingriffsbefugnisse und den Ausbau des Sicherheitsapparates, sondern auf eine Strategie der Kriminalitätsvermeidung. Wir halten einen grundlegenden Umbau der Polizeistruktur für nötig, um die Sicherheit in den Kiezen zu erhöhen, die Polizei von sachfremden Aufgaben zu entlasten. Dazu gehört auch eine verbesserte Ausstattung mit Kommunikations- und Informationstechnik.
Die Kriminalitätsentwicklung in Berlin hat nunmehr seit mehreren Jahren eine rückläufige Tendenz. Namentlich bei Kfz-Diebstählen, beim Ladendiebstahl, bei Wohnungs- und Laubeneinbrüchen haben wir den niedrigsten Stand seit der deutschen Einheit. Die Kriminalitätsentwicklung kann daher auch nicht als Hilfsargument herangezogen werden, wenn es darum geht, den Sicherheitsapparat in dieser Stadt auszubauen und populistisch die Kriminalitätsfurcht der Bürgerinnen und Bürger zu schüren. In
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Krüger, Marian
diesem Zusammenhang möchte ich eines betonen: Die PDS hält eine Innen- und Rechtspolitik nach dem Prinzip: „Sicherheit im Austausch gegen Freiheit“ grundsätzlich für inakzeptabel und für gefährlich.
Und um Sie noch einmal persönlich anzusprechen, Herr Innensenator: Wir werden es nicht zulassen, dass in dieser Stadt unter der falschen Flagge der Kriminalitäts- und Rechtsextremismusbekämpfung die Bürgerrechte wie z. B. die Demonstrationsfreiheit auf ein Niveau gedrückt werden, wie wir es zuletzt in der DDR besichtigen konnten.